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Dürre in Spanien: Momentan eine Wüste
Das Feuchtgebiet Coto de Doñana ist ausgetrocknet. Zugvögel verlieren damit ein wichtiges Refugium
Der Nationalpark Coto de Doñana in Südspanien zählt seit 1980 zum Unesco-Weltnaturerbe. Er ist Teil des Natura-2000-Gebiets Doñana und galt bis zu seiner kompletten Austrocknung im September 2022 als eines der wichtigsten Feuchtgebiete Europas. Worin besteht seine ökologische Bedeutung?
Juan Romero ist pensionierter Lehrer und seit 40 Jahren bei Ecologistas en Acción aktiv. Seit 1999 vertritt er die Umweltorganisation im Beirat des Naturparks Doñana. Insgesamt setzt sich Romero seit 28 Jahren für den Schutz dieses Naturraums und ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften im Einklang mit dem Naturschutz ein.
Das Wasser dort ist die Basis des Lebens in der Doñana und ihrer Artenvielfalt. Alle Zugvögel, die in Nord- und Zentraleuropa brüten, rasten auf ihrem Weg in ihre afrikanischen Winterquartiere in der Doñana. Es ist ein Ort der Erholung, wo sie genügend Energie sammeln können, somit ist die Existenz der Doñana lebenswichtig für sie. Über eine halbe Million Wasservögel wie Gänse aus Schweden, Norwegen, Polen und Deutschland überwintern dort. Der Spanische Kaiseradler brütet da, ebenso wie die meisten vom Aussterben bedrohten Vogelarten.
Die Doñana ist ein Hort der Biodiversität: Sie beherbergt 80 Prozent aller Arten Europas, darunter auch eine Vielzahl nur dort vorkommender Arten wie den Iberischen Luchs. Wenn die Doñana verschwindet, verschwinden damit viele europäische Arten.
Laut einer kürzlich veröffentlichten wissenschaftlichen Studie sind zwischen 1985 und 2018 fast 60 Prozent der Lagunen ausgetrocknet. Was sind die Ursachen dafür?
Die Ursachen liegen bei der intensiven Bewässerung durch die Landwirtschaft. Als vor rund 40 Jahren die Bedeutung der Doñana für die Biodiversität in Europa nachgewiesen wurde, wurde in diesem Zuge der Nationalpark geschaffen. Gleichzeitig entstand in seiner unmittelbaren Umgebung eine Zone intensiver Landwirtschaft. Damit konnte sich das natürliche Marschland nicht mehr ausdehnen.
Das Wasser für die Bewässerung wurde dem Aquifer, der Grundwasser leitenden Bodenschicht, entnommen, dessen Existenz für das Ökosystem der Doñana von entscheidender Bedeutung ist. Durch seine Überausbeutung sind etwa 3000 Lagunen praktisch verschwunden. Die ganzjährig wasserführenden Lagunen sind vom guten Zustand des Aquifers abhängig, sie sind nun trockengefallen, wie auch schon während der Dürre der 90er Jahre. Die restlichen Lagunen existieren nur temporär und trocknen normalerweise im Sommer aus. Die Übernutzung des Grundwassers hat dazu geführt, dass der Grundwasserspiegel gefallen ist. Aufgrund der Landwirtschaft befindet sich das Feuchtgebiet – sowohl die Lagunen wie auch die Marschen – in einem katastrophalen Zustand.
Wenn von Bewässerungslandwirtschaft die Rede ist, ist damit hauptsächlich der Anbau von Erdbeeren gemeint?
Es werden Erdbeeren und Heidelbeeren angebaut, Gemüse, Steinobst, Oliven und Reis. Wobei der Reis nicht so inkompatibel mit der Existenz des Ökosystems ist wie die Erdbeeren, weil er mit Oberflächenwasser aus dem Oberlauf des Guadalquivir bewässert wird.
Wie stark sind die Auswirkungen des Tourismus in der Region?
Der Tourismus konzentriert sich auf Matalascañas, eine Feriensiedlung an der Küste der Doñana, die Ende der 60er Jahre gebaut wurde. In Küstennähe gibt es mehrere Wanderdünen und dahinter einige Lagunen. Da die Brunnen von Matalascañas im Sommer 300 bis 400 Kubikmeter Wasser aus dem Aquifer entnehmen, trocknen diese Lagunen aus, zum Beispiel die Laguna Santa Olalla, Charco del Toro und Laguna del Sopetón, die eigentlich ganzjährig Wasser führen.
Wie lässt sich unterscheiden, was eine Folge des Klimawandels ist und welche Effekte auf menschliche Aktivitäten wie die Bewässerung und den Tourismus zurückgehen?
