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Lina E. soll acht Jahre hinter Gitter
Bundesanwaltschaft stuft Angeklagte im Dresdner Prozess als kriminelle Vereinigung ein
Seit zwei Jahren und fünf Monaten sitzt Lina E. in Haft. Die 28-jährige Studentin war Anfang November 2020 per Hubschrauber und begleitet von schwer bewaffneten Polizeibeamten bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe vorgeführt worden und ist inzwischen in Chemnitz in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht, von wo sie unter hohen Sicherheitsvorkehrungen regelmäßig zu einem seit September 2021 laufenden Prozess nach Dresden gebracht wird. Geht es nach der dortigen Anklage, bleibt sie bis Ende 2028 in Haft. Bundesanwältin Alexandra Geilhorn plädierte dafür, sie zu acht Jahren Freiheitsentzug zu verurteilen. Drei Mitangeklagte sollen zwischen zweidreiviertel und dreidreiviertel Jahren hinter Gitter. Zudem sollen die Angeklagten die Kosten des seit 93 Verhandlungstagen laufenden Mammutprozesses tragen.
Ihnen wird zur Last gelegt, zwischen August 2018 und Sommer 2020 eine Reihe teils brutaler Überfälle auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextreme verübt zu haben. Darunter waren der Inhaber und Gäste der Nazikneipe »Bull’s Eye« in Eisenach, Teilnehmer des Nazi-Aufzugs zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens, ein Leipziger NPD-Politiker, aber auch ein Bauarbeiter, der wegen einer Mütze mit Szenelogo wohl zufällig ins Visier geriet. Er erlitt mehrfache Brüche im Gesicht, eine Tat »in der Nähe eines versuchten Tötungsdelikts«, so die Anklage. Die Spanne der Vorwürfe reicht von versuchter und tatsächlicher schwerer Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch bis zu Raub und Urkundenfälschung, weil Lina E. in einem Leipziger Baumarkt zwei Hämmer als Tatwerkzeuge zu stehlen versuchte und bei der Rückfahrt von einem der beiden Eisenacher Überfälle zusammen mit einem Begleiter mit gestohlenen Autokennzeichen erwischt wurde.
Über allem aber steht der Vorwurf, die Angeklagten hätten als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuches agiert und Lina E. sei deren Rädelsführerin gewesen. Diesen bereits in der Anklageschrift behaupteten Vorwurf sieht Geilhorn nach den 93 Verhandlungstagen in vollem Umfang bestätigt. Sie sprach von einem Zusammenschluss, der von einer »von allen geteilten militanten antifaschistischen Ideologie getragen« gewesen sei. Nicht zuletzt durch Aussagen des Szeneaussteigers Johannes D., der im Prozess umfänglich als Kronzeuge gegen seine früheren Gefährten ausgesagt hatte, sei deutlich geworden, dass diese ein »internes Selbstverständnis« mit den Zielen der Aktionen geeint habe und »allgemein akzeptierte Kriterien der Auswahl von Opfern« bestanden. Geilhorn verwies auch auf D.s Berichte über regelmäßige Trainingseinheiten für Überfälle.
In Lina E. sieht die Anklagebehörde die Anführerin der Gruppe, auch wenn diese bei etlichen Aktionen nur im Hintergrund agiert hatte oder, wie beim Überfall auf die Demonstrationsteilnehmer am Wurzener Bahnhof, nicht persönlich anwesend war, sondern diese zuvor in einer Regionalbahn ausgespähte. Dennoch habe E. einen »bestimmenden und prägenden« Einfluss ausgeübt und gemeinsam mit ihrem Verlobten Johann G. Opfer ausgewählt, Mittäter rekrutiert und als »Überblicksperson« agiert. Mildernde Umstände sieht die Anklage kaum. Neben dem Umstand, dass E. nicht vorbestraft ist, wurde etwa auf Presseberichte verwiesen, die »über die reine Faktendarstellung hinausgingen«. Generell war die Rede von einem »Regelbeispiel« für den im Paragraf 129 formulierten Tatbestand der »Rädelsführerschaft«.
Damit begründet die Anklage die deutlich höhere Strafforderung gegen Lina E. und auch den Umstand, dass die Untersuchungshaft nicht aufgehoben wird. Sie sprach von anhaltend hoher Fluchtgefahr und verwies zum einen darauf, dass Johann G. seit zwei Jahren untergetaucht ist. Die Beziehung mit ihm sei »in der Legalität nicht zu leben«, sagte Geilhorn. Zudem gebe es ein »breites Unterstützerumfeld«, das die Taten gutheiße. Die Bundesanwältin verwies auf Aufrufe aus der militanten linken Szene, die im Internet kursieren und in denen gefordert wird, für jedes verhängte Jahr Haft einen Sachschaden von einer Million Euro anzurichten.
Im Verlauf ihres insgesamt neunstündigen Plädoyers hatte die Bundesanwältin scharf kritisiert, dass die Angeklagten entsprechend ihres Weltbilds das Recht in die eigenen Hände genommen hätten. »Es gibt keine gute politische Gewalt«, sagte sie. Mit derlei Handeln werde die Radikalisierung der politischen Lager vorangetrieben. Das Gericht sei »berufen, dieser Gefahr einer solchen radikalisierten Spirale entgegenzuwirken«.
Der Prozess wird fortgesetzt mit den Plädoyers der Verteidiger, die für den 19. und 20. April avisiert sind. Diese dürften wie bereits zum Auftakt des Prozesses vor anderthalb Jahren vor allem versuchen, den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu erschüttern. Das Urteil wird im Mai erwartet.
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