Credit Suisse: Schweizer Großbank gerät ins Straucheln

Die angeschlagene Credit Suisse benötigt Milliardenkapitalspritze

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Börsenkurs der verlustgeplagten Credit Suisse (CS) war am Mittwoch dramatisch abgestürzt. Auslöser für das zweite Marktbeben innerhalb weniger Tage waren Äußerungen des saudischen Anteilseigners, der Schweizer Großbank kein frisches Kapital zu gewähren. In der Folge fiel der CS-Aktienkurs um über 30 Prozent in den Keller und andere Finanzwerte gleich mit. Die Sorge auf den Finanzmärkten vor einem »Lehman 2.0« ist groß.

Die ehemalige Schweizerische Kreditanstalt (SKA) ist eines der größten global tätigen Finanzdienstleistungsunternehmen und gilt als systemrelevantes Institut. Die Bank verwaltet weltweit Vermögenswerte von mehr als einer Billion Euro. Wie ihr Konkurrent am Bankplatz Zürich, die UBS, hatte die Credit Suisse lange vom speziellen Bankgeheimnis der Schweiz profitiert, das Vermögensverwalter und Geldwäscher aus aller Welt geradezu magisch anzog. Aufgrund massiver Drohungen der Vereinigten Staaten, eidgenössischen Banken wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafrechtlich zu verfolgen, stimmten Ständerat und Nationalrat in Bern der sogenannten Lex USA zu. Seit 2014 leistet die Schweiz Amtshilfe, wenn eine begründete Anfrage aus den USA oder der Europäischen Union bei Verdacht auf Steuerhinterziehung kommt.

Damit war jedoch auch die Sonderrolle der Alpenrepublik auf den Finanzmärkten passé. Die beiden Global Player aus Zürich mussten ihr Geschäftsmodell anpassen. Der UBS gelang dies besser, die CS stürzte in Turbulenzen. Mehrere Strategiewechsel zeigten wenig Erfolg, Vorstände kamen und gingen. Der Vorstandsvorsitzende Tidjane Thiam stürzte über einen Skandal um interne Beschattungen von Beschäftigten. Restrukturierungsrunden waren mit milliardenschweren Kapitalerhöhungen verbunden, die die Aktionäre stemmen mussten, und mit Stellenstreichungen. 2022 erlebte die Credit Suisse mit einem Jahresverlust von 7,3 Milliarden Franken (rund 7 Milliarden Euro) das schlimmste Jahr seit der Finanzkrise 2008. Bereits im Jahr davor hatte die Großbank einen Verlust von 1,6 Milliarden Franken erlitten.

Das ganze Ausmaß des Niedergangs wird deutlich, wenn man es mit Europas Top-10-Banken vergleicht. Die konnten ihren Gewinn im vergangenen Jahr um vier Prozent auf 72 Milliarden Euro und damit auf ein Zehn-Jahres-Hoch steigern, hat die Beratungsgesellschaft EY errechnet. Und sie konnten den Abstand zu den führenden US-Banken verkürzen. Allerdings: Mit 140 Milliarden Euro verdienten Letztere fast doppelt so viel wie ihre europäischen Wettbewerber. Mit der Fokussierung auf das riskante Investmentbanking hatte die CS-Spitze versucht, in diese Dimension vorzustoßen.

Der deutsch-schweizerische Bankmanager Ulrich Körner, der seit August 2022 die Credit Suisse leitet, riss im Herbst die Reißleine. Die verlustgeplagte, skandalbelastete Bank dampft nun ihre spekulativen Investments auf eigene Rechnung ein und setzt verstärkt auf die provisionsträchtige und risikoarme Vermögensverwaltung für Konzerne und Reiche.

Das reicht dem Chef der saudischen Nationalbank – das halbstaatliche Geldhaus ist mit rund 9,9 Prozent größter Einzelaktionär der Credit Suisse – aber nicht. Am Mittwoch zog Ammar Abdul Wahed Al Khudairy in einem Interview des US-Fernsehsenders Bloomberg-TV seinerseits die Reißleine; er schloss zusätzliche Unterstützung kategorisch aus.

Der Kollaps mehrerer regionaler US-Institute hatte zuletzt Unsicherheit im Bankensektor ausgelöst. Bei der ohnehin angeschlagenen Credit Suisse schlug sich dies besonders deutlich nieder. Die Aktie der Bank verlor am Mittwoch zeitweise fast ein Drittel an Wert. Am Donnerstag gab es indes eine deutliche Erholung des Kurses. Grund: Die angeschlagene Bank will »entschlossene Maßnahmen zur präventiven Stärkung« der Liquidität ergreifen und sich bis zu 50 Milliarden Franken von der Schweizer Nationalbank (SNB) leihen, wie es in einer Ad-hoc-Mitteilung hieß.

Noch am Mittwochabend hatten die Zentralbank und die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma mitgeteilt, der CS bei Bedarf Liquidität zur Verfügung zu stellen. Direktor der Finma war übrigens bis 2021 Mark Branson, der heute die deutsche Finanzaufsicht Bafin leitet. Bransons aktueller Chef, Bundesfinanzminister Christian Lindner, hatte ebenfalls bereits am Mittwochabend mit Blick auf die Unsicherheit im Bankensektor die Stabilität des deutschen Kreditwesens hervorgehoben: »Die Bundesregierung ist mit allen Beteiligten in einem ständigen und intensiven Austausch«, sagte der FDP-Vorsitzende in der ARD. »Wir haben mit der Bafin eine leistungsfähige Finanzaufsicht, und wir haben die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition hat. Wir können deshalb sehr klar sagen: Das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – ist stabil. Und dafür sorgen wir auch weiter.«

Skeptischer reagierte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende: »Bei der Credit Suisse sehen wir, dass ein hoch bezahltes Management nicht in der Lage ist, eine Bank sauber zu führen.« Die Probleme seien längst bekannt gewesen, doch weder die Bank noch Aufsichtsbehörden hätten ausreichende Konsequenzen gezogen. Jetzt brauche es einen neuen Anlauf bei der Finanzmarktregulierung.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -