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- Biathlon-WM 2023 in Oberhof
Deutsche Medaille dank forscher Biathlon-Jugend
Die deutschen Biathleten erleben eine durchwachsene Heim-WM in Oberhof. Mut machen einige Nachwuchssportlerinnen
»Wir haben heute gelernt, dass eben doch nicht immer der Favorit gewinnt.« Diesen Satz sprach nicht irgendein TV-Experte am vorletzten Tag der Biathlon-Weltmeisterschaften in Oberhof. Er stammte von dem Favoriten schlechthin: Johannes Thingnes Bø. Der Norweger hatte bis zu jenem Samstag jedes seiner WM-Rennen am Rennsteig gewonnen und fünfmal Gold eingesammelt. Der Überläufer dieser Biathlon-Generation war auf dem Weg, einen Rekord für die Ewigkeit aufzustellen: die perfekte WM mit sieben Siegen bei ebenso vielen Starts. Doch ausgerechnet jener Wettbewerb, in dem der Sieg am sichersten zu sein schien, ging etwas nach hinten los: Die norwegische Männerstaffel schoss 14 mal daneben, musste sogar zweimal in die Strafrunde und wurde so überraschend von den Franzosen bezwungen.
Bø aber hat sich dieser Tagen als bescheidener Dominator bewiesen: »Sie waren heute besser als wir. Das kann ich akzeptieren und mich auch über meine sechste Medaille freuen«, sagte der 29-Jährige. Trösten musste ihn wahrlich niemand. Am Sonntag kam mit Bronze im Massenstart schließlich noch eine siebente dazu. Auch das ein Rekord.
Seine deutschen Kontrahenten beendeten ihre Heim-WM derweil komplett medaillenlos. Die größte Chance hatte sich ihnen in der von Sturmböen im Thüringer Wald bestimmten Staffel geboten. Doch eine davon hatte auch Johannes Kühn beim Schießen erwischt und ihn dreimal in die Strafrunde geschickt. »Es war extrem schwierig und dann hinten raus nur noch hart«, fasste Kühn die letzten Minuten seines Staffellaufs zusammen. Seine folgenden Kollegen Roman Rees und Benedikt Doll konnten nur noch Rang fünf absichern. Die angestrebte Medaille war meilenweit entfernt.
»Bei den Männern fehlte uns das notwendige Glück«, fasste Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV) unter diesem Eindruck die Heim-WM am Sonntagmorgen zusammen. Doch die recht schwache Bilanz der Männer war nicht allein Pech zuzuschreiben: Läuferisch war der Abstand zur Weltspitze eindeutig zu groß. In der Staffel, die Justus Strelow zu Beginn noch in Medaillennähe gehalten hatte, verlor jeder Deutsche mindestens 40 Sekunden auf seine Gegner. Das Formtief kam zum schlechtesten Zeitpunkt, hatte die Staffel doch in den vorherigen vier Weltcuprennen immer einen Podiumsplatz belegt.
Dagegen konnten die DSV-Frauen überzeugen. Den zwei Medaillen vom Auftaktwochenende durch die 34-jährige Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick ließ die Staffel, aufgefüllt mit den drei jungen Athletinnen Vanessa Voigt, Hanna Kebinger und Sophia Schneider, am Samstag Silber folgen. Bei immer noch schwierigen, wenn auch im Unterschied zu den Männern beherrschbaren Bedingungen leistete sich das DSV-Quartett nur sechs Nachlader. Einzig Italiens Staffel machte es mit nur zwei Fehlschüssen noch besser. »Wir haben heute italienische Biathlon-Geschichte geschrieben«, freute sich Altmeisterin Dorothea Wierer über die fast perfekte Staffelleistung und das erste Gold für ihr Land in dieser Disziplin. Auch hier hatten die Favoritinnen aus Schweden und Frankreich am Ende den Kürzeren gezogen.
