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»Manifest für Frieden«: Die Linke tief zerrissen

Reaktionen aus der Linken auf das »Manifest für Frieden« von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer offenbaren tiefe Zerrissenheit der Partei

Die Linkspartei sieht sich weiterhin als einzige konsequente Friedenspartei. Organisierten Mitglieder indes Demonstrationen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für deutsche Verhandlungsinitiativen, wurden sie von Genossen vor allem argwöhnisch beobachtet: Gibt es eine ausreichende Abgrenzung gegen rechte Trittbrettfahrer?

Genau diese Abgrenzung ist auch Hauptthema der Debatten in der Partei, seit Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am Freitag ihr »Manifest für Frieden« auf der Petitionsplattform change.org veröffentlichten. Darin sprechen sich die Erstunterzeichner, zu denen der linke Schriftsteller Christian Baron, die evangelische Ex-Bischöfin Margot Käßmann und der Dichter und Musiker Hans-Eckardt Wenzel gehören, gegen weitere Waffenlieferungen Deutschlands aus und fordern Kanzler Olaf Scholz auf, sich verstärkt für Friedensverhandlungen zwischen den Kriegsparteien einzusetzen.

Viele Aktive der Linkspartei und aus ihrem Umfeld erheben indes in den sozialen Medien vor allem den Vorwurf, bei der Petition und vor allem bei der Demonstration für ein Ende des Mordens in der Ukraine, zu der die Unterzeichner aufrufen, handele es sich um eine nach rechts offene, also eine »Querfront«-Veranstaltung.

Tatsächlich teilte AfD-Chef Tino Chrupalla schon am Freitag mit, er habe die Petition unterzeichnet und finde, in der Friedensfrage seien breite Bündnisse nötig. Zudem ruft das extrem rechte Magazin »Compact« zur Teilnahme an der Demonstration am Brandenburger Tor auf. Darüber hinaus kritisieren Linke wie der Ex-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat und die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz scharf, dass der Ex-Brigadegeneral der Bundeswehr Erich Vad sowohl zu den Erstunterzeichnern der Petition als auch zu den Rednern auf der Demo gehören soll. Movassat schrieb auf Twitter: »Eher fault mir die Hand ab, als dass ich einen Aufruf mit Schwarzer, Vad (…) unterschreiben würde.« Die Genannten seien »keine Bündnispartner, sondern sollten für Linke politische Gegner sein«.

Köditz erinnert daran, dass Vad Kontakte zu Gruppen der Neuen Rechten wie dem Institut für Staatspolitik und der Zeitschrift »Junge Freiheit« hatte. Allerdings liegen entsprechende Auftritte und Texte 20 Jahre und länger zurück. In Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender warnte Vad seit Kriegsbeginn immer wieder vor einer Kriegsbeteiligung der Nato und Deutschlands und der Gefahr einer Ausdehnung des Krieges auf ganz Europa.

Unterdessen hat Wagenknecht klargestellt, sie wolle keine Demo-Unterstützung von rechts. Gegenüber »Spiegel online« erklärte sie vor allem mit Blick auf Kritik aus den Ampel-Parteien, dass Chrupalla das Manifest unterschrieben und zur Kundgebung aufgerufen habe, löse vor allem bei jenen »Begeisterung« aus, »die den Krieg in der Ukraine mit Panzern und Kampfjets bis zum letzten Ukrainer fortsetzen möchten«. Man habe mit dem Appell und der Auswahl der Erstunterzeichner »deutlich gemacht, mit wem wir zusammenarbeiten und von wem wir uns Unterstützung erhoffen – und von wem eben auch nicht«.

Die am 10. Februar veröffentlichte Petition hatten bis zum Dienstag mehr als 400 000 Menschen unterzeichnet. Im Text wird eben kein »Diktatfrieden« zulasten der Ukraine gefordert, sondern stärkere diplomatische Initiativen von deutscher Seite, an deren Ende ein Frieden mit Sicherheitsgarantien gerade auch für die ukrainische Seite stehen könnte. Für etwas in dieser Art plädiert mittlerweile auch die dem Pentagon nahestehende US-Denkfabrik Rand-Corporation. Sie konstatierte jüngst, dass die angegriffene Ukraine den Krieg auch mit dauerhafter militärischer Unterstützung durch den Westen nicht gewinnen könne.

