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Basketball-Bundestrainerin Thomaidis fordert mehr Förderung
Die deutschen Basketballerinnen spielen eine starke EM. Der Erfolg muss nun jedoch verstetigt werden
Mit dem Halbfinale oder gar der ersten Medaille seit Bronze vor 26 Jahren wurde es dann doch nichts. Ihre etwas überraschend aufgetauchte Chance auf die Olympiateilnahme haben die deutschen Basketballerinnen aber noch längst nicht aufgegeben. Und so waren sie schon wenige Minuten nach der klaren 42:67-Niederlage am Donnerstagabend gegen Spanien im Viertelfinale der Europameisterschaft bemüht, den Blick nach vorn zu richten. »Wir haben sofort gesagt, dass wir die Enttäuschung über diesen Auftritt in der Kabine lassen. Jetzt wollen wir gegen Tschechien zeigen, dass wir wirklich hierher gehören«, sagte Flügelspielerin Lina Sontag am Tag danach dem »nd«. »Wir haben immer noch ein mega Team und wollen uns diesen fünften Platz unbedingt sichern.«
Bedenkt man, dass sich die Auswahl des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) vor dem aktuellen Turnier in Slowenien ganze zwölf Jahre lang für kein einziges Championat hatte qualifizieren können, wirkt ein so forsch formuliertes Ziel recht hoch gegriffen. Überraschend ist das dennoch nicht. Schließlich berechtigt nur Rang fünf zur Teilnahme an einem Olympia-Qualifikationsturnier im kommenden Jahr. Außerdem hat das deutsche Team mit Siegen gegen die stärker eingeschätzten Großbritannien, Slowenien und die Slowakei bei dieser EM unter Beweis gestellt, dass es zumindest in Europa wieder zur erweiterten Spitze gehört.
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Dabei war noch vor wenigen Monaten nicht im Ansatz damit zu rechnen gewesen. Bundestrainer Walt Hopkins hatte die deutschen Basketballerinnen zwar erfolgreich durch die EM-Qualifikation gebracht, danach aber aus persönlichen Gründen sein Amt nach zweieinhalb Jahren abgegeben. Schon wieder musste der DBB also nach einem neuen Bundestrainer suchen. Das kam im vergangenen Jahrzehnt so häufig vor, dass selbst DBB-Präsident Ingo Weiss nicht auf Anhieb weiß, wie viele es waren, »aber wir haben uns immer im Einvernehmen getrennt, entweder um einen Neuanfang zu starten. Oder weil die Trainer sich eine Auszeit nehmen, den Beruf wechseln, das Studium beenden oder in den Männerbereich umsteigen wollten. Das war immer verständlich.«
Ende April konnte der DBB dann Lisa Thomaidis verpflichten, ein Glücksgriff, wie sich mit dem EM-Viertelfinaleinzug nun erwiesen hat. Glück im wahrsten Wortsinn, denn schon ihre Rekrutierung hatte viel mit Zufall zu tun. Ihr kanadischer Landsmann Gordon Herbert, aktuell der Bundestrainer der deutschen Männermannschaft, schrieb ihr einfach eine E-Mail und fragte, ob sie Interesse an der offenen Stelle hätte. »Ja, es ist wahr. Er schrieb, dass das deutsche Team einen Coach sucht«, bestätigte Thomaidis. »Ich war damals gar nicht auf eine neue Stelle aus, daher kam das völlig überraschend für mich. Aber nach einer Weile dachte ich mir: Warum nicht?« Den Kader stellte dann aber zunächst noch die Co-Trainerin Sidney Parsons zusammen, da sie alle Spielerinnen kannte, unter anderem weil sie einige schon im Nachwuchsbereich trainiert hatte.
