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Auch Plastik hat eine starke Lobby

Schwierige Verhandlungen über UN-Abkommen gegen Vermüllung der Umwelt mit Kunststoffen

In dicht besiedelten Gebieten im Norden der indonesischen Millionenmetropole Jakarta schwimmen in den Gewässern wahre Müllberge, zum größten Teil Plastikabfall.
In dicht besiedelten Gebieten im Norden der indonesischen Millionenmetropole Jakarta schwimmen in den Gewässern wahre Müllberge, zum größten Teil Plastikabfall.

Am vergangenen Freitag ist in Paris die zweite von fünf Verhandlungsrunden über ein Abkommen zu Ende gegangen, das die Plastikverschmutzung im Meer und an Land weltweit reduzieren soll. Insgesamt 175 Staaten haben es sich zum Ziel gesetzt, sich bis Ende 2024 auf ein rechtlich verbindliches UN-Abkommen zu einigen.

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Die Produktion von Plastik hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Doch weniger als zehn Prozent davon werden bisher recycelt. Der größte Teil des Abfalls wird verbrannt oder auf Müllkippen entsorgt. Zudem geraten jährlich rund 20 bis 30 Millionen Tonnen Plastik unkontrolliert in die Flüsse, Seen und Meere – das sind pro Minute etwa vier Lkw-Ladungen. Plastikpartikel finden sich denn auch an den entlegensten Winkeln der Erde: auf Gletschern in Grönland oder in Tiefseegräben. Plastik wurde mittlerweile selbst im menschlichen Körper und in Muttermilch nachgewiesen. Die gesundheitlichen Folgen sind dabei noch zu wenig erforscht. Die Produktion von Plastik ist zudem für rund 4,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als der Ausstoß der Luft- und Seefahrt zusammen. Ein Plastikabkommen ist daher überfällig – der Zeitplan für die Verhandlungen hingegen gilt als ambitioniert.

Dieser Dringlichkeit wurden die Regierungsvertreter in Paris zu Beginn der Konferenz aber nicht gerecht. Ähnlich wie in der ersten Runde im Herbst 2022 stritten sie sich jetzt zunächst über die Regeln, die bei den Verhandlungen gelten sollen. Zum einen ging es um die Frage, wie viele Stimmen die EU hat. Bekommt diese automatisch 27 Stimmen für alle ihre Mitgliedsländer, oder müssen alle 27 mit eigenen Delegierten auf der Konferenz anwesend sein, damit die EU diese Stimmen bekommt? Hier einigte man sich darauf, die Entscheidung zu vertagen. Zum anderen ging es um die Frage, ob Abstimmungen überhaupt möglich sein sollen. Absurderweise sind sich die Länder hier nicht einig, ob dieser Punkt schon zuvor entschieden wurde oder nicht. Die Industriestaaten und einige kleinere Entwicklungsländer sind der Ansicht, dass man sich darauf geeinigt habe. Die größten Schwellenländer wie Saudi-Arabien, Indien, China, Russland und Brasilien hingegen bestreiten dies und wollen verhindern, dass der künftige Vertrag mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen werden kann. Es solle beim Konsensprinzip bleiben. Erst Dienstagnacht konnte man sich schließlich darauf einigen, dass in dieser Frage keine Einigung besteht. Magnus Løvold von der norwegischen Akademie für internationales Recht nannte den Kompromiss eine »wunderschöne Aufführung von diplomatischer Zauberei«.

Damit konnten immerhin die eigentlichen Verhandlungen über die Inhalte des Abkommens beginnen. Hier lassen sich grob drei Gruppen von Ländern unterscheiden: Die größte ist die High Ambition Coalition, der alle Industriestaaten außer den USA und viele Entwicklungsländer angehören. Diese Länder wollen, dass das neue Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik abdeckt – von der Produktion bis zur Wiederverwertung oder Entsorgung. Außerdem soll das Abkommen den Ländern klare Vorgaben machen. Letzteres wollen insbesondere die USA verhindern. Washington will, dass die Länder freiwillige Aktionspläne entwickeln, die durch das Abkommen in einen internationalen Rahmen eingebettet werden, ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen. Die dritte Gruppe um Saudi-Arabien schließlich möchte erreichen, dass die Produktion durch das Abkommen nicht beschränkt wird. Da Plastik zu einem großen Teil aus Öl hergestellt wird, erhoffen sich diese Länder einen neuen Absatzmarkt für ihr wichtigstes Exportprodukt.

Dies zeigt, wie kontrovers das Thema behandelt wird. Insbesondere Nichtregierungsorganisationen fordern, die globale Produktion von Kunststoffen deutlich zu verringern. Prognosen der OECD gehen nämlich davon aus, dass sich die Produktion bis 2050 verdoppeln und bis 2060 verdreifachen könnte. Hingegen preist die Kunststoffindustrie technische Innovationen und chemisches Recycling an. »Die Notwendigkeit eines systemischen Wandels ist leider noch längst nicht bei allen Akteuren angekommen«, bemängelt Henning Wilts vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Das UN-Umweltprogramm habe jedoch in einem Bericht »sehr klar herausgearbeitet, dass es umfassendere Lösungen braucht, die insbesondere bei der Nachfrage ansetzen – zum Beispiel durch einen Wandel von Einweg hin zu Mehrweg«.

Erste Hinweise, wie sich diese gegenläufigen Interessen in einem Abkommen bündeln lassen, könnte der für diesen Herbst geplante sogenannte Null-Entwurf des Abkommens liefern. Diesen werden die Verhandlungsvorsitzenden vor der nächsten Gesprächsrunde in Kenia vorstellen. Da sich die Länder aber bisher noch nicht mal darauf einigen konnten, ob sie sich bereits über das Prozedere geeinigt haben, dürften noch langwierige Verhandlungen erforderlich sein, bis tatsächlich ein wirkungsvolles Plastikabkommen verabschiedet werden kann.

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