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Grenzüberschreitende Spitzelei
Praktiken und Verstöße verdeckter Ermittler im Ausland lassen sich schwer kontrollieren
Der Fall des in Barcelona enttarnten Polizeispitzels mit dem Kürzel D. H. P. erinnert an den des britischen Beamten Mark Kennedy, den seine damalige Freundin 2010 anhand seines echten Passes enttarnt hatte. Kennedy unterhielt während seines siebenjährigen Einsatzes in linken Bewegungen emotionale und sexuelle Beziehungen zu mehreren Frauen.
Besonders an den Missionen Kennedys war zudem seine jahrelange grenzüberschreitende Entsendung. Die Metropolitan Police hatte Kennedy im Milieu von Gipfelprotesten und der entstehenden linken Klimabewegung ab 2005 auch im Ausland eingesetzt. So weit bekannt, hat der Brite daraufhin Reisen in über ein Dutzend Länder unternommen und dort antikapitalistische und militante Bewegungen infiltriert.
Diese Einsätze waren mitunter illegal. So hat Kennedy in Deutschland am Rande von Demonstrationen Straftaten begangen, obwohl dies verdeckten Ermittlern nach hiesigen Polizeigesetzen nicht erlaubt ist. Auch waren seine Missionen, wie im Falle Berlins, nicht immer angemeldet. Im Bereich der internationalen Polizeiarbeit ist dies aber Vorschrift, denn keine Behörde darf in einem anderen Staat hoheitliche Tätigkeiten ausüben. Darunter fallen etwa das Betreten von Wohnungen oder das Mitschneiden privater Kommunikation.
Es ist derzeit nicht bekannt, ob auch der katalanische Polizist D. H. P. im Ausland aktiv war. Er soll eine Reise nach Brüssel unternommen haben, dies könnte jedoch außerhalb seiner Mission erfolgt sein. Aus Deutschland ist ein solcher Auslandseinsatz von Simon Bromma öffentlich geworden, der im Auftrag des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg bis zu seiner Enttarnung 2010 Informationen über die linke Szene und Einzelpersonen gesammelt hat. Bromma nahm an einem Grenzcamp in Brüssel teil und übernahm dort auch Aufgaben zur Absicherung gegen Polizeieinsätze – angeblich aber nur zur »Legendenbildung«.
Seit 2001 organisieren sich europäische Polizeibehörden in einer informellen Europäischen Kooperationsgruppe für verdeckte Ermittlungen (ECG). Sie dient nach Angaben der Bundesregierung nicht der Verabredung konkreter Einsätze. Auf der Tagesordnung stünden die »regelmäßige Darstellung der aktuellen nationalen Situation« oder eine »Erörterung von Aspekten der internationalen Zusammenarbeit anhand von Fallbeispielen«. Ebenfalls behandelt werden Risiken einer Enttarnung durch biometrische Technologien oder die Vereinfachung von Grenzübertritten verdeckt ermittelnder Polizisten, die für jedes Land einzeln angemeldet werden müssen. Auch das Auffliegen von Kennedy wurde in der Gruppe erörtert.
An der ECG nehmen Polizeidienststellen aus fast allen EU-Mitgliedstaaten teil. Mit Ländern wie Norwegen, Russland, der Ukraine oder der Schweiz sind auch Nicht-EU-Länder beteiligt. Viele europäische Staaten sind außerdem Mitglied in der Internationalen Arbeitsgruppe für verdeckte Ermittlungen, die 1989 für den weltweiten »Erfahrungsaustausch« zum verdeckten Einsatz von Polizeibeamten gegründet wurde. Sie verfügt auch über ein Sekretariat, das gemeinsame Treffen und Workshops organisiert.
Aus Deutschland nimmt stets das Bundeskriminalamt (BKA) an den Treffen der beiden grenzüberschreitenden Spitzel-Arbeitsgruppen teil und trägt dort etwa zum Thema »Biometrie« vor. Nach einer Änderung des Bundespolizeigesetzes darf auch die Bundespolizei seit 2016 verdeckte Ermittler einsetzen; im Fokus steht dabei die »Schleuserkriminalität«. Wie das Zollkriminalamt sollte auch die Bundespolizei nicht selbst an den grenzüberschreitenden Arbeitsgruppen zu verdeckten Ermittlungen teilnehmen, diese steht hierzu aber im Austausch mit dem BKA.
Die grenzüberschreitenden Einsätze verdeckter Ermittler erschweren auch deren Kontrolle. Auch dies zeigt sich am Beispiel des Briten Kennedy, dessen Enttarnung in Großbritannien für eine richterliche Untersuchung seiner Einheit für verdeckte Ermittlungen sorgte, die bis heute andauert. Allerdings ist diese Untersuchung nur auf England und Wales begrenzt; Kennedys Aktivitäten in Schottland oder Irland werden nicht betrachtet. Vor allem aber bleiben seine Reisen in zahlreiche Länder auf dem europäischen Festland außen vor.
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