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Gewinner von Gewicht

»The Whale«, der mit zwei Oscars bedacht wurde, adressiert ein drängendes soziales Problem

Im Fatsuit: Brendan Fraser als stark übergewichtiger College-Professor Charlie
Im Fatsuit: Brendan Fraser als stark übergewichtiger College-Professor Charlie

Brendan Frasers große Zeit schien eigentlich passé. Doch mit dem Oscar für den besten männlichen Hauptdarsteller, der ihm vergangenen Sonntag für seine Rolle in Darren Aronofskys Drama »The Whale« verliehen wurde, ist der 54-jährige US-Schauspieler nun mit Wucht ins Showbiz zurückgekehrt. Wucht auch im ganz wörtlichen Sinne: Fraser spielt in dem Film den krankhaft übergewichtigen, knapp 300 Kilogramm schweren College-Literaturprofessor Charlie. Für seine Rolle musste er einen gewaltigen Fatsuit tragen und jeden Drehtag stundenlang in der Maske verbringen (für die Maskenbildner Adrien Morot ebenfalls mit einem Oscar ausgezeichnet wurde). Jede Bewegung fällt Charlie schwer, gehen kann er nur mit einem Rollator, seine Wohnung verlässt er niemals. Aus Angst vor Spott schaltet er seine Laptop-Kamera nicht ein, wenn er seine Studierenden online unterrichtet. Zu Beginn des Films erleidet er wegen zu großer körperlicher Anstrengung beim Masturbieren fast einen Herzinfarkt.

Laut Regisseur Aronofsky geht es in »The Whale« vorrangig um die Beziehung zwischen Charlie und seiner Tochter, die sich von ihm entfremdet hat – doch natürlich, das zeigt schon der Titel an, ist Charlies Körper und sein Umgang mit diesem ein mindestens ebenso bestimmendes Motiv. Seit Charlies Liebhaber vor langer Zeit Selbstmord begangen hat, leidet er unter unkontrolliertem Essverhalten.

»The Whale« startete in den USA zunächst in sechs ausgewählten Kinos in Los Angeles und New York, spielte dabei aber schon eine Rekordsumme ein. Das große Interesse an dem Film könnte daher rühren, dass Fettleibigkeit in den USA zu einem immer drängenderen Problem wird: 2019 waren knapp drei Viertel aller US-Amerikaner übergewichtig (BMI über 25) und über ein Drittel fettleibig beziehungsweise adipös (BMI über 30). Dabei ist das gesundheitliche auch ein soziales Problem: Demografische Untersuchungen zeigen, dass Übergewicht insbesondere bei Menschen auftritt, die in prekären Verhältnissen leben. Gründe hierfür sind mangelnde Aufklärung und fehlende Ressourcen für eine gesunde Ernährung.

Als wären die hohen gesundheitlichen Risiken nicht genug, werden stark übergewichtige Menschen bekanntlich oft geächtet, beleidigt und sozial ausgegrenzt. Dagegen hat sich die sogenannte »Fat Acceptance«-Bewegung formiert, die seit einigen Jahren immer mehr Auftrieb gewinnt. Eine prominente Stimme der Bewegung, die amerikanische Schriftstellerin Lindy West, hat sich »The Whale« angesehen – und war nicht begeistert. Der Film bestätige die Vorurteile, die die Gesellschaft gegenüber stark übergewichtigen Menschen habe – dass sie traurig und ekelerregend seien – und evoziere beim Publikum Gefühle von Horror und Befremdung. Er suggeriere, so West im »Guardian«, dass stark übergewichtige Menschen »nie ihren Körper von der Sonne wärmen lassen, nie im Meer baden, nie Kunst machen, nie von Menschen berührt werden und nie wirklich leben«.

Aber tut der Film das wirklich? Er zeigt zunächst das Schicksal eines bestimmten Menschen, der knapp 300 Kilogramm schwer ist. Diesen im Film ein normales Leben führen zu lassen, wäre unrealistisch. Dass er seine Wohnung nicht verlassen kann, ist nicht einem Vorurteil, sondern seinem physischen Zustand geschuldet. Skandalös ist es nicht, dies zu zeigen, sondern die Schuld daran – wie es im Kapitalismus so oft geschieht – den Einzelnen zuzuschieben.

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