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- Corona-Pandemie in den USA
Nicht endende Syndemie
Die verheerende Corona-Bilanz der USA hat vor allem sozio-ökonomische Gründe
Wenn an diesem Freitag in den USA der Covid-19-Gesundheitsnotstand samt den letzten Maßnahmen offiziell beendet wird, bietet dies keinen Anlass für Feierlichkeiten. Zwar ist es nicht falsch, wenn das Gesundheitsministerium mitteilt: »Dank des gesamtstaatlichen Ansatzes der Regierung zur Bekämpfung des Virus sind wir heute in einer besseren Position als vor drei Jahren.« Aber rückblickend muss man die Pandemie-Bilanz in den USA als verheerend bezeichnen.
Das Land führt mit über 1,1 Millionen Todesfällen die weltweite Statistik bei den offiziellen registrierten Covid-19-Opfern an. Auch wenn Indien aufgrund einer hohen Dunkelziffer vorne liegen dürfte und China in der riesigen Omikron-Welle keine verlässlichen Zahlen mehr lieferte – die USA gehören zu den Staaten mit der höchsten Todesrate. Und laut einer aktualisierten Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation liegt man in Sachen Übersterblichkeit in den Jahren 2020 und 2021 hinter Indien, Russland und Indonesien auf Rang vier. Bezogen auf die Bevölkerungsgröße, ist man zumindest unter den reichen Industriestaaten Spitzenreiter.
Das ist erstaunlich, bedenkt man, dass wohl kein Land über mehr wissenschaftliche Expertise verfügt als die USA. Dortige Universitäten und Forscher sind mit führend bei relevanten Studien rund um Corona. Und dank staatlicher Förderung war das US-Biotechunternehmen Moderna in Rekordzeit mit einem wirksamen Covid-Impfstoff am Start. Ohnehin ist Washington in Krisenzeiten bereit und auch in der Lage, gewaltige Summen zu mobilisieren. Und schließlich haben die USA weltweit die höchsten Gesundheitsausgaben und mit der CDC eine der mächtigsten Gesundheitsbehörden.
Wie kann es sein, dass ein Land mit solchen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Pandemie-Bewältigung dermaßen heimgesucht wurde? »Die unmittelbare Reaktion auf Covid-19 war durch schlechte Führung gekennzeichnet«, schreibt die Medizinzeitschrift »Lancet« in einem aktuellen Kommentar und geißelt »die Verachtung der Trump-Administration für evidenzbasierte Entscheidungsfindung«. Tatsächlich wurde Corona entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen lange verharmlost, Hilfspakete für Arme wurden blockiert und fast alle medizinischen Maßnahmen angezweifelt. Im Ergebnis verschärfte der Streit die tiefe Spaltung der US-Gesellschaft. Maske zu tragen oder nicht zu tragen, wurde zur politischen Botschaft.
Zu sagen, falsche Entscheidungen der rechten Regierung bis Anfang 2021 seien schuld gewesen, greift eben zu kurz. Die Ursachen für die miserable Corona-Bilanz reichen viel tiefer. Eine kürzlich veröffentlichte Analyse zu den großen Unterschieden zwischen den US-Bundesstaaten bei der Covid-19-Sterblichkeit ergab, dass es egal war, welcher Partei der jeweilige Gouverneur angehörte. Einen signifikanten Zusammenhang gibt es aber mit der Anzahl der Trump-Wähler, die Maßnahmen wie Maskentragen oder Impfungen ablehnten, aber auch mit einer schlechteren Gesundheitsversorgung, mehr Armut sowie einer höheren Quote von Schwarzen und Hispanoamerikanern. »Was aus unserer Studie klar hervorgeht, ist, dass Covid-19 lokale Ungleichheit infolge ethnischer Zugehörigkeit, Unterschiede in der Gesundheitsversorgung und parteipolitische Aspekte erzeugt und eine ›Syndemie‹ erzeugt hat«, erklärte Hauptautor Thomas Bollyky. Der Begriff beschreibt das Zusammenfallen von Krankheiten mit politischen und sozio-ökonomischen Verwerfungen.
Gesellschaftliche Polarisierung, verbreitetes Misstrauen in Regierung und Staat, Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse, gepaart mit extremen sozialen Unterschieden und einer vernachlässigten Gesundheitsversorgung von Armen bilden einen gefährlichen Mix, der sich natürlich mit der Entspannung bei Covid-19 nicht auflöst. Man denke nur an die Opioid-Krise und die vielen Erkrankungen, die schon immer bei Armen besonders verbreitet waren. US-Präsident Joe Biden sagte schon vor über einem halben Jahr: »Die Pandemie ist vorbei.« Die Syndemie ist es mit Sicherheit nicht.
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