Medienpräsenz: Kein Rezept gegen Faschisten

Ulrich Sander vom VVN-BdA warnt davor, der AfD eine mediale Bühne zu bieten

  • Ulrich Sander
  • Lesedauer: 4 Min.

Unser Kanzler findet, dass die AfD die »Partei der Schlechtgelaunten« sei. Zumeist wird sie als Partei der Rechtspopulisten oder Protestler bezeichnet. Christoph Ruf will nun in seiner nd-Kolumne vom 3. Juli darauf hinaus, dass die AfD eine Partei Andersdenkender sei. Da wird man doch Toleranz einfordern dürfen – oder? Er meint, es könne »durchaus sinnvoll sein, Rechte in Talkshows einzuladen« und deutet an, diese würden sich selbst entlarven.

Der Unsinn, der gegenwärtig vor allem in den bürgerlichen Medien als Rezept gegen Profaschisten angeboten wird, ist gespenstisch. Vielfach wird demokratischen Parteien empfohlen, ihre Politik bekannter zu machen oder aber sie der AfD anzupassen, das werde diese schwächen. Nur von Schwäche ist bei prominenten AfD-Anführern wie Björn Höcke nichts zu sehen. Er ist Gründer des rechtsextremen »Flügel« innerhalb der Partei und derjenige, der eine Änderung der Erinnerungskultur um hundertachtzig Grad verlangt.

Dort, wo die AfD auch nur die kleinste Möglichkeit besitzt, Macht auszuüben - etwa durch Anträge in Kommunalparlamenten - setzt sie sich dafür ein, dass antifaschistisches Gedenken nun aber bitte mal aufhören solle. Die Nazis von heute haben in Höcke einen Führer, der verlangt - so ein Zitat aus der »Süddeutschen Zeitung« im März 2020 -, die »Lebensglut, die sich unter vierzig Jahren kommunistischer Bevormundung erhalten hat und der auch der scharfe Wind des nachfolgenden kapitalistischen Umbaus nichts anhaben konnte, wieder als ein lebendiges Feuer hervorschlagen zu lassen«.

Gut, dass der Fernsehmoderator Jan Böhmermann dagegen hält, wenn es darum geht, Rechten eine mediale Bühne zu bereiten. Erich Kästner warnte vor 65 Jahren: »Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.«

Zwischen 1928 und 1930 machte die NSDAP bei Wahlen einen Sprung von 2,6 Prozent der Stimmen auf 18 Prozent und 1932 waren es dann 37 Prozent. Heute werden hohe Umfragewerte der AfD als Ostproblem abgetan. Dabei liegt die Zustimmung für die AfD in Nordrhein-Westfalen aktuell bei 15 Prozent – eine Verdreifachung in nur einem Jahr. Gleichzeitig erhält die AfD als Partei für Nazis schon jetzt reichlich staatliche Mittel und mediale Unterstützung. Ein Vorteil für die Rechten gegenüber der Weimarer Zeit besteht auch darin, dass die Militärkaste ganz ungeniert in der AfD wirken darf.

Zu wenige in der deutschen Medienlandschaft beteiligen sich an der Aufklärung über die Gefahren von rechts. Wann zerdeppern wir die AfD-Behauptungen über ihre Rolle als »Friedenspartei«? Wann weisen wir auf ihre Rolle im Kampf gegen Flüchtende hin? Mit starker Beteiligung führten Antifaschisten vor Jahren die Aktion »NoNPD« durch. Doch das Bundesverfassungsgericht folgte nur ihren Argumenten, aber nicht ihrer Verbotsforderung. Im Juli 2023 stellte Heribert Prantl in der »Süddeutschen Zeitung« fest: »Beim Verbotsverfahren gegen die NPD wurde ein Verbot abgelehnt. Die NPD galt dem Gericht im Jahr 2017 zwar als klar verfassungsfeindlich, aber als zu unbedeutend, sie habe nicht die nötige ›Potentialität‹. Die NPD war also zu klein, um sie zu verbieten. Die AfD gilt als zu groß, um sie zu verbieten.« Prantl rät angesichts dieses Dilemmas, zunächst »einen Verbotsantrag nur gegen die radikalsten Landesverbände zu stellen«.

Als erfahrener Antifaschist stimme ich dem zu. Doch Leute wie ich werden nie zu Talkshows wie Maischberger eingeladen. Mein großer Bruder schleppte mich einst durch das nach Bombardierungen brennende Hamburg-Rothenburgsort. Später wurde ich in die Schule am Bullenhuser Damm eingeschult. Die Schulspeisung erhielten wir im Keller unter den Rohren, an denen in den letzten Wochen des Krieges 20 jüdische Kinder erhängt worden waren. Solche Urerlebnisse fehlen heutigen Journalisten. Faschisten verharmlosen – das dürfen sie trotzdem nicht. Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

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