Keine Politik mit Ratingen

CDU-Politiker fällt mit Seitenhieb gegen wissenschaftliche Polizeikritik auf

Er habe »kein gutes Gefühl«, hier »politisch zu diskutieren«, wer welche Fehler gemacht habe, während noch Menschen »um ihr Leben ringen«, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul gleich zu Beginn der Sondersitzung des Innenausschusses zu der Attacke in Ratingen am 11. Mai. Deshalb beschränkte sich der Innenminister auch erst mal auf das, was ihm aus Berichten bekannt ist.

Ein ganz gewöhnlicher Einsatzanlass sorgte für die Tat von Ratingen. Der Hausmeister des Hochhauses, in dem die Tat geschah, schickte ein Fax an die Polizei. Bei einer Mieterin sei der Briefkasten übervoll, sie sei seit Wochen nicht gesehen worden. Sorge um eine hilflose Person. Die Polizei schickte einen Streifenwagen, dieser bekam die Information, dass die Mieterin nicht alleine lebt, es gibt noch einen Sohn, der 57 Jahre alt ist und bei dem ein Haftbefehl wegen einer nicht bezahlten Strafe vorliegt. Ende März hatte die Polizei schon einmal geklingelt, es ging um den Haftbefehl. Ihr wurde nicht geöffnet.

Diesmal stehen Polizei und Feuerwehr an der Wohnungstür und versuchen sich Zugang zu verschaffen. Hinter der Tür sind Wasserkisten aufgetürmt, als die Einsatzkräfte die Wohnung betreten, werden sie mit Benzin überschüttet und dann, wie Reul sagt, »auf bisher unaufgeklärte Weise« angezündet. Die Einsatzkräfte fliehen aus dem Haus. Insgesamt werden bei dem Einsatz 35 Menschen verletzt, die meisten leicht durch Rauchgase. Die Einsatzkräfte, die den ersten Kontakt mit dem Beschuldigten hatten, allerdings schwer. Drei befinden sich noch immer in einem lebensgefährlichen Zustand.

Nach der Attacke wird Verstärkung gerufen, über 400 Polizist*innen rücken aus. Unter ihnen Spezialeinheiten. Diese sind es auch, die am frühen Nachmittag in die Wohnung vorrücken und den Angreifer festnehmen.

Der wird leicht verletzt und schweigt gegenüber den Ermittler*innen. Deshalb bleibt seine Motivlage unklar. Reul berichtet, in der Wohung hätten »Faltblätter« aus der Coronaleugner-Szene gelegen. Außerdem habe er größere Mengen an haltbaren Lebensmitteln in der Wohnung gehabt. Über eine Zugehörigkeit zur Prepper- oder Coronaleugner-Szene gäbe es allerdings weder bei der Polizei noch beim Verfassungsschutz Informationen.

In der folgenden Runde der Abgeordneten zeigen diese sich dankbar über die Information und äußern ihre Anteilnahme mit den Opfern und Angehörigen. Ein SPD-Abgeordneter regt an, dass man deren Unterstützung auf Landesebene begleiten solle. Ein Innenpolitiker der FDP fordert ein Zusammenrücken aller demokratischen Fraktionen, um mehr Schutzmaßnahmen für Einsatzkräfte auf den Weg zu bringen.

Auffällig nur der Ex-Polizist Christos Katzidis. Der Christdemokrat wollte wissen, ob Ereignisse, bei denen »Hass und Hetze gegen die Polizei« verbreitet würden, zu solchen Stimmungen beitragen. Dann schob er noch nach: »Da wäre auch mal eine Studie gut.« Ein klarer Seitenhieb in Richtung der Polizeistudie der Universität Frankfurt, die Polizeigewalt und Rassismus deutlich problematisierte. Katzidis versuchte wissenschaftliche Polizeikritik mit einer gewaltsamen Attacke zu vermengen. Ein »ungutes Gefühl« über den Redebeitrag stellte sich offenbar bei niemandem im Sitzungsaal ein. Eine Entgegnung blieb aus.

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