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Finanzierung von Verfassungsfeinden
Bundesverfassungsgericht prüft, ob der »Heimat« die Mittel aus der Parteienfinanzierung verwehrt werden können
Mit einem Fax am Dienstagmorgen erklärte die NPD, dass sie nicht an der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht teilnimmt. Das gehört zur Inszenierung der in »Heimat« umbenannten Partei. In den eigenen Kanälen heißt es, man nehme an dem »Schauprozess« und der »Justiz-Simulation« nicht teil. Man gefällt sich als Staatsfeind.
Dabei sollte die Partei sich eigentlich dafür interessieren. 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht zwar die Verfassungsfeindlichkeit der NPD bestätigt, ihr aber gleichzeitig attestiert, dafür keine Durchsetzungsperspektive zu haben. Die Partei wurde nicht verboten, weil sie zu irrelevant war. Gleichzeitig hatte das Gericht dem Gesetzgeber den Hinweis gegeben, dass es möglich sei, Verfassungsfeindlichkeit unterhalb der Schwelle eines Verbotes zu sanktionieren.
Dieser Empfehlung wurde gefolgt. 2019 gab es eine Grundgesetzänderung, mit der verfassungsfeindliche Parteien aus der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden. Wenig später beantragten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung den Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung für sechs Jahre. Über diesen Antrag und darüber, ob es sich bei der Grundgesetzänderung »um verfassungswidriges Verfassungsrecht handelt«, wurde am Dienstag und heute in Karlsruhe verhandelt. Eine Entscheidung des Gerichts steht noch nicht an.
Neben grundsätzlichen Erörterungen zur Verfassungsmäßigkeit der Grundgesetzänderung von 2019 steht die Entwicklung der »Heimat« in den vergangen Jahren im Mittelpunkt der mündlichen Verhandlung: Gab es programmatische Änderungen, wie steht es um die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, welche Strategie verfolgt die Partei?
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Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher, der als Bundesratspräsident an der Verhandlung teilnimmt, und Bundesinnenministerin Nancy Faser erklärten gegenüber der dpa, dass sie das Fernbleiben von Vertreter*innen der rechten Partei als Missachtung eines Verfassungsorgans betrachten. Die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, verwies darauf, dass keine Anwesenheitspflicht besteht.
Für die »Heimat« ist das Gerichtsverfahren derzeit nicht entscheidend. Die Partei hat bei Wahlen in den vergangenen Jahren so schlecht abgeschnitten, dass sie nicht von der staatlichen Parteienfinanzierung profitiert. Diese greift erst ab einer bestimmten Mindestmenge von Stimmen. Der Informationsdienst »Endstation Rechts« berichtete, dass ein Richter einen Gutachter gefragt habe ob die Partei »nicht schon tot« sei. In der vergangenen Woche scheiterte die »Heimat« vor dem Bundesverfassungsgericht in einem selbst angestrebten Verfahren. Die Partei beanstandete die Verfassungsmäßigkeit der Grundgesetzänderung zur Parteienfinanzierung.
Auch bei einer anderen Rechtsaußen-Partei wird man das Verfahren zur Finanzierung der »Heimat« genau verfolgen: bei der AfD. Die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung erzielte im Frühjahr einen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht. Für das Jahr 2019 wurde entschieden, dass der Stiftung eine Finanzierung zustehe, sonst bestehe keine Chancengleicheit. Das Gericht mahnte an, dass es nicht sein könne, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags ohne gesetzliche Grundlage über die Förderung parteinaher Stiftungen entscheidet.
In der Debatte um ein Gesetz zur Förderung von Stiftungen gibt es zahlreiche Stimmen, die ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung von Stiftungen erwarten. 2022 verweigerte der Haushaltsausschuss der Desiderius-Erasmus-Stiftung wegen entsprechender Zweifel eine Förderung. Auch darüber wird in Karlsruhe noch verhandelt. Bis der AfD oder ihrer Stiftung keine staatlichen Gelder mehr zufließen, wird erstmal abzuwarten sein, wie das Verfassungsgericht über die »Heimat« entscheiden wird.
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