Gegenüber Manifest-Unterzeichnern wie dem Politikwissenschaftler Hajo Funke und dem Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, dem Schriftsteller Eugen Ruge und vielen anderen Erstunterzeichnenden wirken die Angriffe auf das Manifest geradezu denunziatorisch. Kritiker äußern sich selten zum konkreten Inhalt des Appells, sondern behaupten schlicht, wie etwa die »Taz«, es handele sich um ein »Manifest für die Unterwerfung« der Ukraine. Dabei werden in dem Text vor allem Fragen gestellt. Und es wird auf die Kosten eines kriegerischen »Weiter so« für die Menschen in der Ukraine aufmerksam gemacht, auf die Tausenden Toten, die das jede Woche fordert. Die russische Administration wird als Verantwortliche für den »brutalen« Überfall auf die »ukrainische Bevölkerung« ebenso benannt wie für eine mögliche atomare Eskalation.

Der Bundesvorstand der Linkspartei befasste sich am Sonntag ebenfalls mit der Petition und dem Demo-Aufruf. Vorstandsmitglied Christine Buchholz und andere hatten einen Antrag eingebracht, in dem sie vorschlugen, die Parteispitze solle zu einer starken linken Beteiligung an der Kundgebung der Manifest-Gruppe aufrufen – unter der Voraussetzung, dass eine Distanzierung gegenüber AfD und Rechtsradikalen erfolgt. Das Gremium verständigte sich zunächst darauf, über den Kundgebungsaufruf und Aktivitäten zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine mit den Initiatoren des Aufrufes zum 25. Februar und der Spitze der Bundestagsfraktion zu beraten. In einer weiteren Vorstandssitzung soll in den nächsten Tagen ein Beschluss dazu gefasst werden. Buchholz hofft, dass die Gespräche dazu führen, dass sich Die Linke nach der Distanzierung Wagenknechts von rechts »vorbehaltlos und mit eigenem Profil an der Kundgebung beteiligen wird«.

Indes hat der Linke-Vorstand am Sonntag eine Erklärung zum Jahrestag des russischen Angriffskrieges verabschiedet, in der er den Überfall klar verurteilt, aber ebenso die Umsetzung lange geplanter Aufrüstungsprojekte durch Deutschland, Nato und EU. Russland wird darin aufgefordert, seine Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen. An die Bundesregierung appelliert der Vorstand, »keine schweren Waffen in die Ukraine zu schicken und die Eskalationsspirale zu durchbrechen«. Sie müsse sich zusammen mit der internationalen Gemeinschaft »mit Nachdruck für die Aufnahme von internationalen Verhandlungen und zivile Alternativen« einsetzen. »Damit wollen wir im diskursiven Korridor, der auf die militärische Perspektive verengt ist, zivile Lösungsansätze stärken und die gesellschaftliche Debatte verändern.«

Zugleich ruft der Linke-Vorstand die Parteigliederungen und die Mitglieder dazu auf, »Kundgebungen und Infostände« zum Jahrestag zu organisieren und sich an den diesjährigen Ostermärschen zu beteiligen. Weiter heißt es darin: »Bei der Mitarbeit in Bündnissen bestehen wir auf konsequente Abgrenzung zu Faschisten, Rassisten sowie Rechtspopulisten, ›Querdenkern‹ und rechtspopulistischer Propaganda.«

Wie »nd« am Montag erfuhr, wollen Linke-Mitglieder am Mittwochmorgen vor der Berliner Parteizentrale der Linken dafür demonstrieren, dass der Vorstand zur Teilnahme an der von der Manifest-Gruppe initiierten Kundgebung aufruft. Am Sonntag hatten sich rund 350 Aktive der »innerparteilichen linken Opposition« in der Linken auf einer Onlinekonferenz zu ihrem weiteren Vorgehen verständigt. Aus ihrem Kreis war jüngst ein Aufruf in die Partei hinein unter dem Titel »Linke gegen Krieg und Kriegsbeteiligung« gestartet worden, den bis zum Montag knapp 8000 Mitglieder und Sympathisanten unterzeichnet hatten.

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