Debatte über Ukraine-Unterstützung

Floridas Gouverneur Ron DeSantis sieht die Interessen seines Landes nicht gewahrt

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 5 Min.
Stellt die US-Unterstützung der Ukraine infrage: Floridas Gouverneur Ron DeSantis
Stellt die US-Unterstützung der Ukraine infrage: Floridas Gouverneur Ron DeSantis

Die wichtigsten Kontrahenten im Vorwahlkampf der Republikaner bei den US-Präsidentschaftswahlen laufen sich warm. Ein wichtiges Thema im parteiinternen Wahlkampf könnte die Haltung der Kandidatinnen zum Ukraine-Krieg werden, denn sowohl Ex-Präsident Donald Trump als auch sein wichtigster Gegner, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, äußerten sich zuletzt skeptisch, ob eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine wirklich im Interesse der USA sei.

DeSantis antwortete auf einen »Fragebogen« zum Ukraine-Krieg des rechtsgerichteten TV-Moderators Tucker Carlson und bezweifelte dabei, ob eine weitere Unterstützung der Ukraine durch die USA sinnvoll sei. »Die USA haben viele wichtige Interessen – so etwa die Sicherung unserer Grenzen (…), eine zuverlässige und unabhängige Energieversorgung und die Einhegung der wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Macht der Kommunistischen Partei Chinas. Die weitere Verstrickung in einem Territorialkonflikt zwischen der Ukraine und Russland gehört aber nicht dazu«, so DeSantis.

Obwohl DeSantis betonte, dass »Frieden zweifelsohne das Ziel sein sollte«, deutete er an, dass er die Rolle der USA in der Welt keineswegs grundsätzlich überdenken wolle. Aus seiner Sicht habe sich das Sicherheitsestablishment in Washington vom Konflikt mit Russland schlicht ablenken lassen, während es dem Hauptfeind China nicht genug Aufmerksamkeit widme.

Die Regierung von US-Präsident Biden, so DeSantis, begehe einen Fehler, da sie der Ukraine einen »Blankoscheck« ausgestellt habe, ohne dabei ein klar definiertes strategisches Ziel vor Augen zu haben. Damit wiederholt er Aussagen von Kevin McCarthy, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, aus dem Wahlkampf im vergangenen Herbst.

DeSantis hat seine Kandidatur bisher noch nicht offiziell bekannt gegeben, doch es gilt als wahrscheinlich, dass er seinen Hut ins Rennen um die Präsidentschaft werfen wird. DeSantis liegt in den meisten Umfragen derzeit hinter Trump. In einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Instituts Morning Consult sprechen sich 54 Prozent der Republikaner für Trump aus, 24 Prozent würden DeSantis ihre Stimme geben.

Trump hatte sich in den vergangenen Monaten für Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland stark gemacht. In seiner Antwort auf Carlsons Fragebogen schreibt Trump: »Unser Ziel in der Ukraine ist, Europa zu helfen und zu beschützen. Aber Europa hilft sich nicht selbst. Es verlässt sich fast ausschließlich auf die USA. Das ist uns gegenüber sehr unfair.« Sich Russland in der Ukraine entgegenzustellen, sei kein wichtiges strategisches Ziel für die USA, wohl aber für Europa. »Europa sollte deshalb wesentlich mehr als wir (an die Ukraine) zahlen oder mindestens so viel«, so Trump.

In vielerlei Hinsicht positioniert sich DeSantis als eine kompetentere Alternative zu Trump: Er setzt auf die Strategie, dieselben politischen Inhalte wie der Ex-Präsident zu vertreten, jedoch weniger erratisch aufzutreten. Gut möglich ist, dass Floridas Gouverneur gerade eine Chance wittert, da es in den letzten Tagen vermehrt Spekulationen über eine Anklage gegen Trump wegen Verstößen gegen Wahlkampffinanzierungsregeln gab. Trump selbst hatte angekündigt, er könnte demnächst verhaftet werden, und zu Protesten aufgerufen.

