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Schulen in Berlin: Kampfansage an die Mangelwirtschaft
Breites Bündnis von Lehrkräften, Erziehern, Eltern- und Schülervertretungen fordert Milliarden für eine Bildungswende
Schon jetzt knirscht es an allen Ecken des Bildungssystems – und die Aussichten verdüstern sich weiter. Allein in Berlin können im kommenden Schuljahr 1500 Lehrkräftestellen nicht besetzt werden, bis 2030 fehlt Nachwuchs in fünfstelliger Größenordnung. Nicht besser sieht die Situation in den Kitas aus, wo sich der Mangel an Erziehern weiter verschärft. Was also tun?
Unter anderem auf Initiative der Berliner Bildungskampagne »Schule muss anders« haben sich nun zahlreiche Akteure aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengetan. Ihr dann auch bundesweiter Appell: »Bildungswende jetzt!« Insgesamt 90 Organisationen – Gewerkschaften, Initiativen, Schüler- und Elternvertretungen – haben den Gründungsaufruf bereits unterschrieben. Am Donnerstag, dem Internationalen Kindertag, fand die erste Presskonferenz des neuen Bündnisses statt.
»Irgendwann habe ich mich gefragt: Was mache ich eigentlich? Mache ich Bildungsarbeit oder verwalte ich Missstände?«, berichtet Philipp Dehne über seine Zeit als Lehrer an einer Neuköllner Schule. Den Job hat er an den Nagel gehängt. Heute ist er bei »Schule muss anders«, auf deren Strukturen das neue Bildungswende-Bündnis aufbaut. »Wir befinden uns in einer tiefen Bildungskrise, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr hatten«, sagt Dehne. Schon jetzt sei der Bildungserfolg in Deutschland mehr als in vielen anderen Industriestaaten an die soziale Herkunft gekoppelt. »Und auf dieses System kommt jetzt ein verschärfter Personalmangel zu.«
Mindestens zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollten in die Bildung fließen, fordert das Bündnis. Eigentlich hat sich Deutschland bereits auf dieses Ziel verpflichtet, doch bisher wurden nur magere 4,6 Prozent erreicht, wie GEW-Bundeschefin Maike Finnern referiert. »Die Schulen stehen kurz vor dem Kollaps«, sagt sie. Als ersten Schritt fordert das Bündnis nun ein 100-Milliarden-Sondervermögen für Bildung. Das wichtigste Vorhaben, das so finanziert werden soll: eine Ausbildungsoffensive. So sollen schnell zusätzliche Studienplätze im Lehramt und Ausbildungsplätze für Erzieher geschaffen werden. Ein bundesweiter Staatsvertrag soll dabei koordinieren, wo wie viele genau.
Auch dann dürfte es aber knapp werden: Die Abiturjahrgänge werden bis zum Ende des Jahrzehnts immer kleiner, zugleich wächst die Zahl der Erstklässler. Also alles Schuld der Demografie? Mit dieser Erklärung will sich Finnern nicht zufriedengeben: »Man kann 20 Jahre Versagen in der Bildungspolitik nicht nur mit demografischen Problemen erklären.« Lange sei der Zugang zum Lehramtsstudium ausgesprochen restriktiv gehandhabt worden, obwohl sich der Personalmangel bereits abzeichnete. Auch jetzt gäbe es in manchen Fächern noch hohe Zugangshürden. Im Kita-Bereich sei es weiterhin üblich, dass die Ausbildung nicht vergütet werde und teilweise sogar eine Zuzahlung durch die Auszubildenden zu leisten sei.
Eine klare Absage erteilt das Bündnis Überlegungen, das Lehramtsstudium zu verkürzen. In Berlin wurde zuletzt diskutiert, Grundschullehrer schon mit einem Bachelorabschluss unterrichten zu lassen. »Das wäre fatal«, sagt GEW-Chefin Finnern. Dies würde eine »Deprofessionalisierung« des Grundschullehramts bedeuten, wo Fachkenntnisse essenziell seien. »Es ist nicht sinnvoll, unterschiedliche Ausbildungslaufbahnen zu schaffen, wenn am Ende eine ähnliche Tätigkeit steht«, sagt Finnern und warnt vor unterschiedlichen Vergütungskategorien.
An den Schulen selbst will das Bündnis Möglichkeiten ausloten, die Stundentafel zu reduzieren. Die Lehrpläne seien »übervoll«, sagt Nora Oehmichen von der Initiative Teachers for Future. In der Personalmangelsituation müsse geprüft werden, was wirklich notwendig ist. An welchen Stellen gekürzt werden solle, darauf will man sich aber nicht festlegen. »Kürzungen bei der Stundentafel sollten vor Ort demokratisch und in Absprache mit den Schülern entschieden werden«, sagt Philipp Dehne.
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