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EU-Außenbeauftragter Borrell macht Havanna seine Aufwartung
Spitzendiplomat kommt zu Vertiefung der Beziehungen nach Kuba
Die Palette der Gesprächspartner ist breit: Treffen mit kubanischen Regierungsvertretern, der EU-Wirtschaftsgemeinschaft auf der Insel, kubanischen Privatunternehmern und anderen Vertretern der kubanischen Gesellschaft. Der EU-Außenbeaufragte Josep Borrell hat bei seinem dreitägigen Besuch, der am Donnerstag beginnt, ein dichtes Programm. Die Visite dient zum einen der Vorbereitung des Gipfeltreffens zwischen der Europäischen Union (EU) und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) Mitte Juli in Brüssel. Kuba habe eine wichtige Stimme unter den Entwicklungsländern, so EU-Außenamtssprecher Peter Stano, zumal Havanna Ende September erstmals den Vorsitz der Gruppe der 77 plus China (G77) übernommen hat. Die G77 ist ein loser Zusammenschluss von vor allem Schwellen- und Entwicklungsländern innerhalb der Vereinten Nationen (UN) zur Verteidigung gemeinsamer Interessen. Zum anderen bietet die Visite Gelegenheit, eine Bilanz der bilateralen Beziehungen zu ziehen. Am Freitag tagt der dritte Gemeinsame Rat Kuba-EU.
Die EU pflege ein »kritisches, aber konstruktives Engagement« im Verhältnis zu Kuba, mit einem »offenen und freimütigen« Austausch über Themen, bei denen es gemeinsame Interessen gibt, wie nachhaltige Entwicklung und dem Kampf gegen den Klimawandel, betont Stano. Gleichzeitig gebe es in anderen wichtigen Fragen »unterschiedliche Auffassungen«, etwa bei den Menschenrechten und Grundfreiheiten sowie beim Krieg Russlands gegen die Ukraine. Zuletzt haben Moskau und Havanna ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen vertieft. Das kann Brüssel nicht gefallen. Die EU aber bleibt Kubas wichtigster Handelspartner, weit vor den traditionellen strategischen Verbündeten China und Russland.
Die EU ist zudem der wichtigste Geber öffentlicher Entwicklungshilfe für Kuba. Seit den 1990er Jahren stellte sie insgesamt etwa 100 Millionen Euro bereit. Derzeit unterstützt die EU verschiedene Umweltprojekte auf der Insel, fördert die nachhaltige Entwicklung, stellt Nothilfe für die Betroffenen des Wirbelsturms Ian vom vergangenen September zur Verfügung oder finanziert gemeinsam mit Frankreich Kubas Gesundheitsforschung.
Grundlage ist das 2016 geschlossene bilaterale Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit, das zum 1. November 2017 in Kraft trat. Die Vereinbarung löste den sogenannten Gemeinsamen Standpunkt ab, der die Politik der EU gegenüber der Karibikinsel 20 Jahre lang geprägt hatte. Eine Normalisierung der Beziehungen wurde demnach von Fortschritten Kubas bei Demokratie und Menschenrechten abhängig gemacht. Im Zuge der Annäherungspolitik des damaligen US-Präsidenten Barack Obama revidierte die EU ihre Position.
Seit Unterzeichnung des Abkommens führen die EU und Kuba einen regelmäßigen politischen Dialog auf mehreren Ebenen. Beide Seiten treffen sich häufig im institutionellen Rahmen von drei sektoralen Foren: Landwirtschaft, Klimawandel und Energie sowie zu fünf im Rahmen des Abkommens festgelegten Themen: Kleinwaffen, Abrüstung, nachhaltige Entwicklung, Menschenrechte und einseitige Maßnahmen. Die bilateralen Beziehungen zwischen Kuba und der Europäischen Union seien wie die eines alten Ehepaars, schrieb die Politikwissenschaftlerin Susanne Gratius von der Autonomen Universität Madrid (UAM) kürzlich. »Man kennt sich gut und lebt seit langem zusammen, verfällt aber immer wieder in dieselben alten Routinen und gegenseitige Vernachlässigung.«
Allerdings haben Akteure wie das Europäische Parlament, Menschenrechtsorganisationen und einige ost- und nordeuropäische Länder – vor allem seit den landesweiten Protesten in Kuba im Sommer 2021 – eine kritischere Haltung gegenüber Havanna eingenommen und fordern die Aussetzung des bilateralen Kooperationsabkommens. Kuba wiederum durchlebt eine der schwierigsten Phasen seiner Geschichte. Die Verschärfung der US-Blockadegesetzgebung, der Einbruch des Tourismus infolge der Covid-19-Pandemie und die niedrige Produktivität haben das Land in eine tiefe Wirtschafts- und Versorgungskrise gestürzt.
»Trotz aller Widrigkeiten haben Kuba und die EU ihre Beziehungen vertieft und ausgebaut«, so Gratius. In der EU herrsche trotz Gegenwinds derzeit eine Politik des konstruktiven Engagements gegenüber der kubanischen Regierung vor. Das entspreche der Linie der Europäischen Kommission, des Außenbeauftragten Borrell und der meisten Mitgliedsstaaten, darunter Spanien, Frankreich und Deutschland.
Die EU scheint für Kuba im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten »ein zuverlässigerer und beständigerer Partner« zu sein, wenn auch nicht unbedingt ein attraktiverer, befindet Gratius. Richtung Washington empfiehlt sie: »Wenn die Vereinigten Staaten Einfluss auf die Veränderungen auf der Insel nehmen wollen, sollten sie eine intelligentere Politik des konstruktiven Engagements verfolgen und dem Beispiel der EU folgen, die eine starke Position und eine große Präsenz im Lande hat.«
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