Dass es die Deutschen besser machten, lag auch an der Entdeckung dieser Saison: Sophia Schneider. Vor dem Winter war ihr einziges Ziel, sich innerhalb des Teams überhaupt für den Weltcup zu qualifizieren. »An die WM hatte ich damals noch gar nicht gedacht«, sagte die 24-jährige gegenüber »nd«. Mit der Zeit und einem guten Rennen nach dem nächsten aber stieg das Selbstvertrauen, bis sie bei der WM mit den Rängen sieben und fünf bereits mehr als überzeugte.
An der Schlüsselposition drei in der Staffel war die Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten nun so groß, dass sie mit einer aggressiven Strategie ins Rennen ging: »Ich wusste, ich bin die Stärkste auf der Runde, also wollte ich die anderen attackieren.« Tatsächlich nahm sie allen Gegnerinnen Zeit ab, nicht nur in der Loipe, sondern auch am Schießstand. Während erfahrenere Biathletinnen in der Hoffnung warteten, dass sich der Wind legen würde, schoss Schneider ihren Rhythmus unbeirrt durch, nahm dabei ein paar Fehler in Kauf, die die anderen dann aber auch schossen. Die Taktik ging auf.
So konnte Sprintweltmeisterin Herrmann-Wick auf dem Weg zu Silber »die Schlussrunde sogar genießen«, denn der Vorsprung auf Schweden war groß. »Die Mädels haben tolle Vorarbeit geleistet. Heute bin ich eine stolze Mama«, scherzte sie über ihren Status der Ältesten im Team. »Silber ist ein Riesenerfolg. Was vor allem die jungen Mädels geleistet haben, das feiern wir wie eine Goldmedaille«, war Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer beeindruckt von den Nachwuchssportlerinnen. Auch DSV-Chef Steinle bilanzierte dank der erfolgreicheren Frauensparte: »Insgesamt sind wir zufrieden.«
Auch Kebinger hatte zu Saisonbeginn niemand so richtig auf dem Schirm gehabt: Krank im November fiel sie sogar aus dem Team, startete dann neu im Deutschland-Pokal. »Dort sah ich schon, dass meine Form nicht zu schlecht war. Genauso dann im IBU-Cup. Nach drei Podiumsplätzen durfte ich dann in Antholz im Weltcup ran«, resümierte die 25-Jährige ihren steilen Aufstieg in nur drei Monaten. »Und dann haben mich die Trainer auch noch zur WM fahren lassen. Und jetzt sitze ich hier mit einer Medaille. Das war eine verrückte Reise.« Im Massenstartrennen zum Abschluss der WM war der Akku dann aber leer. Beim Sieg der Schwedin Hanna Öberg wurde Kebinger als beste Deutsche Zwölfte.
So blieben es Titelkämpfe, die anfangs vom norwegischen Team um den nun 17-fachen Weltmeister Bø dominiert wurden, am Ende aber noch mal für etwas Abwechslung gesorgt hatten. Mehr als 150 000 Fans hatten an neun WM-Tagen die Arena am Grenzadler besucht, allein 47 000 am leider verregneten Abschluss-Wochenende. Nicht immer lief alles rund: Erst gab es Staus an Zubringer-Parkplätzen, am Samstag fiel dann noch die Medaillenvergabe im Kurpark aus, weil die große Bühne dem Sturm nicht standhielt.
Die Hoffnung der Thüringer Veranstalter ist jedoch, dass die WM einen neuen Boom im hiesigen Nachwuchs auslösen wird. Die nötige moderne Infrastruktur dafür ist durch millionenschwere Investitionen nun geschaffen. Und wenn es noch mehr Anstöße und Vorbilder braucht, ist sich Denise Herrmann-Wick sicher, sie spätestens jetzt in Voigt, Kebinger und Schneider gefunden zu haben: »Es war sehr beeindruckend, wie offensiv die Mädels hier aufgetreten sind. Da können wir uns in den nächsten Jahren auf viele interessante Rennen freuen.«
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