Das klingt nur semiprofessionell, um es freundlich zu formulieren. Der DBB hat sich über Dekaden hinweg auf die Männer konzentriert. Während Dirk Nowitzki, Dennis Schröder und Franz Wagner für Medaillen bei Europameisterschaften und der Teilnahme an Olympischen Spielen bejubelt wurden, hörte man von den Frauen kaum etwas. Dabei ist hier eine Generation herangewachsen, die im Juniorinnenbereich sogar schon EM-Titel gewonnen hat. Nun soll auch das A-Team davon profitieren, und der DBB beschloss nach EM-Bronze der Männer: »Jetzt wird es aber Zeit, dass wir auch was für die Frauen tun«, erinnerte sich Weiss.
Der erste Höhepunkt der Entwicklung sollte eigentlich erst 2026 erreicht sein, wenn Deutschland die WM ausrichtet. Das soll der Leuchtturm eines langfristigen Strategieprozesses sein, »in dem wir in den nächsten sechs, sieben Jahren den Frauenbereich auf ein anderes Level schieben wollen«, erklärte Weiss gegenüber »nd«. Von einen Tag auf den anderen funktioniere das natürlich nicht, war er überzeugt. Nun aber ist schon Olympia 2024 greifbar. Dafür könnte jetzt ein Sieg im EM-Platzierungsspiel gegen Tschechien und eventuell schon nur ein weiterer bei der Qualifikation 2024 ausreichen. »Wir haben in unseren kühnsten Träumen nicht erwartet, dem Ziel schon jetzt so nahe zu sein. Wir haben da 2028 angepeilt. Insofern bin ich begeistert von dieser Mannschaft, in der jede für die andere kämpft.«
Für langfristige Erfolge muss aber erst einmal Bundestrainerin Thomaidis gehalten werden. Ihr Vertrag gilt zunächst nur bis zum Ende der EM. Jedoch bestätigte Weiss, dass er noch in Slowenien mit ihr über eine Verlängerung verhandeln wolle. Auf die Frage, ob sie die vom Team erhoffte langfristige Lösung sei, hielt sich die 50-Jährige gegenüber »nd« noch bedeckt. »Darüber werde ich nach diesem Turnier nachdenken. Ich will auf jeden Fall zusätzliche Unterstützung für dieses Team sehen, denn die Spielerinnen sind wirklich mit viel Hingabe beim Nationalteam dabei«, sagte Thomaidis und forderte: »Nun muss der Verband sich hinter ihnen versammeln, wenn sie auf dem höchsten internationalen Level professionell spielen sollen. Natürlich geht es da auch ums Geld. Wenn man ein Team an die Spitze bringen will, muss man so viel investieren wie die anderen an der Spitze. Es gibt keinen Grund, warum dieses Team nicht diese Unterstützung erfahren sollte.«
Weiss entgegnete, dass der DBB genau das vorhabe. »Ich werde ihr sagen, dass wir es ernst meinen, den Frauenbereich besser aufzustellen. Was für die Männer gut ist, muss auch für die Frauen gut sein: Wenn die Männer beim Lehrgang ins Hotel gehen, dann gehe ich mit den Frauen nicht in eine Jugendherberge. Diese Angleichung haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Allerdings können wir den Hebel nicht sofort komplett umlegen.«
Eine Olympiateilnahme wäre für die Beschleunigung des Prozesses ein Segen, schließlich würde der DBB, dem bislang im Frauenbereich kein Potenzial für Olympia bescheinigt worden war, bei einer Qualifikation auf mehr Förderung vom Bund hoffen können. »Dann wäre man auch im Olympiakader, und vieles andere wäre möglich«, sagte Weiss.
