Sachsen tritt beim Sozialwohnungsbau auf die Bremse

Hohe Baukosten dämpfen Abruf von Fördermitteln in Sachsen. Neue Richtlinie soll Aufschwung bringen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Angesichts stark steigender Mieten in Ballungszentren gibt es auch in Sachsen einen hohen Bedarf an Sozialwohnungen. Ende 2021 gab es im Freistaat 12 083 solcher Wohnungen, deren Mieten gedeckelt sind und die auch Empfänger von Sozialleistungen beziehen können. Den zusätzlichen Bedarf bezifferte das für Wohnen zuständige Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR) aber allein bis 2025 auf 16 500. Etwa 10 000 Sozialwohnungen werden demnach in Dresden gebraucht, gut 5200 in Leipzig und 1200 in Chemnitz.

Angesichts dessen sollte man erwarten, dass rege gebaut wird und es große Nachfrage nach den staatlichen Fördermitteln gibt, die Bund und Länder für den Bau solcher Wohnungen bereitstellen. Doch dem ist nicht so. Eine Anfrage der Wohnungspolitikerin Caren Lay (Linke) im Bundestag ergab, dass Sachsen im Jahr 2022 so wenig Fördergeld des Bundes abgerufen hat wie kaum ein anderes Land. Der Bund hatte 2021 eine Milliarde Euro bereitgestellt, die in mehreren Tranchen über fünf Jahre ausgezahlt werden. Bis Ende des zweiten Jahres könnten 40 Prozent abgerufen werden. Das schafften fast alle Bundesländer. Sachsen allerdings hat nach Angaben des Bundesbauministeriums nur 2,34 von möglichen 26,6 Millionen angefordert – 8,6 Prozent. Nur im Saarland war es weniger; dort nahm man überhaupt keine Bundesförderung in Anspruch. Lay nannte es angesichts enormer Mietsteigerungen in Leipzig und Dresden »skandalös«, dass Mittel nicht abgerufen würden und die Koalition aus CDU, Grünen und SPD die Förderung verschlafe: »Damit muss Schluss sein.«

Das zuständige Ministerium in Dresden bestätigt die Zahlen im Prinzip, sagt aber auf Anfrage, sie ergäben »nicht das vollständige Bild«. Tatsächlich seien in den Programmjahren 2021 und 2022 vom Bund zur Verfügung gestellte Gelder zurückgegeben worden, weil es in Leipzig und Dresden nicht genug Nachfrage gegeben habe. Beim Blick über den gesamten Förderzeitraum von fünf Jahren werde sich die Lage aber »besser darstellen«. Im Jahr 2023 würden weitere 10,14 Millionen Euro fällig, im vierten und fünften Jahr der Förderperiode werde sich das Verhältnis von bereitstehenden und genutzten Mitteln »noch weiter erhöhen«.

Zur Begründung für die zögerliche Nachfrage nach Fördermitteln verweist das Ministerium auf die schlechten Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau generell: explodierende Baukosten, Mangel an Handwerkern, steigende Kreditzinsen. Das gilt freilich für alle Bundesländer. Trotzdem hatte beispielsweise Thüringen im gleichen Zeitraum 10,7 der aus Berlin bereitgestellten knapp 27 Millionen abgerufen, rund 40 Prozent. In Hessen waren es 32,8 von 79 Millionen, also sogar 41,4 Prozent – eine fast fünfmal so hohe Quote wie Sachsen.

Der Grund für die gravierenden Unterschiede sind unterschiedliche Förderregularien der Länder. Die sächsische Richtlinie, räumt man in Dresden ein, habe sich bisher an der Miethöhe orientiert und nicht an den Baukosten. Das erlaubte es nicht, deren Anstieg durch höhere Fördersätze zu kompensieren. In der Folge hat etwa die Dresdner kommunale Wohnungsgesellschaft WID Projekte verschoben, gestreckt oder gänzlich gestoppt. Aus Leipzig heißt es, die Lage sei schwierig, die Bautätigkeit aber immerhin nicht gänzlich zum Erliegen gekommen.

Hoffnungen auf Besserung ruhen auf einer überarbeiteten Förderrichtlinie, die im Januar im Kabinett beschlossen wurde und im Februar in Kraft tritt. Damit wird der Fördersatz von bislang 35 Prozent auf 40 Prozent angehoben; der maximale Zuschuss je Quadratmeter erhöht sich von 3,80 Euro auf 4,80 Euro. Dieses und nächstes Jahr könne man mehr als 170 Millionen Euro bewilligen, erklärte Thomas Schmidt (CDU), Minister für Regionalentwicklung. Damit könne das Land »weitere wichtige Impulse zur Beruhigung der angespannten Wohnungsmärkte in Dresden und Leipzig geben«.

Auch der SPD-Wohnungsexperte Albrecht Pallas hofft, dass die höhere Förderung die gestiegenen Baukosten »zumindest teilweise kompensieren« könne. Die SPD hält sich zugute, ein Engagement des Freistaats beim sozialen Wohnungsbau seit 2017 »erkämpft« zu haben. Dazu sei es unabdingbar, die zur Verfügung stehenden Bundesmittel »zu einem möglichst großen Teil abzurufen«.

Die neue Förderrichtlinie ist dazu ein Schritt, aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Pallas sieht Nachbesserungsbedarf bei Bund, Land und Kommunen. Auch müsse es viel stärker um energetische Sanierung von Bestandsbauten und kooperative Bau- und Wohnformen gehen. Jule Nagel, Wohnungsexpertin der Linken im Landtag, sagt, die neue Richtlinie sei »mehr als überfällig« gewesen. Andere Bundesländer hätten bereits mit Sonderprogrammen auf die Baukrise reagiert; Sachsen habe Lösungen »verpennt oder ausgesessen«. Aber auch die neue Richtlinie sei »überarbeitungsbedürftig«. So sollten die Fördersätze nicht starr festgelegt, sondern dynamisiert und an die Entwicklung der Baukosten abgepasst werden. Zudem müssten Sozialwohnungen über mehr als die bisher üblichen 15 bis 20 Jahre diesen Status behalten. Anderenfalls, so Nagel, handle es sich nur um eine »befristete soziale Zwischennutzung«.

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