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Feinstaub erhöht das Lungenkrebsrisiko
Entzündungsreaktionen im Zusammenspiel mit Mutationen begünstigen das Wachstum von Tumoren
Zu Jahresbeginn verbreitete das Umweltbundesamt (UBA) die Erfolgsmeldung, dass in Deutschland im vergangenen Jahr zum fünften Mal in Folge die Grenzwerte für Feinstaub in der Luft eingehalten wurden. Allerdings räumte UBA-Präsident Dirk Messner ein: »Trotz der erzielten Fortschritte muss jedoch berücksichtigt werden, dass die geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid vor mehr als 20 Jahren festgelegt wurden und nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung entsprechen.« Für ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von unter 2,5 Mikrometer (PM2,5) gilt in der EU ein Grenzwert von 25 µg/m³. Die EU plant, den Grenzwert auf 10 µg/m³ bis zum Jahr 2030 zu senken. Gemessen an den Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wäre aber auch das noch zu hoch, denn diese hat die kritische Schwelle erst 2021 von 10 µg/m³ auf 5 µg/m³ herabgesetzt. »Es wurde kein sicherer Grenzwert für PM 2,5 identifiziert, unterhalb dessen keine Gesundheitsschäden zu beobachten sind«, heißt es in einer im März im Fachjournal »The Lancet« veröffentlichten Studie unter dem Leitautor Yuming Guo, die sich mit der weltweiten Feinstaubbelastung der Jahre 2000 bis 2019 beschäftigt. Den Erhebungen zufolge werden die Werte der WHO fast überall auf dem Planeten zumindest zeitweise überschritten. Schätzungsweise 6,67 Millionen Menschen verstarben im Jahr 2019 vorzeitig aufgrund von Luftverschmutzung.
Schon drei Jahre sind schädlich
Feinstaubbelastung wird mit einer ganzen Reihe von Erkrankungen in Zusammenhang gebracht, etwa Asthma, Herz-Kreislauferkrankungen, Lungenkrebs und selbst Demenz. Die ultrafeinen Partikel sind besonders schädlich für die Atemwege, weil sie bis in die Lungenbläschen vordringen können. Ein Forschungsteam um den Wissenschaftler Charles Swanton vom Londoner Francis Crick Institute hat sich näher mit dem Mechanismus beschäftigt, wie Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 µm das Lungenkrebsrisiko erhöhen. Laut der kürzlich im Fachjournal »Nature« veröffentlichten Studie kommt es dabei zu einem Zusammenspiel von genetischen Mutationen und der Feinstaubbelastung als Auslöser für das Tumorwachstum. Untersucht wurde die Entstehung von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs mit Mutationen des EGF-Rezeptors (EGFR). Dies ist eine häufige Lungenkrebsart unter Menschen, die nie geraucht haben. Analysiert wurden dafür die Daten von mehr als 32 000 Personen aus England, Südkorea, Taiwan und Kanada, die eine solche Mutation aufwiesen. In jedem der Länder konnte ein Zusammenhang zwischen der Höhe der PM-2,5-Belastung und der geschätzten Inzidenz von EGFR-bedingtem Lungenkrebs beobachtet werden. Pro zusätzlichem µg/m³ von PM 2,5 stieg die Inzidenz um 0,63 pro 100 000 Personen in England, um 0,71 in Südkorea und um 1,82 in Taiwan.
»Insgesamt deuten diese Daten in Verbindung mit der veröffentlichten Evidenz darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen der geschätzten Inzidenz von EGFR-bedingtem Lungenkrebs und der PM-2,5-Exposition gibt und dass drei Jahre Exposition mit Luftverschmutzung ausreichen könnten, um diesen Zusammenhang zu manifestieren«, heißt es in der Studie.
Entzündungsprozesse durch Feinstaub
Der Mechanismus, wie Feinstaub den Krebs befördert, konnte im Mausmodell nachvollzogen werden. Demnach lösten die Partikel selbst zwar keine Mutationen aus, führten aber zu Entzündungen, die die Tumorentstehung durch die bestehenden Mutationen begünstigten.
Umgekehrt konnte die Feinstaubbelastung ohne Mutationen des EGFR oder des KRAS-Proteins (eine weitere häufige Ursache für nicht-kleinzellige Lungentumore) keinen Krebs auslösen. Ein Grund zur Beruhigung ist dies jedoch kaum, denn derartige Mutationen nehmen mit dem Alter zu. Die Forschenden fanden sowohl im Mausmodell als auch in einer klinischen Studie heraus, dass der Botenstoff Interleukin-1β an der Entzündungsreaktion in der Lunge beteiligt ist und dass, wenn dieser mit Medikamenten blockiert wird, die Lungenkrebsinzidenz sinkt. »Andererseits bestehen neben Interleukin-1β-abhängigen Effekten möglicherweise auch weitere Mechanismen der Feinstaub-bedingten Lungenkrebspromotion, sodass eine Interleukin-1β-Blockade alleine vermutlich weniger effektiv wäre als die Einführung strengerer Richtwertgrenzen für Feinstaub. Aktuell ist eine strengere Regulation der Feinstaub-Belastung die wichtigste praktische Konsequenz aus den Ergebnissen dieser bahnbrechenden Arbeit«, gibt Petros Christopoulus, Facharzt am Universitätsklinikum Heidelberg gegenüber dem Science Media Center zu bedenken.
Insbesondere in Regionen mit einer starken Luftverschmutzung könnte damit viel erreicht werden. Denn der Studie von Yuming Guo und Kolleg*innen zufolge wurde der Grenzwert der WHO für die PM 2,5-Konzentration weltweit an 70 Prozent aller Tage überschritten. Nur 0,001 Prozent der Weltbevölkerung war das ganze Jahr über Konzentrationen unterhalb des Grenzwerts ausgesetzt. In verschiedenen Ländern Süd- und Ostasiens sowie Afrikas liegt die Belastung sogar fast das ganze Jahr über weit oberhalb von 15 µg/m³.
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