Die 19-jährige Lina Sontag meint, es gebe bereits spürbare Verbesserungen. Lauf- und Basketballschuhe würden jetzt gestellt, dazu Geräte und Nahrungsergänzungen zur schnelleren Regeneration. Außerdem ist ein Social-Media-Beauftragter beim Team, um dessen Erfolge unter die Leute zu bringen. Die Entourage sei allerdings noch nicht auf dem Niveau ihres College-Teams an der UCLA in Los Angeles, Kalifornien, an das die Berlinerin zur optimalen Kombination von Studium und Sport im Sommer 2022 gewechselt ist. »In den USA wird aber einfach auch unglaublich viel Geld in den Sport gesteckt. Das führt dann dazu, dass wir zu jedem Spiel mit einem gecharterten Flugzeug fliegen. Mit dem DBB sind wir Easyjet geflogen. Das ist auch völlig okay, aber die Unterschiede sind schon krass«, berichtet Sontag.
Mit Geld sind aber nicht alle Probleme zu lösen. Das größte ist, dass die Nationalspielerinnen nur selten mal an einem Ort zu Lehrgängen zusammengezogen werden können. Sie spielen in völlig verschiedenen Ligen mit unterschiedlichen Zeitplänen in Deutschland, Frankreich, Spanien, den USA und sogar Australien. Damit sich die Basketballerinnen häufiger sehen, bräuchte es eine bessere deutsche Bundesliga, doch eine solche Entwicklung würde viele Jahre dauern. »Spanien ist nicht von ungefähr eines der besten vier Teams der Welt. Das Land hat schließlich schon jahrzehntelang in den Frauen-Basketball investiert«, weiß Thomaidis. »Sie haben eine professionelle Liga, die Spielerinnen bleiben im Land, werden dort entwickelt und kennen alle den typischen Spielstil. Das macht sich nun bezahlt.«
Sonja Greinacher und Aufbauspielerin Svenja Brunckhorst sind sogar überhaupt nicht mehr in Vereinen unterwegs, konzentrieren sich stattdessen auf die 3x3-Variante und helfen auf dem Großfeld nur noch sporadisch aus, wenn ihr Zeitplan das zulässt. Vor der EM in Slowenien konnten sie kurz nach der 3x3-WM in Wien nur ein Vorbereitungsspiel mitmachen. Eine optimale Vorbereitung sieht anders aus.
Das optimale DBB-Team übrigens auch. Schließlich sind die beiden Schwestern Nyara und Satou Sabally derzeit in der WNBA in den USA aktiv, der stärksten Liga der Welt, die für die EM jedoch keine Pause einlegen wollte. »Es fehlen uns zwei sehr große Leistungsträgerinnen. Daran sind wir aber gewöhnt«, sagte Greinacher. »Und man weiß auch nie genau, wie es sonst laufen würde. Wir haben für den Moment gute Lösungen gefunden, diese Lücke zu schließen.«
Immerhin: Die vielseitigste deutsche Spielerin Leonie Fiebich hätte wohl auch schon dieses Jahr in der WNBA einsteigen können, verzichtete aber, um zunächst die EM mit dem Nationalteam zu spielen. Auch Greinacher und Brunckhorst hätten andere Turniere auf dem Halbfeld spielen können. Schließlich wollen sie in der 3x3-Weltrangliste weit vorn bleiben, um so 2024 in Paris bei Olympia dabei zu sein. »Das wäre natürlich das Highlight der Karriere«, sagte Greinacher, die nun aber neue Lust am großen Court verspürt: »Es ist superharmonisch in der Mannschaft, und ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß dabei, fünf gegen fünf zu spielen.«
Das hängt auch mit Bundestrainerin Thomaidis zusammen, der es offenbar gelungen ist, einen positiven Teamgeist zu entwickeln und dabei alle Spielerinnen mitzunehmen. »Ich bin total positiv beeindruckt von ihr. Sie macht ganz klare Ansagen, ohne dabei zu schreien oder ausfallend zu werden. Sie behält immer die Ruhe, was sich auf die Mannschaft überträgt, egal wie es im Spiel läuft. Jede kann mit diesen klaren Ansagen etwas anfangen«, so Greinacher. »Mit Lisa läuft es super, und ich hoffe, dass wir da eine langfristige Lösung gefunden haben. Es wäre ein wichtiger Faktor, dass da Kontinuität besteht.«
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