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Die Linke Brandenburg: Der Vize verlässt die Partei
24-jähriger Vizelandesvorsitzender Justin König tritt aus der Partei aus
Bereits als Student Linksfraktionschef im Kreistag Ostprignitz-Ruppin, Anfang 2022 dann zum stellvertretenden Parteivorsitzenden in Brandenburg gewählt. Der 24-jährige Justin König galt mit seiner ruhigen, sympathischen Art als eine der nicht gerade reichlich gesäten Zukunftshoffnungen im Landesverband. Man mochte ihn über die Grenzen von Parteiflügeln hinaus. Doch in den letzten Tagen fremdelte er, nicht mehr zu übersehen, mit seiner Partei. Nun tritt er zum 9. März – das ist der Tag, an dem er 25 Jahre alt wird – aus der Partei aus. Seine Mitteilung dazu sei kurz und bündig gewesen, sagt Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg.
Eine zweiseitige Erklärung veröffentlichte Justin König im Internet. »Schweren Herzens« gehe er diesen Schritt, schreibt er. Achteinhalb Jahre sei die Partei seine politische Heimat gewesen und habe für das gestanden, wofür er gekämpft habe und weiter kämpfen wolle: eine armutsbefreite Gesellschaft. Nun müsse er konsterniert feststellen, dass die Schnittmengen nicht mehr ausreichen.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat für König ganz klar eine »Vernichtungskomponente«. Die Linke jedoch habe im entscheidenden Moment die Augen vor den »ungeheuerlichen Verbrechen« verschlossen. »Eine politische Kraft, die in Teilen gezielt Desinformation mit den Kreml-Narrativen streut, trägt in der Konsequenz dazu bei, den öffentlichen Diskurs nach rechts zu verschieben«, analysiert König. »Eine Kraft, die in Teilen den Faschisten und Kriegsverbrecher Wladimir Putin indirekt unterstützt, kann ich als Funktionsträger nicht weiter unterstützen. Denn das geht an meine antifaschistische Substanz, und das kann ich nicht zulassen.« Warum lasse sich ausgerechnet eine linke Partei vom Gedankengut rund um die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht treiben? »Haltung wäre die bessere Wahl«, meint König.
Er hatte am 25. Februar die Friedenskundgebung am Brandenburger Tor in Berlin aufgesucht und von dort via Kurznachrichtendienst Twitter gemeldet: »Wagenknecht faselt gerade, dass ihre Demonstration nicht von rechts unterwandert ist.« In diesem Moment laufe ihm aber der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann über den Weg.
Ja, der Westen habe Fehler gemacht, gibt König zu, aber der Osten auch. Der Kommunismus sei nicht ohne Grund gescheitert. Er sei nach wie vor überzeugt, dass eine demokratische sozialistische Partei im politischen Spektrum der Bundesrepublik gebraucht werde. Doch Die Linke verharre stur in außenpolitischem Dogmatismus und habe so die Durchsetzungskraft ihrer Sozialpolitik endgültig begraben. »Im Gegensatz zu Menschen, die im Systemkampf zwischen Ost und West aufgewachsen sind und von ihm geprägt wurden, hatte ich das Glück, in der demokratischen Gegenwart aufgewachsen zu sein, in einem Heute, in dem viele immer noch nicht angekommen sind.« An die Adresse der Linken schließt König mit einem Zitat des sowjetischen Staatsmannes Michail Gorbatschow: »Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren.«
»Ein Jahr Krieg hat die Auseinandersetzungen in jeder demokratischen Partei verschärft«, reagiert die Landesvorsitzende Katharina Slanina. Diese Konflikte führten auch zu Austritten, weiß sie. »Aber diese Auseinandersetzung müssen wir führen: kritisch, sachlich, fair. Mit Hintergrundwissen und nicht mit vordergründigen Annahmen.« Slanina bedauerte, dass sich König in diesen Prozess nicht mehr einbringen wolle. »Wir werden diesen durchaus schwierigen Weg aber weitergehen, um als linke demokratische Partei wieder stärker erkennbar zu sein.«
Der Landesverband Brandenburg wird durch zwei Vorsitzende und zwei Stellvertreter geführt. Der Posten von König muss neu besetzt werden. Gelegenheit dazu ist beim ohnehin für den 22. April im Klubhaus von Ludwigsfelde angesetzten Landesparteitag. Die Funktion des Linksfraktionschefs im Kreistag Ostprignitz-Ruppin wollte König sowieso abgeben. Das war seit Januar klar. Alle weiteren Fragen würden sich nach einer Fraktionssitzung am 6. März stellen, sagt König. Er könnte als Parteiloser weiter der Linksfraktion angehören. Er könnte auch zu einer anderen Partei oder Fraktion wechseln. Klar ist im Moment nur, dass sich der 24-Jährige nicht aus dem Kreistag verabschiedet. »Mein Mandat werde ich behalten und weiter gewissenhaft ausüben«, erklärt er »nd«.
Ebenfalls seinen Austritt erklärt, und zwar zum 15. März, hat mit ähnlicher Begründung auch noch Jonathan Wiegers, Landessprecher der Linksjugend. Er war erst anderthalb Jahre in der Linken und vorher bei den Grünen gewesen. Andererseits treten auch Anhänger von Sahra Wagenknecht aus der Partei aus und außerdem Genossen, die sagen, sie wüssten nicht mehr, wofür Die Linke überhaupt noch stehe.
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