Demonstranten bedrohen Politiker

Erneut eskalieren im Nordosten Proteste gegen Unterkunft für Geflüchtete, dieses Mal in Greifswald

Da war es noch friedlich: Protest gegen eine Unterkunft für 500 Geflüchtete am Montagabend im Greifswalder Ostseeviertel
Da war es noch friedlich: Protest gegen eine Unterkunft für 500 Geflüchtete am Montagabend im Greifswalder Ostseeviertel

Vielerorts in der Bundesrepublik beklagen Städte und Gemeinden, dass sie bei der Unterbringung Geflüchteter an ihre Grenzen stoßen. In den letzten Wochen gab es zudem insbesondere an mehreren Orten in Mecklenburg-Vorpommern teils heftige bis handgreifliche Bürgerproteste. Zu einer bedrohlichen Situation für einen Kommunalpolitiker kam es auch am Montagabend in Greifswald.

Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hatte mehrere Städte gefragt, ob es geeignete Grundstücke für neue Gemeinschaftsunterkünfte gebe. Greifswald als größte Stadt im Kreis hatte mehrere angeboten. Aktuell sorgt der Plan, 500 Menschen in einem Containerbau im Greifswalder Ostseeviertel unterzubringen, für Unmut. Der Kreistag des Landkreises Vorpommern-Greifswald hatte am Montagabend in Pasewalk nach heftiger Debatte beschlossen, dass für diese neun Millionen Euro ausgegeben werden dürfen.

Ebenfalls am Montagabend fand im Greifswalder Ostseeviertel in der Schule, neben der die Unterkunft errichtet werden soll, eine Versammlung der Ortsteilvertretung statt. Daran nahm auch Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) teil. Vor dem Gebäude protestierten rund 500 Menschen gegen das Projekt. Als Fassbinder die Versammlung vorzeitig verließ, musste er von der Polizei mit einer Kette von Beamten vor aggressiven Demonstranten beschützt werden. Die Polizeidirektion Anklam hatte in der Nacht zum Dienstag mitgeteilt, Polizisten sei es nur mit körperlicher Gewalt und dem Einsatz von Schlagstöcken gelungen, Angriffe auf das Stadtoberhaupt zu verhindern.

Fassbinder sagte am Dienstag, er habe zwar zeitweilig ein »ungutes Gefühl« gehabt. Er fühle sich »derzeit aber nicht akut bedroht«. Allerdings hatte es zuvor im Internet Aufrufe gegeben, Fassbinder zu Hause zu »besuchen«. Tatsache ist, dass Stadt und Landkreis dem Unmut nun Rechnung tragen. Man prüfe, ob mehrere kleinere Standorte besser wären als das Containerdorf im Ostseeviertel. »Eine Konzentration von 500 Menschen an einem Punkt ist nicht unproblematisch«, sagte Fassbinder am Dienstag. Er brachte drei Standorte mit jeweils bis zu 200 Plätzen ins Spiel und kündigte an, der Hauptausschuss der Stadt werde am Donnerstag über neue Varianten diskutieren. Am Ende werde die Stadtvertretung entscheiden. Dazu werde eine Sondersitzung nötig. Greifswald habe seit sieben Jahren bereits eine andere Gemeinschaftsunterkunft, an der es keine Sicherheitsprobleme gebe.

Landrat Michael Sack (CDU) sagte auf der Kreistagssitzung am Montagabend in Pasewalk: »Uns läuft die Zeit davon, denn wir bekommen ständig neue geflüchtete Menschen zugewiesen.« Der Landkreis habe fast 3000 ukrainische Flüchtlinge untergebracht. Damit seien Wohnungen für dezentrale Unterbringung Mangelware. In dem Zusammenhang kritisierte Sack die Politik der Bundesregierung. »Man vergisst uns gerade«, sagte Sack. Er meinte damit aus seiner Sicht unzureichende Maßnahmen zur Begrenzung der Aufnahme weiterer Schutzsuchender.

Am Dienstag verurteilte der Landrat die Drohungen gegen Fassbinder: »Was da passiert ist, ist überhaupt nicht zu entschuldigen.« Unter den Demonstranten in Greifswald waren laut Polizei mindestens 20 Personen, die der rechtsextremen Szene zugerechnet werden. Diese griffen auch einige von gut 30 Gegendemonstranten an. Die Polizei ermittelt nun wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Bedrohung, Verwendung von Pyrotechnik und einer »Körperverletzung unter Demonstranten« der unterschiedlichen politischen Lager.

Die Ortsteilvertretung sprach sich unterdessen einstimmig gegen den Containerbau im Ostseeviertel aus. Man wolle Geflüchteten helfen, aber die Dimension und der Standort seien falsch, sagte der Vorsitzende Jürgen Liedtke (CDU).

Bereits am Sonntag hatten am Kreistagsstandort Pasewalk ebenfalls 130 Menschen gegen eine Unterkunft für Geflüchtete demonstriert. Motto: »Nein zum Heim. Für eine sichere Zukunft unserer Kinder. Unsere Oststadt wird kein Neukölln.« Allerdings hatten sich die Pläne für die Sammelunterkunft in Pasewalk bereits in der Vorwoche erledigt.

Unterdessen schwelt der Konflikt um eine geplante Unterkunft für 400 Geflüchtete in Upahl nahe Grevesmühlen im Landkreis Nordwestmecklenburg ebenfalls weiter. Auch dort hatte es vor einigen Wochen teils gewalttätige Proteste gegeben. Ende vergangener Woche veröffentlichten die Kreistagsfraktionen eine gemeinsame Erklärung dazu, in der auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) kritisiert wird. In dem Papier, das auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Christian Ahlbeck, unterschrieben hat, heißt es: »Wir hätten uns eine längere Planungszeit und eine deutlich bessere Einbindung der Menschen in Upahl gewünscht.« Weiter schreiben die Abgeordneten, die Unterbringung von rund 2600 Flüchtlingen aus der Ukraine im Landkreis habe dazu geführt, das keine Wohnungen mehr für jetzt Ankommende vorhanden seien. mit Agenturen

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