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Hunger nach kritischen Metallen durch Energiewende und High-Tech
Laut IEA-Bericht expandieren neben der Nachfrage auch Bergbau und Recycling
Germanium ist ein silbriges Halbmetall, das einst an der Bergakademie Freiberg erstmals nachgewiesen wurde. Die Industrie schätzt die gute thermische Leitfähigkeit des Elements, seine Oberflächenhärte, Beanspruchbarkeit und Widerstandsfähigkeit sowie seine Eigenschaften als Halbleiter. Außerdem ist Germanium in dünnen Schichten durchlässig für Infrarotlicht. Eingesetzt wird es zur Herstellung von Glasfaserkabeln, Computerchips, optischen Gläsern, Kunststoffen und Solarzellen. Die Nachfrage ist entsprechend groß. Doch Germanium gehört zu den seltensten Metallen der Welt, auch wenn es vielerorts im Gestein vorkommt, aber in klitzekleinen Anteilen. Gerade einmal 140 Tonnen wurden laut Schätzungen weltweit zuletzt jährlich produziert, davon rund 30 Prozent mittels Recycling. Mindestens zwei Drittel des Marktes deckt alleine China ab. Die EU führt Germanium daher in der Liste »kritischer Rohstoffe« – sie sind wirtschaftlich wichtig, bergen aber ein hohes Versorgungsrisiko.
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Und so schrillten vielerorts die Alarmglocken, als das Handelsministerium in Peking vor wenigen Tagen mitteilte, dass China für Germanium und für Gallium, ein anderes wichtiges Metall, ab dem 1. August Ausfuhrkontrollen einführen werde. Exporteure bräuchten dann eine Lizenz. Damit sollten die strategischen Interessen und die Sicherheit der Volksrepublik gewahrt werden, hieß es aus dem Ministerium. Auch wenn die Behörden später klarstellten, man habe mit den Restriktionen »kein Land im Visier«, werten Beobachter dies als Reaktion auf jüngste Maßnahmen der USA gegen die chinesische Halbleiterindustrie. Washington versucht derzeit zu verhindern, dass China an neueste Technologien für die Chipherstellung gelangt. Allerdings ist ebenfalls möglich, dass die Volksrepublik mit dem Schritt die Rohstoffinteressen der eigenen Industrien sichern möchte.
Das Beispiel Germanium zeigt, dass sich der global wachsende Hunger nach bestimmten Metallen und die sich verändernde Weltlage zunehmend überlagern. Die beschleunigte Energiewende kommt noch hinzu. Das Thema ist wirtschaftlich wie politisch so wichtig geworden, dass die Internationale Energieagentur (IEA) jetzt zum ersten Mal eine Studie zu kritischen Metallen veröffentlicht hat. Demnach hat sich der Markt für Mineralien, die im Antrieb von Elektrofahrzeugen, in Windturbinen, Solarzellen und anderen Schlüsseltechnologien zum Übergang zu sauberer Energie beitragen, in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Von 2017 bis 2022 sei der Energiesektor der Hauptfaktor für die Verdreifachung der Gesamtnachfrage nach Lithium, den Anstieg der Nachfrage nach Kobalt um 70 Prozent und nach Nickel um 40 Prozent gewesen, heißt es in dem am Dienstag in Paris veröffentlichten Bericht.
Der Markt für solche Metalle hat laut IEA im vergangenen Jahr ein Volumen von 320 Milliarden US-Dollar erreicht und wird weiter schnell wachsen, wodurch er zunehmend in den Mittelpunkt der Bergbauindustrie rückt. Diese hat nach Angaben der Unterorganisation des Industrieländerclubs OECD allein 2002 ihre Investitionen in die Entwicklung kritischer Mineralien um 30 Prozent erhöht. Mittlerweile gehören auch Autokonzerne insbesondere in China zu den großen Investoren in Minen und Raffinerien. Man sei »ermutigt durch das rasche Wachstum des Marktes für kritische Mineralien, die für die Erreichung der Energie- und Klimaziele der Welt von entscheidender Bedeutung sind«, sagte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol anlässlich der Vorstellung optimistisch. »Dennoch muss noch viel mehr getan werden, um sicherzustellen, dass die Lieferketten für kritische Mineralien sicher und nachhaltig sind.«
Natürlich ist auch der IEA klar, dass die steigende Nachfrage nicht allein durch den Ausbau der Bergbaukapazitäten gedeckt werden kann und aus Umweltgründen auch nicht darf. »Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien steckt aber noch in den Kinderschuhen«, bemängeln die Autoren des Berichts. Der Großteil der Recyclingkapazitäten befindet sich in China, auch wenn das Unternehmen Redux aus Bremerhaven derzeit weltweit als Nummer eins gilt. Die Volksrepublik plant zudem einen gigantischen Ausbau des Batterierecyclings auf 900 000 Tonnen pro Jahr – das wäre etwa das Doppelte der geplanten Kapazitäten von EU und USA zusammen. Die Dominanz kommt nicht von ungefähr. In China ist die mit Abstand größte E-Auto-Flotte der Welt unterwegs, und sie gleicht einer fahrenden Schatztruhe. Laut IEA werden bis zum Jahr 2030 Batterien mit fast 150 Gigawattstunden das Ende ihres ersten Lebenszyklus erreichen.
Dem Markt allein wollen die IEA-Autoren die Zukunft nicht überlassen. Sie fordern strengere staatliche Vorschriften für den Umgang mit Altbatterien. Auch in der EU ist derzeit ein Gesetz auf dem Weg. Es schreibt vor, dass bis 2030 lediglich 15 Prozent des Jahresverbrauchs kritischer Rohstoffe aus recycelten Quellen stammen sollen.
Die IEA, die einst als Kartell der großen Ölkonsumländer gestartet war und sich mit dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen neu aufstellt, hat vor allem den Markt im Visier. Dieser wird auch verkompliziert durch Unübersichtlichkeit. Begleitend zum Bericht stellte die IEA daher ein Online-Tool vor, das den Nutzern einen einfachen Zugang zu Daten und Prognosen der IEA für kritische Mineralien ermöglichen soll. Hier finden sich aber vor allem die Metalle mit den ganz großen Absatzmengen.
Germanium gehört nicht dazu. Hier ist der Markt so intransparent, dass die Mengen bisher nur geschätzt werden. Das liegt übrigens auch daran, dass ein großer Player keine Angaben zur eigenen Produktion macht: die USA.
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