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Taiwans Chipfabriken trocknen aus
Der Klimawandel bedroht die wasserintensive Produktion am weltweit wichtigsten Standort der Branche
In Taiwan macht sich gerade eine seltsame Sorge breit: Es werde wahrscheinlich bis Ende des Jahres weniger Taifune geben, hieß es kürzlich im Fernsehsender Formosa TV. »Die Trockenperiode könnte sogar bis in den kommenden Frühling reichen.«
Seit drei Jahren hat kein Taifun mehr die 24-Millionen-Insel erreicht. Die Niederschläge nehmen daher ab, sodass es seit Monaten an Wasser mangelt. Das könnte für eine nationale Katastrophe sorgen, denn in dem Industriestaat trocknet die bedeutendste Branche aus: die Mikrochip-Produktion. Taiwans Weltmarktanteil bei Halbleitern liegt bei 60 Prozent, bei den diffizilsten Chips sind es sogar 90 Prozent. Die Weltwirtschaft ist auf Taiwan also angewiesen – und Taiwan liefert.
Bisher jedenfalls. Doch der Durst der riesigen Fabriken lässt sich womöglich nicht auf Dauer löschen. Einerseits benötigen die Fertigungsstätten, von denen laufend neue errichtet werden, umso mehr Wasser, je anspruchsvoller die Chips werden. Andererseits sorgt der Klimawandel für neue Wetterrealitäten: Im Landessüden, wo viele Fabriken stehen, erreichten die Niederschläge zuletzt nur noch 40 Prozent typischer Jahre – die niedrigsten Werte seit drei Jahrzehnten.
Wie groß das Krisenbewusstsein ist, lässt sich an Äußerungen hoher Offizieller erkennen: »Bereits im August haben wir begonnen, Notfallpläne aufzustellen«, erklärte Lai Chien-hsin, Generaldirektor der Wasserressourcenagentur. Staatspräsidentin Tsai Ing-wen hatte schon vor zwei Jahren versprochen, Unternehmen zu unterstützen, die unter Wassermangel leiden.
Die Abnehmer in aller Welt freuen sich über solche Versprechen, denn die letzte Chipkrise ist noch in schmerzlicher Erinnerung. Als im Jahr 2021 zur Pandemie auch noch eine Dürre in Taiwan kam, riss die globale Wertschöpfungskette. Lieferungen von Elektronikartikeln verzögerten sich um Wochen, teils um Monate. Die globale Autoproduktion brach damals um ein Viertel ein, in der EU klagten viele Betriebe über akuten Materialmangel. In Taiwan dagegen sprudelten die Gewinne, und es wurden Hunderte Milliarden Euro in neue Fabriken investiert.
Hier geht es um mehr als sehr viel Geld. Die Halbleiter sind für Taiwan so etwas wie eine Existenzversicherung – gegenüber einem Angriff des großen Nachbarn China, der die Insel als Teil seines Territoriums reklamiert. Für den Fall einer Invasion haben die USA sowie andere liberal eingestellte Staaten zu verstehen gegeben, dass sie Taiwan verteidigen würden. Politiker wie Akademiker sprechen daher von einem »Schutzschild aus Silizium«. Ein Kollaps des wichtigsten Produktionsstandorts für Halbleiter im Kriegsfall wäre für die USA wie auch für China ein wohl inakzeptables Desaster.
Der Klimawandel ist eine noch größere Bedrohung. Mikrochips werden in höchster Präzision hergestellt, wofür sie in Reinräumen je rund 100-mal einen Spülungsprozess durchlaufen. Hierfür ist sehr reine Flüssigkeit nötig, die sich maßgeblich aus Regenwasser speist. Aber in diesem Frühjahr waren die Reservoirs nur zu 11 bis 41 Prozent gefüllt. So treffen die Chiphersteller selbst Vorkehrungen. Taiwan Semiconductor Manufacturing Corporation (TSMC), der weltgrößte Fertigungskonzern, hat Sparmaßnahmen eingeleitet und will fortan mehr genutztes Wasser wiederaufbereiten.
Zugleich streben die größten Unternehmen ins Ausland. TSMC hat seit der Chipkrise den Bau neuer Fabriken in den USA, in Japan und auch in Dresden verkündet. Damit es nicht zu einem Exodus kommt, greift der Staat seiner Schlüsselbranche unter die Arme. Die Wasserressourcenagentur kündigte im Frühjahr an: »Wir werden 54 neue Brunnen bohren.« Damit sollen landesweit 136 000 Tonnen Wasser pro Tag zusätzlich zur Verfügung stehen. Die riesigen Mengen sind aber wenig im Verhältnis zum Bedarf der Branche: TSMC allein verbraucht in seinen Fabriken im Wissenschaftspark von Tainan täglich 99 000 Tonnen.
Die geringen Wasserstände in den Reservoirs werden derzeit genutzt, um Sandschichten an den Böden abzutragen, damit fortan mehr Wasser konserviert werden kann. Unter Hochdruck laufen zudem die Arbeiten an einer Pipeline, die Wasser aus dem Norden, wo sich die Hauptstadt Taipeh befindet, in den Süden leiten soll. Vor 2026 dürfte die Leitung aber nicht fertig werden.
Zumindest bis dahin wird Wasser ein knappes Gut bleiben. »Der Klimawandel ist ein echtes Problem. Wir beobachten dramatische Schwankungen der Niederschläge von Jahr zu Jahr«, sagte Wu Ray-shyan, Hydrologieexperte an der National Central University im nördlich gelegenen Taoyuan. »Der Druck, den Taiwan in Sachen Wasser und Energie verspürt, ist heute viel höher als noch vor einigen Jahren.« Der Erfolg der Halbleiterindustrie verschärfe das Problem noch.
Wo die meisten Fabriken stehen, ist der Rest der Wirtschaft mitunter von Beschränkungen betroffen. Im März wurde die Hafenstadt Kaohsiung im vierstufigen Wasserwarnsystem von Grün, dem niedrigsten Niveau, auf Gelb heraufgestuft, womit der Wasserdruck abends abgesenkt und der Verbrauch reduziert wird. Tainan wurde auf Orange, die zweithöchste Stufe, gehoben, was teilweise Wasserrationierungen bedeutet.
Schon vor zwei Jahren betrafen die Beschränkungen rund eine Million Menschen. Ganz besonders bemerkt man die Krise in der ebenfalls wasserintensiven Landwirtschaft: Reisbauern in der Region werden nunmehr im dritten Jahr dazu angehalten, ihre Felder nicht mehr zu bewässern. Unter den Landwirten sorgt das für Unmut: »Die Regierung nutzt ihr Geld, damit wir Ruhe geben«, sagte kürzlich Chuang Cheng-deng, der ein Feld in unmittelbarer Nähe einer TSMC-Fabrik besitzt, gegenüber Journalisten.
Der Staat entschädigt Agrarbetriebe für Ernteausfälle, aber je länger die Landwirte nichts produzieren können, desto größer wird das Risiko, dass sich ihre Abnehmer mittel- und langfristig andere Lieferanten suchen. Dann kommen auch Nahrungsmittelimporte aus Niedriglohnländern in Südostasien infrage.
Für die Regierung dürfte dies nicht akzeptabel sein. Seit Jahren analysieren Sicherheitsexperten das potenzielle Risiko einer Seeblockade durch China. Je stärker die Insel von Importen existenziell wichtiger Güter abhängig ist, desto verwundbarer wäre Taiwan. Dann würden auch die Halbleiter, auf die die ganze Welt angewiesen ist, nur noch bedingt helfen.
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