Befristung an Hochschulen: Austeritätssystem Universität

Das Bundesministerium hält in den Entwürfen zur Reform des WissZeitVG an der Befristung wissenschaftlicher Stellen fest

Als im März 2023 der Entwurf zur Novellierung des berüchtigten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorgelegt wurde, hagelte es Kritik von allen Seiten: Nichts würde an der prekären Situation der Beschäftigten in der Wissenschaft geändert, es bliebe bei Kettenbefristungen, Planungsunsicherheit und destruktivem Konkurrenzdruck. Das zuständige Bundesministerium räumte angesichts der Proteste #ichbinhanna des empörten Mittelbaus und dem Zusammenschluss von Professor*innen ein, der Gesetzentwurf ginge zurück »in die Montagehalle«.

Die Umbauten wurden jüngst vorgestellt: Aus der geltenden Regelung, dass Wissenschaftler*innen nach der Promotion sechs Jahre Zeit haben, um sich in befristeten Anstellungen an der Universität bis zur Professur zu qualifizieren, wurde nun ein 4+2-Modell. Das heißt, die Höchstbefristungsdauer werde auf vier Jahre verkürzt und könne um zwei Jahre verlängert werden, wenn damit die Zusage auf eine unbefristete Stelle verbunden ist.

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Für alle, die eine grundlegende Verbesserung wissenschaftlicher Arbeitsbedingungen forderten, muss das mindestens zynisch wirken. Das System von Befristung und Prekarisierung bleibt unangetastet, allerdings mit mehr Planungssicherheit: Denn mit kürzerer Höchstbefristung wüssten die Postdoktorand*innen eben früher, dass sie keine Perspektive mehr im System haben. Die Betroffenen reagierten auf diese Frechheit mit der #Aktionswochewissenschaft vom 12. bis 16. Juni. Wieder einmal hieß es, dass jetzt entschieden protestiert und organisiert werden müsse.

Langsam dämmert aber auch den größten Wissenschaftsidealist*innen, dass es kein Politikversagen ist, wenn die Befristung nicht angerührt wird. Die dünne Ideologie von Innovation und Exzellenz, mit der das Ministerium die Befristung rechtfertigt – das System werde so vor »Verstopfung« geschützt, eine Entfristung nähme den Wissenschaftler*innen dagegen jeden Antrieb zur Spitzenforschung –, ist zur Genüge widerlegt. Befristung ist kein Fehler im System, sie ist das System.

Denn die Universität ist ein Austeritätsregime. Unter erhöhten Wettbewerbsdruck und existenzieller Abhängigkeit der Forschenden wurde der Betrieb auf Drittmittelfinanzierung umgestellt. Darin liegt enormer Konformitätszwang: Wissenschaft, die sich nicht verkaufen kann, wird im kurzen Turnus der Vertragslaufzeiten ausgesiebt. Die Bologna-Reform führte ergänzend dazu abgestufte Studienabschlüsse ein. So fallen die tausenden überausgebildeten Doktorand*innen, die systematisch auf dem einzigen Karriereweg zur Professur ausscheiden, auf Stellen zurück, die auf dem Niveau eines dreijährigen Bachelorstudiums bezahlt werden können. Und da Universitätsangestellte, die unbefristet in den Tarifstufen aufsteigen, viel zu teuer sind, deckelt die Befristung den Tariflohn auf den untersten Stufen.

Austerität bedeutet aber bekanntlich nicht einfach Sparzwang. Sie ist auch ein System der Herrschaftssicherung, die Einhegung des kritischen Potenzials in den Zwängen des Bestehenden. Die Proteste von #ichbinhanna und Co. fordern »faire Arbeitsbedingungen«, aber zugleich geht es um die Grundlagen kritischer Wissenschaft und gesellschaftlicher Aufklärung. Wie wenig das überhaupt zusammengedacht wird, ist Ausdruck des Erfolgs dieser Herrschaft.

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