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Messerverbot: mehr als eine Schnapsidee?
Als Konsequenz aus tödlichen Attacken will die Bundesinnenministerin das Mitführen waffentauglicher Gegenstände in Bus und Bahn untersagen
Herbert Reul, Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister, ist für Law-and-Order-Politik gern zu haben. Doch das, was Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nun zur Verhütung von Messerangriffen im Nah- und Fernverkehr vorschlägt, scheint ihn fast zu amüsieren. Die SPD-Politikerin will das Mitführen von Messern und anderen als Waffen nutzbaren Gegenständen in Zügen, Bussen und Stadtbahnen generell verbieten. Reul nannte das dieser Tage eine »tolle Idee« und fügte hinzu: »Wenn Frau Faeser es schafft, dass die Bundespolizei die Einhaltung im Fernverkehr ausreichend kontrolliert, ist das super, dann klatsche ich Beifall.« Und machte deutlich, dass er das Ganze auf Landesebene für praktisch nicht umsetzbar hält.
Und Reul hat Gründe für diese Einschätzung. Erst am vergangenen Wochenende haben in NRW rund 1000 Polizist*innen in einer landesweiten Kontrollnacht rund 4700 Personen kontrolliert. Der Einsatz auf den Partymeilen mehrerer Großstädte richtete sich vor allem gegen »Messergewalt«. Beamte der Landespolizei und der Bundespolizei sowie Mitarbeitende der Ordnungsdienste stellten insgesamt ganze 46 Messer sicher. Zum Teil handelte es sich bei den Einsatzorten um Waffenverbotszonen.
Nach Vorstellung von Faeser soll das Messerverbot von der Bundespolizei und den Länderpolizeien »stichprobenartig« kontrolliert werden. Doch selbst für regelmäßige punktuelle Überprüfungen von Fahrgästen dürften angesichts des flächendeckenden Personalmangels schlicht die Kapazitäten fehlen. Das gibt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu bedenken. Die SPD-Politikerin will das Verbot dennoch durchsetzen. Damit könne strikter kontrolliert und schlimme Gewalttaten könnten verhindert werden, sagte sie gegenüber »Bild am Sonntag«. Bei der Deutschen Bahn ist es schon jetzt verboten, Gegenstände mitzuführen, die »geeignet sind, Mitreisende zu verletzen oder den Wagen zu beschädigen«.
Nach Messerattacken wie jener in Brokstedt in Schleswig-Holstein am 25. Januar, bei der zwei junge Menschen im Alter von 17 und 19 Jahren starben und fünf weitere schwer verletzt wurden – eine der Überlebenden hat sich vor wenigen Tagen das Leben genommen –, wird immer wieder über Präventionsmaßnahmen diskutiert. Vor allem aber ist längst klar, dass der Täter, ein 33-jähriger, schwer traumatisierter Palästinenser, in keiner Weise psychologisch betreut worden war und nicht von den zuständigen Behörden beobachtet wurde.
Die Innenminister der Länder setzen derweil auf andere Maßnahmen zur Verhinderung von Messerattacken. Sie wollen eine bessere Zusammenarbeit verschiedener Behörden erreichen. Unter anderem setzen sie auf eine verbesserte Erfassung »ausländischer Mehrfachtäter« und auf Methoden zur Früherkennung potenzieller Amokläufer und Attentäter bis hin zu einem automatischen Austausch bestimmter Mitteilungen zwischen Ausländer-, Polizei-, Justiz- und Justizvollzugsbehörden.
Inwieweit auch Gesundheitsdaten weitergeleitet werden sollten, dürfte bei den Diskussionen auf der IMK ebenfalls eine Rolle spielen. Denn vor einigen Attacken, bei denen in den vergangenen Jahren Fahrgäste und Passanten zu Opfern wurden, hatte es zuvor Hinweise auf psychische Erkrankungen gegeben. Oftmals kam ein islamistisches Motiv hinzu.
Gegen Ibrahim A., den mutmaßlichen Täter von Brokstedt, hat die Staatsanwaltschaft Itzehoe inzwischen Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes erhoben. Die Aufarbeitung des Falles offenbarte gewaltige Defizite in der Kommunikation zwischen Behörden. Ibrahim A. hatte zuvor auch in anderen Bundesländern Straftaten verübt.
Bei einer Zustimmung der Innenminister zum von Faeser geforderten Messerverbot dürfte indes klar sein, dass es eine weitere Möglichkeite für anlasslose Kontrollen insbesondere nicht-weißer Menschen bietet, die von Menschenrechtsinitiativen immer wieder als rassistisch kritisiert werden. Zudem wirkt das Verbot stigmatisierend, denn vor allem bestimmten sozialen Gruppen wird das Mitführen von Messern unterstellt. So ist zum Beispiel bei Obdachlosen ein Messer oft ihr einziger »Haushaltsgegenstand«.
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