Öcalan: 25 Jahre Haft – 25 Monate kein Kontakt

Tausende Kurd*innen fordern Freiheit für Abdullah Öcalan

Tausende fordern Öcalans Freiheit.
Tausende fordern Öcalans Freiheit.

In Deutschland gilt Abdullah Öcalan als Terrorführer. Viele Kurd*innen sehen das ganz anders, für sie ist Öcalan ihr politischer Repräsentant. Sie sind sich sicher, einen Frieden im seit Jahrzehnten andauernden Konflikt mit der Türkei kann es nur mit dem Mitbegründer der auch in Deutschland verbotenen PKK geben.

Öcalan sitzt seit 1999 in Haft. Auf der Gefängnisinsel Imrali, wo er lange der einzige Gefangene war. Allein Öcalans Inhaftierung macht eine Friedenslösung schwierig, sagen seine Unterstützer*innen, noch schwerer wiegt derzeit aber die Sorge um ihn. Schon seit Frühjahr 2021 und damit seit 25 Monaten gibt es keinen Kontakt der Außenwelt zu Öcalan. Damals konnte er mit seinem Bruder telefonieren. Seitdem hat die türkische Regierung jede Kommunikation unterbunden. Politische Unterstützer*innen können Öcalan genau so wenig kontaktieren wie seine Anwält*innen.

Diese Situation treibt viele Kurd*innen um, sie wollen etwas tun, sich für Öcalan einsetzen. An diesem Samstag demonstrierten in Düsseldorf tausende Kurd*innen, die Polizei spricht von 3000, für Öcalans Freiheit. Die Demonstrant*innen waren mit Bussen aus dem ganzen Bundesgebiet, den Niederlanden, Belgien und Frankreich nach Düsseldorf angereist. Mit hunderten weißen Fahnen, auf denen ein Porträt Öcalans und der Slogan »Freedom for Abdullah Öcalan« zu sehen war, machten sie auf ihre Forderung aufmerksam.

Die nordrhein-westfälische Polizei begleitete den Protestzug mit mehreren Hundertschaften, postierte sich in fast jeder Seitenstraße. Erst vor wenigen Tagen hatte sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts mit Blick auf die am 14. Mai anstehenden Präsidentschaft- und Parlamentswahlen in der Türkei besorgt gezeigt. Diese könnten auch in Nordrhein-Westfalen zu Auseinandersetzungen führen. Provokationen von Anhängern der Erdogan-Partei AKP oder den faschistischen Grauen Wölfen blieben an diesem Samstag aus. Die Demonstration zog ohne Zwischenfälle durch Düsseldorf.

Eine, die mitdemonstriert, ist Bahar. Sie kommt aus Niedersachsen, mehr möchte sie nicht sagen. Warum ist sie frühmorgens in einen Bus gestiegen, um einmal durch Düsseldorf zu laufen? »Frieden in Kurdistan kann es nur mit Öcalan geben«, ist ihre direkte Antwort. Der PKK-Mitbegründer habe mit seinem Konzept des »Demokratischen Föderalismus« eine Idee entwickelt, das perfekt sei, um die komplette Region zu befrieden. In der Türkei dürfe es jetzt nur Türk*innen geben, andere Zugehörigkeiten, nicht nur die kurdische, würden unterdrückt. Das sorge für Konflikte. Im Irak und dem Iran gäbe es ähnliche Probleme. Öcalan hingegen setze auf Demokratie und Kooperation. Das sei der Weg zum Frieden, ist sich die junge Frau sicher.

In einem Flugblatt, das bei der Demonstration verteilt wird, wird Öcalans Rolle im Kontext feministischer Kämpfe hervorgehoben. Tausende gehen derzeit im Iran auf die Straße, protestieren gegen das islamistische Regime. Ein Grund für den Protest: die brutale Unterdrückung der Frauen. Die bestimmende Parole der Protestbewegung ist »Jin Jiyan Azadi« (Frauen, Leben, Freiheit). Das Flugblatt reklamiert den Ursprung des Slogans für Abdullah Öcalan. Er habe sich seit den späten 1980er Jahren für »die Befreiung der Frau« eingesetzt. Für Öcalan sei klar, dass die Überwindung des Patriarchats ein zentraler Bestandteil für die Entstehung wirklich demokratischer Gesellschaften sei.

Öcalans politische Ideen, seine Haftbedingungen und die Untätigkeit europäischer Institutionen werden bei der Demonstration auch immer wieder in Lautsprecherdurchsagen thematisiert. Das Interesse der Düsseldorfer*innen ist mäßig. Einzig von einem Infostand gegen den 2027 in der Landeshauptstadt geplanten Evangelischen Kirchentag werden den Demonstrant*innen Daumen entgegengestreckt.

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