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Frankreich: Letzte Schlacht um Rentenreform
Streik und Aktionstag für Initiative im Parlament, die das Eintrittsalter wieder senken will
Auch wenn Präsident Emmanuel Macron und seine Regierungschefin Elisabeth Borne so tun, als gehöre das Thema Rentenreform bereits der Vergangenheit an, hält der Widerstand an und die Proteste reißen nicht ab. Das ging jüngst bis zur Gala des Filmfestivals von Cannes, wo die Regisseurin Justine Triet bei der Entgegennahme der Goldenen Palme für ihren Film »Anatomy of a Fall« die Gelegenheit nutzte, um live im Fernsehen die Rentenreform anzuprangern.
Um diesem anhaltenden Widerstand durch die Mehrheit der Franzosen Nachdruck zu verschaffen, haben die Gewerkschaften für diesen Dienstag zu einem neuerlichen Streik- und Protesttag aufgerufen, dem bereits 14. seit Anfang des Jahres. Gestreikt wird dieses Mal vor allem im Verkehrswesen, sodass etwa ein Drittel der Züge und Flüge ausfallen, in der Energiewirtschaft, wo zahlreiche Raffinerien und Depots blockiert sind, sowie an vielen Schulen und Universitäten, im Gesundheitswesen und in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes.
In Paris und mehr als 200 weiteren Städten des Landes finden Demonstrationen statt. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Beteiligung nicht mehr so stark ausfällt wie bei den erfolgreichsten Aktionstagen im März und April, als bis zu 3,5 Millionen Menschen auf die Straße gingen.
Die Gewerkschaften und die linken Parteien wollen beim aktuellen Streik – vielleicht zum letzten Mal in dieser Sache – die Massen mobilisieren, weil es noch eine kleine Chance gibt, die Rentenreform kurz vor ihrem offiziellen Inkrafttreten am 1. September zu Fall zu bringen. Am kommenden Donnerstag wird in der Nationalversammlung über den Entwurf eines Gesetzes der kleinen bürgerlichen Zentrumsfraktion LIOT debattiert und abgestimmt, mit dem das neue Rentenalter von 64 Jahren rückgängig gemacht und wieder auf 62 Jahre zurückgeführt werden soll.
Jede Fraktion der Opposition hat einmal pro Parlamentsperiode eine eintägige »Nische«, um eigene Gesetzentwürfe einzubringen und darüber abstimmen zu lassen. LIOT nutzt diese Möglichkeit jetzt und will versuchen, den Kern der Rentenreform zu Fall zu bringen. Die nur etwa ein Dutzend LIOT-Abgeordneten können sicher sein, dass alle linken und wahrscheinlich auch sämtliche rechtsextremen Abgeordneten sowie nicht wenige von der rechten Oppositionspartei der Republikaner mit ihnen stimmen werden, während sich etliche Parlamentarier vom linken Rand des Regierungslagers bei der Abstimmung enthalten werden.
Als »dreiste Provokation« und »Herausforderung aller schwer arbeitenden Franzosen« werten es die Gewerkschaften und linken Oppositionsparteien, dass am Wochenende – 48 Stunden vor dem Streik- und Aktionstag und vier Tage vor der Debatte und Abstimmung über den LIOT-Gesetzentwurf in der Nationalversammlung – die ersten zwei Regierungsdekrete zum Rentenreformgesetz im Staatsanzeiger veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt wurden. Mit diesen wird die Rentenreform, die offiziell am 1. September in Kraft treten soll, bis ins Detail präzisiert, sodass die staatliche Rentenkasse CNAV und die rund 40 Behörden der verschiedenen Sonderrentenregime die praktische Umsetzung der Reform vorbereiten können.
Gemäß dem Regierungsdekret sind die zwischen dem 1. September und dem 31. Dezember 1961 geborenen Franzosen die erste Generation, die von der stufenweisen Aufstockung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre betroffen ist. Für sie sind es bereits 62 Jahre und drei Monate, und für jeden weiteren Geburtenjahrgang rückt das Rentenalter ein Quartal weiter nach oben, bis es die Anfang 1968 Geborenen erreicht, für die dann erstmals das neue Rentenalter von 64 Jahren gilt.
Die beiden Regierungsdekrete listen allerdings auch Besonderheiten und Ausnahmen auf, die im Gesetz vorgesehen sind. Beispielsweise können Beschäftigte im öffentlichen Dienst mit besonders strapaziösen Tätigkeiten – etwa Polizisten, Gefängniswärter oder Kanalisationsarbeiter – im begründeten Einzelfall bereits mit 52 bis 54 Lebensjahren in Rente gehen oder Krankenschwestern mit 57 bis 59 Jahren.
Spezielle Altersgrenzen gelten auch für Beschäftigte, die sehr jung ins Berufsleben eingetreten sind und dadurch schon sehr lange arbeiten. So können diejenigen, die bereits mit 16, 18, 20 oder 21 Jahren angefangen haben, mit 55, 60, 62 oder 63 Jahren in Rente gehen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie die nötige Zahl von Beitragsquartalen nachweisen können.
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