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Kochen: Lecker, lecker – globaler Genuss
Botschafter mit Geschmack, vorgestellt von Peter Maria Slama
Wer dem Irrglauben anhängt, Diplomaten ernähren sich ausschließlich von Kaviar, Krabbensalat und Wachteleiern, wird mit diesem köstlichen Buch eines Besseren belehrt. Partysnacks und Fingerfood machen eh kaum satt. Der Journalist Peter Maria Slama, Jg. 1948, hat in den letzten zwei Jahrzehnten Botschafter und Botschafterinnen in Berlin interviewt und sich von ihnen als Gastgeschenk ein landestypisches Koch- oder Backrezept geben lassen – das oft mehr über Kultur, Geschichte und Charakteristik eines Landes erzählt als ein langer Sachbeitrag, wie es im Vorwort heißt.
Das darf man natürlich nicht ganz so eng auffassen, ansonsten könnte man meinen, Kubanern genügten Cuba Libre und Mojito, deren Zubereitung hier Raúl Becerra Egaña verrät, der inzwischen im Ruhestand ist, sich seinen Enkeln widmet und jenen garantiert nicht hochprozentige Getränke einflößt. Interessanterweise ist der dem Geheimnis seiner Zaubersäfte vorangestellte Text einer der ausführlichsten Beschreibungen, die vor jedem Botschafterrezept über das von jenen vertretene Land historisch, geografisch und kulturell vorstellt. Im Länderporträt zu Kuba, das über die Klischees von Zigarren-Rauchern, Ami-Schlitten und baufälligen Kolonialbauten hinaus an die heroische Revolution und die nicht minder heroische Behauptung gegen die US-Invasion in der Schweinebucht und US-Blockadepolitik erinnert, liest man unter anderem: »Trotz eines halben Jahrhunderts mit Lebensmittelkarten ist dort ein Glas offenbar stets halb voll – nie halb leer.« Wie passend zum flüssigen Rezept des kubanischen Botschafters!
Vertreten sind in diesem ganz besonderen Kochbuch alle Kontinente, außer freilich die Arktis und Antarktis. Pinguine haben es noch nicht geschafft, akkreditiert zu werden, auch wenn die Ähnlichkeit von Diplomaten in ihren Smokings auf Empfängen dies suggerieren mag. Es ist ein durchaus politisch-engagiertes Kochbuch. Man erfährt, dass Phumelele Stone Sizani, der aus seiner Heimat Südafrika ein Cape MaLay Curry mit Rindfleisch, Aprikosen und Auberginen präsentiert, 1978 bis 1980 auf der berüchtigten Gefängnisinsel Robben Island inhaftiert war, wo auch Nelson Mandela 28 Jahre lang festgehalten worden ist. Auf die Frage des württembergischen Journalisten Slama, mit wem er für einen Tag mal seinen Beruf tauschen würde, antwortet dieser: »Mit einem Busfahrer, der sich mit all den unterschiedlichen Menschen, die er mitnimmt, unterhalten kann.« Tatsächlich dürften solche Gespräche ehrlicher und tief blickender sein als so viele der vielfach oberflächlichen Small Talks auf diplomatischem Parkett.
Erfreulicherweise sind in diesem Buch Frauen recht zahlreich vertreten, gleichwohl sie im diplomatischen Geschäft nach wie vor unterrepräsentiert sind. Ein Armutszeugnis für »feministische Außenpolitik«, wie sie von westlichen Staaten jetzt mantraartig verkündet wird, die allerdings selbst in der Bestallung von Diplomatinnen dem globalen Süden seit Jahrzehnten hinterherhecheln. Vor allem im kolonial befreiten Asien gab es wesentlich früher Botschafterinnen als etwa in der Bundesrepublik, deren erste in diesem Range Ellinor von Puttkammer 1969 war. Die Mutter der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi war ab 1960 Botschafterin in Indien, ins Nachbarland gesandt vom Premier General Ne Win, der einen »Burmanischen Weg zum Sozialismus« anstrebte. Indien und das heutige Myanmar sind in diesem Band nicht vertreten, obwohl diese Länder mit diversen Currys und Wan-tan viel zu bieten hätten. Zufall oder aus politischen Gründen: die »größte Demokratie der Welt« wird gegenwärtig rechtspopulistisch regiert, der andere Staat ist eine Militärdiktatur.
Maria Luiza Ribeiro Viotti, die sich in der brasilianischen Männerwelt durchsetzen musste und nach drei Jahren als Chefdiplomatin an der Spree 2016 dem
Ruf von Uno-Generalsekretär António Guterres an den Hudson River in New York folgte und dessen Kabinettschefin wurde, offeriert Pão de Queijo, Käsebällchen. Mmasekgoa Masire-Mwamba, in Berlin seit 2019 diplomatische Frontfrau von Botswana, jenem Land, das als eines der demokratischsten unter den Staaten Afrikas mit dem höchsten Index der menschlichen Entwicklung sowie niedrigster Korruptionsanfälligkeit gilt und in dem das Frauenwahlrecht in der Verfassung garantiert ist, bietet einen Rote-Beete-Salat. Akua Sena Dansua aus Ghana, von Beruf Journalistin, 1991 mit dem Dag-Hammarskøld-Journalismus-Preis geehrt, war Ministerin für Tourismus, bevor sie Botschafterin in der deutschen Hauptstadt wurde; sie empfiehlt Teigklöße und Okraschoten-Eintopf.
Zu Wort kommen Frauen aus Südkorea und Malaysia, aus Lettland, Liechtenstein, Monaco und Serbien. Erste diplomatische Vertreterin Palästinas in Berlin, Kouloud Daibes, promovierte Architektin und vormalige Ministerin für Frauen, Tourismus und Altertümer, ist aus politischen Gründen nicht der offizielle Botschafterrang in Berlin gegönnt, auch nicht das CD-Schild (Corps Diplomatique) an ihrem Dienstauto, ein »Schicksal«, das sie mit ihrem taiwanesischen Kollegen teilt. »Sie selbst sieht das gelassen, mit diplomatisch-gesundem Menschenverstand«, merkt Slama an. Der Favorit von Kouloud Daibes ist ein Reisgericht, das mit Hühnerbrustfilet, aber auch mit Lamm und Kalb zubereitet werden kann.
Ein wunderschönes Buch, das Appetit macht. Mit Genuss verschlingt man die Fotos der dargebotenen Gerichte und vermeint, die vielfältigen exotischen Gewürze zu erschnuppern. Rezepte aus Europa, vom hohen Norden, von Finnland bis in den Süden, Georgien und Usbekistan mit Fladen, Pelmeni und Plow (kennt jedes ehemalige Mitglied der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, DSF) fehlen nicht. Russland ist nicht mit von der Partie.
Peter Maria Slama: Botschafter mit Geschmack. Diplomatische Koch- und Backrezepte. Buchverlag für die Frau, 160 S., geb., 22 €.
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