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Museumsreifes Deputatsmodell

Lehrkräfte sind oft überarbeitet. Eine Studie skizziert einen Ausweg

Die Bemessung der Arbeit von Lehrkräften ist aus der Zeit gefallen. Der Großteil der Arbeit wird über Deputate erfasst, also vertraglich fixierte Pflichtstunden, die dem Unterricht vorbehalten sind. Je nach Bundesland, Schulstufe und Alter variiert dies zwischen 21 und 30 Unterrichtsstunden bei einer vollen Stelle. Es gibt ein paar Ermäßigungsstunden für ältere Lehrerinnen und Lehrer oder um Gremiumsarbeit an der Schule auszugleichen. Nicht vollständig abgedeckt in dem Modell sind die Vor- und Nachbereitungszeit oder Korrekturen, Weiterbildungen sowie die Organisation von Klassenfahrten. Diese Aufgaben müssen auch erledigt werden, dafür gibt es aber kein Zeitbudget.

Tatsächlich führt das Deputatsmodell zu unbezahlter Mehrarbeit – laut Studienlage sind das im Durchschnitt gut drei Stunden die Woche. Lehrkräfte arbeiten am Limit, das weiß auch Mark Rackles, der von 2011 bis 2019 Staatssekretär im Berliner Bildungssenat war und in einer Studie die Arbeitszeitsituation von Lehrkräften untersucht hat. Sein Fazit fällt eindeutig aus: »Das deutsche Pflichtstundenmodell ist ineffizient, ungerecht, unflexibel und fördert Mehrarbeit und Überlastung.«

Rackles bemängelt, dass durch eine fehlende Aufgabenabgrenzung Lehrkräfte auch Tätigkeiten übernehmen müssen, die andere Professionen erledigen könnten, anstatt sich stärker auf ihre eigentlichen Aufgaben, nämlich das Unterrichten, zu fokussieren. Ein Vergleich zwischen den OECD-Staaten macht ein Missverhältnis deutlich: Die Arbeitszeit deutscher Lehrkräfte ist in dem Ranking einerseits überdurchschnittlich hoch, während der Unterrichtsanteil bis zu 13 Prozent unterhalb des internationalen Durchschnitts liegt.

Zudem zeigt Rackles in der von der Telekom-Stiftung in Auftrag gegebenen Untersuchung auf, dass der tatsächliche Arbeitsaufwand je Unterrichtsstunde recht unterschiedlich sein kann und sowohl vom Fach als auch von der Schulstufe abhängt. Dieser Umstand werde im Deputatsmodell gar nicht erfasst. Es wird also nicht unterschieden, ob in einer Grundschule unterrichtet wird oder in einer Abiturklasse. Die Vor- und Nachbereitung der Stunden sowie Korrekturen weichen aber erheblich voneinander ab. Untersuchungen belegen, dass der Zeitaufwand um bis zu 25 Prozent variieren kann.

Wenn die Arbeitsbelastung ohnehin am Limit ist – Rackles weist darauf hin, dass nur etwa 15 Prozent der Lehrkräfte ihre Arbeitsbelastung für angemessen halten –, fällt es schwer, flexibel auf neue Aufgaben und Anforderungen im Schulalltag zu reagieren. Die Schulen geraten in einen Stillstand.

In seiner Studie plädiert Rackles dafür, die Arbeitszeit der Lehrkräfte vollständig zu erfassen und nicht nur die Unterrichtsstunden zu berechnen. Zudem solle die Arbeitszeit an die tatsächliche Arbeitslast der jeweiligen Fächer und Schulstufen angeglichen werden. Dafür schlägt er vier Tätigkeitscluster vor: Unterrichtszeit, unterrichtsnahe Tätigkeiten, allgemeine Aufgaben sowie Fort- und Weiterbildung. Die Schulleitungen sieht er als zentrale Akteure für die Arbeitsorganisation an, daher sollten sie gestärkt werden. Rackles ist sich sicher, dass ein modernes Arbeitszeitmodell die Attraktivität des Berufs erhöhen würde.

Das meint auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Rackles’ Analyse als »treffend« bezeichnete. Das von ihm skizzierte Modell zur Bemessung der Arbeitszeit sei interessant und müsse jetzt im Detail geprüft werden. »Wir brauchen neue Konzepte«, sagte Daniel Merbitz, GEW-Vorstandsmitglied Tarif- und Beamtenpolitik, »damit sich wieder mehr junge Menschen für den Lehrkräfteberuf entscheiden.« Rackles selbst empfiehlt Pilotversuche, an denen sich Schulleitungen, Lehrkräfte und Personalräte beteiligen sollten.

Allerdings weist die GEW darauf hin, dass sich ein verändertes Arbeitszeitmodell nur dann positiv auswirken könne, wenn der Arbeitgeber grundsätzlich bereit ist, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Wenn nicht lehrendes Personal an Schulen eingestellt wird, koste das Geld, das zusätzlich investiert werden müsse, erklärt Merbitz. »Es reicht nicht, die Verantwortung für die Arbeitszeit der Lehrkräfte an die Einzelschule zu delegieren, ohne zusätzliche Ressourcen ins System Schule zu geben. So wird der Schwarze Peter nur nach unten verschoben«, betont der GEW-Tarifexperte. Genau an dieser Frage seien in den 90er und frühen 2000er Jahren Modellversuche mit alternativen Arbeitszeitmodellen gescheitert.

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