Der Klimawandel ist ein dauerhaftes Phänomen. Die Niederschlagsmenge wird um 20 Prozent sinken, die Temperaturen steigen und die Überschwemmungsphasen abnehmen, sodass die Marschen kürzere Zeit unter Wasser stehen werden. Das wird die natürlichen Wasserressourcen der Doñana um etwa 20 Prozent reduzieren. Aber die Schuld daran, dass die Doñana aktuell mit dem Tode ringt, haben der Anbau von Beerenobst und die Ausbeutung des Grundwassers.
Zwei wissenschaftliche Studien benennen dafür notwendige Obergrenzen. Die einen sagten, es sollten nicht mehr als 3000 Kubikmeter entnommen werden, die anderen nicht mehr als 5000 Kubikmeter, um das Gleichgewicht mit dem Naturschutz zu wahren. Den offiziellen Angaben der Verwaltung zufolge werden jedoch 10 500 Kubikmeter entnommen, viel mehr als sich wieder neu bilden kann. Denn der Aquifer erhält sich durch das Regenwasser. Wenn es nicht regnet, wird mehr Wasser herausgepumpt, als wieder im Boden ankommt. Daher sinkt der Grundwasserspiegel, und die Marschen, die ein Feuchtgebiet sein sollten, sind momentan eine Wüste.
Anstatt der halben Million Vögel, die hier im Winter aus Nord- und Mitteleuropa zusammenkommen, waren dieses Jahr nur knapp 80 000 Vögel da.
Wo sind die restlichen 420000 geblieben?
Die roten Flamingos beispielsweise verteilen sich auf der Iberischen Halbinsel. Die Tiere verstreuen sich, aber an anderen Orten haben sie große Schwierigkeiten, sich zu vermehren. Dieses Jahr gab es in der Doñana überhaupt keine Vogelbrut, weil es kein Wasser gibt. Und in den Gezeitenzonen ist die Aufzucht der Jungvögel schwieriger.
Hängt die aktuelle Situation auch mit der seit vier Jahren anhaltenden Dürre in Spanien zusammen?
Sicher, es hat dieses Jahr sehr wenig geregnet. Aber wenn der Aquifer nicht übernutzt wäre, gäbe es noch Lagunen, die nicht austrocknen würden. Und die endemischen Vogelarten könnten in der Doñana bleiben. Aber jetzt gibt es praktisch nirgends Wasser.
Die andalusische Regierung möchte ein Gesetz verabschieden, das die Ausweitung der Bewässerung erlaubt. Wie ist der aktuelle Stand dazu?
Dabei handelt es sich um den zweiten Versuch. Die rechtsgerichtete Regierung der vorherigen Legislaturperiode hat ein Gesetz entworfen, das diejenigen belohnen würde, die mit ihren Betrieben außerhalb des Gesetzes stehen. Diese Leute haben Waldgebiete umgepflügt und illegale Brunnen angelegt. Bei der ersten Vorlage des Gesetzes ging es um die Legalisierung von 1500 Hektar. Dieses Jahr hat die Partido Popular den Gesetzentwurf erneut vorgelegt, und jetzt sprechen sie von der Legalisierung von 750 Hektar.
Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet worden. Die Regierung hat es gestoppt, aber versprochen, es nach den Kommunalwahlen wieder auf die Agenda zu nehmen. Aber da die Zuständigkeit für Wasser bei der Zentralregierung in Madrid liegt, wird es nicht dazu kommen. Außerdem hat die Europäische Union Spanien schon verurteilt, weil es das Grundwasser nicht schützt und das wertvolle Feuchtgebiet beschädigt hat.
Die autonomen Regionen halten die Hand über die Landwirtschaft zum Schaden und zum Nachteil des Schutzgebietes Doñana. Wenn Spanien deswegen eine Strafe zahlen muss, wird die Zentralregierung dies tun müssen und nicht die Regionen. Die Europäische Union hat bereits mit einer Strafe in Millionenhöhe gedroht, falls die Bewässerung ausgeweitet wird. Wir glauben daher, dass dies nicht passieren kann, weil es gegen europäisches Recht verstoßen würde.
Wie läuft die Kampagne der Plattform »Rettet Doñana« und was sind die Forderungen?
Wir haben mit einer großen Demonstration in Sevilla gefordert, dass die andalusische Regierung ihren Gesetzentwurf zurückzieht. Wir fordern vom Europäischen Parlament, darüber zu wachen, dass das Unionsrecht angewandt wird, um das Schutzgebiet Doñana zu retten. Wir fordern weiterhin, dass Experten eingesetzt werden, um das Schutzgebiet wiederherzustellen und zu renaturieren. Die Doñana hat eine weltweite Bedeutung, sie ist Weltnaturerbe, deswegen sollte man sich auch in der ganzen Welt für sie einsetzen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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