Das Ende des Ehegattensplittings?

Darum geht es bei der hitzigen Debatte um das Steuerrecht für Verheiratete

Ein Vorschlag, der die Gemüter erhitzt und den andauernden Streit der Regierungskoalition neu zu entfachen droht: Das Ehegattensplitting kann weg. Das verkündete zumindest SPD-Chef Lars Klingbeil am Wochenende in einem ZDF-Interview zur Elterngelddebatte, die der Sparkurs des FDP-Finanzministers Christian Linder vergangene Woche entfacht hatte. »Dieses Steuersystem begünstigt diejenigen Konstellationen, wo der Mann viel verdient, die Frau wenig«, begründete Klingbeil seine Forderung nach einer Abschaffung des Splittingverfahrens für neue Ehen.

Auch die Parteispitze der Grünen zeigte sich für eine Änderung der Steuerregelung offen. Die FDP hält wie erwartet mit aller Kraft dagegen: Die Abschaffung des Ehegattensplittings bedeute eine Steuererhöhung vor allem für die Mitte der Gesellschaft, so FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Janine Wissler, Vorsitzende der Linkspartei, gab Klingbeil unterdessen schon zum zweiten Mal in nur einer Woche recht: »Wir sind der Meinung, der Staat muss Kinder fördern und nicht Ehen« – dies sei schon lange eine linke Position. Auch seine Forderung nach einer Mindestlohnerhöhung auf 14 Euro hatte sie zuvor befürwortet.

In der aufgeregten Debatte zum Auftakt der parlamentarischen Sommerpause scheint aber das Sachliche unterzugehen: Wie ist das Ehegattensplitting genau geregelt und warum ist es überhaupt da? Was spräche dafür und was dagegen?

Grundsätzlich bezeichnet der Begriff Ehegattensplitting das Verfahren, nach dem Ehepaare und Lebenspartnerschaften besteuert werden, die keine Einzelveranlagung wählen. Dabei wird das gemeinsame Einkommen halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Als Beispiel: Ein Ehepaar, das zusammen 60 000 Euro im Jahr verdient, müsste mit Ehegattensplitting 9902 Euro Steuern zahlen, genauso auch wenn beide Partner ohne Splitting gleich viel verdienen, also jeweils 30 000. Verdient eine Eheperson 40 000 und die andere 20 000, müsste das Paar ohne Ehegattensplitting statt 9902 Euro 10 315 Euro bezahlen, also 413 Euro mehr als mit Splitting. Wenn eine Person 60 000 verdient und die andere gar nichts, sind die Steuereinsparungen mit Splitting noch höher; bei Einzelbesteuerung müssten beide 15 863 Euro Steuern bezahlen, also 5961 Euro mehr als mit Splittingverfahren.

Ins Leben gerufen wurde die Steuerregelung 1958, nachdem der ursprüngliche Vorschlag der Adenauer-Regierung einer Steuergleichverteilung zwischen Eheleuten vom Bundesverfassungsgericht ablehnt worden war. Die Begründung: Es wäre unvereinbar mit dem Grundgesetz, das in Artikel 6 Absatz 1 »eine Beeinträchtigung von Ehe und Familie durch störende Eingriffe des Staates verbiete«. Also einigte man sich auf die Zusammenveranlagung mit dem Splittingtarif, mit der Eheleute und Lebenspartner auch heute noch besteuert werden können.

Die Regelung soll also die Institution der Ehe schützen und fördern – auch heute noch wird damit vor allem von Wertkonservativen für das Ehegattensplitting argumentiert. Befürworter führen außerdem auf, dass das Steuerrecht mit der Zusammenveranlagung von Partnern die Tatsache würdige, dass Menschen gegenseitig Verantwortung füreinander übernähmen – dafür gebe es eben Unterhaltsverpflichtungen. Ganz praktisch gesehen sparen einfach viele Haushalte durch das Ehegattensplitting; eben dann, wenn eine Person deutlich mehr verdient als die zweite. Laut Finanzministerium zahlen Familien und Paare dadurch im Jahr derzeit rund 25 Milliarden Euro weniger Steuern.

Diese Summe fehlt aber dafür dem Staat im Etat. Erst vergangene Woche kam es zu einem Eklat in der Ampel-Koalition, weil Lindner den Bundeshaushalt für 2024 um rund 30 Milliarden Euro kürzte, unter anderem im Bildungs- und Sozialbereich. Die Mehreinnahmen im Falle einer Abschaffung des Ehegattensplittings könnte man also zum Beispiel dorthin investieren – oder auch in die geplante Kindergrundsicherung, die laut Koalitionsvertrag der Kinderarmut von 8,7 Millionen Kindern im Land entgegenwirken sollte. Dafür hatte Familienministerin Lisa Paus zwölf Milliarden Euro angefordert, vorerst sicherte Lindner ihr aber nur zwei Milliarden zu.

Das am häufigsten genannte Argument gegen das Ehegattensplitting kommt aber von Feministinnen: Frauen würden durch das Verfahren strukturell in finanzielle Abhängigkeiten gedrängt. Das ist deshalb häufig der Fall, weil die meisten Frauen in Deutschland immer noch weniger verdienen als ihre Ehemänner. Die Steuervorteile des Splittings geben ihnen also häufig den Anreiz, weniger oder gar nichts zu verdienen, von einer Karriere abzusehen und stattdessen mehr unentlohnte Care-Arbeit zu Hause zu leisten. Bricht die Ehe, befinden sich viele Frauen dann in einer prekären wirtschaftlichen Situation, haben kein ausreichendes oder gar kein Einkommen und können oft nur erschwert im Beruf Fuß fassen. So wird laut Kritikern des Ehegattensplittings eine veraltete Rollenverteilungen staatlich gefördert und zementiert. Und tatsächlich ist in kaum einem anderen Industrieland der Anteil von Müttern in Teilzeitjobs höher als hierzulande.

Zwar bleibt eine Umsetzung von Klingbeils Forderung bis aufs Weitere unwahrscheinlich, da sich derzeit keine parlamentarische Mehrheit dafür finden ließe. Die Idee der Abschaffung des Ehegattensplittings wurde in diesen Tagen aber zum ersten Mal seit langem ernsthaft von führenden Politikern diskutiert.

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