DeSantis hofft wohl, möglichst viele Trump-Wähler davon zu überzeugen, dass er bessere Chancen hat, 2024 zu siegen – entweder gegen Joe Biden oder gegen einen anderen Demokraten, sollte sich der gegenwärtige Amtsinhaber etwa aus Altersgründen zurückziehen. Deshalb will DeSantis wohl einerseits inhaltlich Nähe zu Trump demonstrieren, sich aber stilistisch von ihm abgrenzen – kein ganz leichtes Unterfangen, denn Grenzüberschreitungen und Provokationen gehören zu Trumps politischem Markenkern. Beim Thema Ukraine sucht DeSantis nun ganz klar die inhaltliche Nähe zu Trump – und fordert das Parteiestablishment der Republikaner klar heraus.

In weiten Teilen der Republikanischen Partei stieß DeSantis Aussage auf Kritik. »Wer so etwas sagt, behauptet, dass Kriegsverbrechen egal seien,« so Senator Lindsey Graham aus South Carolina im Fernsehsender CNN. Graham, der oft zu Trumps Verbündeten gezählt wird, warnte, dass Putins Aggression »über die Ukraine hinausgehen« könnte. »Wer das nicht versteht, hört ihm nicht richtig zu«, so Graham.

Die Präsidentschaftskandidatin und ehemalige UN-Botschafterin unter Trump, Nikki Haley, schlug schärfere Töne an. »Amerika stünde nach einem Sieg der Ukraine sehr viel besser da, auch weil dies eine Ausweitung des Kriegs vermeiden würde«, so Haley. »Wenn Russland siegt, so gibt es keinen Grund zu glauben, dass es in der Ukraine halt machen würde. Seine engsten Verbündeten, China und Iran, würden noch aggressiver werden«, zitiert die konservative Zeitschrift »National Review« Haley, die in der Umfrage von Morning Consult mit vier Prozent weit hinter Trump und DeSantis lag.

Der republikanische Fraktionsgeschäftsführer im Senat, John Thune, der dem Parteiestablishment nähersteht, sagte CNN, er sei mit DeSantis Aussagen nicht einverstanden, respektiere aber, dass es innerhalb der Partei eine Pluralität von Meinungen zum Thema Ukraine gebe. »Wahrscheinlich wird es 2024 Kandidaten auf unserer Seite geben, die diese Meinung teilen, und im ganzen Land gibt es Republikaner, die so denken«, so Thune. »Meiner Ansicht nach ist es aber sehr wichtig, dass die Ukraine Russland zurückschlägt, die Aggression beendet und als souveräner Staat agiert, und ich denke, dass die Mehrheit der Menschen im Land das genauso sieht«, gab Thune zu bedenken. Senator Marco Rubio aus Florida äußerte sich ebenfalls kritisch über DeSantis Aussagen: »Wir haben unter Gesichtspunkten der nationalen Sicherheit ein Interesse daran, was in der Ukraine geschieht. Es handelt sich dabei nicht um unser wichtigstes Sicherheitsinteresse, aber es ist dennoch bedeutend.«

Scharfe Kritik an den Aussagen von DeSantis kam aus dem Lager der Demokraten. Vizepräsidentin Harris äußerte Zweifel an DeSantis’ Kompetenz. »Wer wirklich etwas von diesen Dingen versteht, würde so etwas nicht sagen«, so Harris bei einem Fernsehauftritt in der »Late Show with Stephen Colbert«. Im Senat ging der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer DeSantis scharf an. »Ich frage mich, was er gedacht hätte, wenn er in den 1930ern am Leben gewesen wäre«, so Schumer. »Wir wissen, was damals passiert ist, als sich viele weigerten, gegen Aggressionen aufzustehen. Es kam zu einem Weltkrieg«, so der Senator aus New York.

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