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Hollywood im Streik: Solidarisch gegen die Kapitalmächte

Hollywoods Drehbuchschreiber sind seit Mai im Ausstand, jetzt streiken auch Schauspieler, was zum größten Arbeitskampf in der US-Filmbranche seit Jahrzehnten führt

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 5 Min.
Hollywoods Arbeitskampf hat reichlich Eskalationspotenzial.
Hollywoods Arbeitskampf hat reichlich Eskalationspotenzial.

Hollywood streikt. Just einen Tag, nachdem der legendäre, über Hollywood thronende Schriftzug, das Markenzeichen der kalifornischen Traumfabrik, 100 Jahre alt wird, legt der größte Streik seit Jahrzehnten die US-Filmindustrie komplett lahm. »Wir hatten keine andere Wahl«, erklärte die Präsidentin der Schauspieler*innen-Gewerkschaft (»Screen Actors Guild-American Federation of Television and Radio Artists«) Fran Drescher am Donnerstag um 12 Uhr mittags bei einer Pressekonferenz in Los Angeles. Kurze Zeit später verließen unter anderem Matt Damon und Emily Blunt im abendlichen London die Weltpremiere des kommende Woche auch in Deutschland anlaufenden neuen Christopher-Nolan-Films »Oppenheimer« mit dem Hinweis, dass sie sich ab sofort im Streik befinden. Dazu gehört auch das Fernbleiben von Premierenfeiern. Auch hierzulande dürfte diese Arbeitsniederlegung etwa im Studio Babelsberg spürbar werden, wohin Hollywood Produktionen ausgelagert hat. Denn jetzt streiken nicht mehr nur 11 500 Drehbuchschreiber*innen, die schon seit über zwei Monaten im Ausstand sind.

Nun legen auch zahlreiche der über 160 000 gewerkschaftlich organisierten Schauspieler*innen ihre Arbeit nieder. Dabei geht es vor allem um den immer prekärer lebenden Mittelstand in der Filmbranche. Nicht wenige, die Scripts schreiben und schauspielern, können kaum Mieten und Versicherungen bezahlen. Aber auch die Frage der Bildnutzung durch KI ist ein heiß diskutiertes Thema. Betroffen vom Streik ist neben dem für die Streaming-Dienste immer wichtiger werdenden Serienbereich, von dem ein Großteil auch in Hollywood und an der amerikanischen Ostküste produziert wird, auch die Talkshow-Branche. Mehr als 97 Prozent der Mitglieder, die abstimmten (das war bei einer ungewöhnlich hohen Beteiligung knapp die Hälfte der gewerkschaftlich organisierten Schauspieler*innen), hatte sich schon Anfang Juni für einen Streik ausgesprochen, sollten die Verhandlungen mit den Studios und Streaming-Konzernen scheitern.

Auch eine bis zuletzt angestrebte Mediation brachte wie zu erwarten keinen Durchbruch. Große Stars wie Jennifer Lawrence und Meryl Streep haben schon im Vorfeld ihre Bereitschaft zum Streik signalisiert. Dabei ist die US-Filmbranche seit Wochen eh schon fast lahmgelegt. So hätte Netflix vergangenen Monat mit den Dreharbeiten für die fünfte und finale Staffel der Kultserie »Stranger Things« beginnen wollen, in der es zum großen Showdown kommt zwischen den finsteren Kräften des Bösen und der zusammengewürfelten Gruppe junger solidarischer Nerds. Aber wegen des bereits zwei Monate anhaltenden Streiks der Drehbuchautor*innen, die in der »Writers Guild of America« organisiert sind, musste diese Produktion wie viele andere verschoben werden. Statt der fiktiven Held*innen kämpfen jetzt Scriptschreiber*innen und seit Neuestem auch Darsteller*innen solidarisch gegen die Kapitalmächte der Filmbranche. Betroffen sind aber auch große Kinoproduktionen wie »Avatar 3«, Marvel und Star Wars.

Damit erlebt Hollywood die größte Arbeitsniederlegung von Beschäftigten seit mehr als sechs Jahrzehnten. Zuletzt gab es so einen Megastreik 1960, als Schauspieler*innen und Drehbuchautor*innen gleichzeitig die Arbeit im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen niederlegten. Vorsitzender der Schauspielergewerkschaft war damals der spätere US-Präsident Ronald Reagan. Der Streik der Drehbuchautor*innen, der bereits seit Anfang Mai läuft, hat bis dato vor allem Serienproduktionen verzögert. Nicht wenige Drehs wurden seit Beginn der Arbeitskämpfe auch aus Solidarität gestoppt, sodass von New York über Atlanta bis Hollywood in zahlreichen Studios gerade kaum mehr etwas geht. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, so etwa die Serie »American Horror Story« von Produzent und Autor Ryan Murphy, die in den Silvercup Studios in Long Island City weitergedreht wird. Dorthin mobilisierte vergangene Woche die Autor*innen-Gewerkschaft und demonstrierte vor den Studios. Im Stil der Serie verkleidete Gewerkschafter*innen hielten Schilder hoch, auf denen »Horror-Löhne« zu lesen stand. Ausnahmen gelten aber für Independent-Produktionen, die nach Rücksprache mit der Gewerkschaft weiterlaufen können.

Neben höheren Gehältern, sozialen Absicherungen und der Frage um die Vergütung von Wiederholungen im Streaming-Bereich, die derzeit geringer ausfällt als im Fernsehen, geht es bei den Verhandlungen der Drehbuchautor*innen mit der Filmindustrie, die durch die »Alliance of Motion Picture and Television Producers« vertreten wird, auch um die Rolle von KI-gesteuerten Schreibprogrammen. Die Autor*innen befürchten, dass die Studios mithilfe von KI aufbauend auf bereits existierenden Werken Drehbücher schreiben lassen. Bei den sechswöchigen Verhandlungen im Frühling blockierten die Studios laut Gewerkschaft an diesem Punkt jegliche Einigung. Bisher ist das KI-gesteuerte Schreiben von Filmscripts weder Praxis noch in dieser Form rechtlich zulässig. Der lange Arbeitskampf, so befürchten manche, könnte dazu führen, dass Studios und Streaming-Konzerne erst recht mit der neuen Technologie experimentieren. Aber auch die Bezahlung vor allem im Streaming-Bereich ist für Autor*innen nicht üppig. Und das in einem Sektor, der enorm boomt. Zwar machen Studios und Streaming-Konzerne durch das konkurrenzbedingte Überangebot an Serien mitunter massive Verluste, aber dass dann ausgerechnet am Gehalt eher mäßig verdienender Autor*innen und Schauspieler*innen gespart wird, ist für viele nicht nachvollziehbar.

Laut Gewerkschaft ging die Bezahlung der Autor*innen in den vergangenen zehn Jahren bei steigender Inflation um vier Prozent zurück. Nur etwa die Hälfte der ausgehandelten Honorare liegt über dem Mindestsatz, den die Gewerkschaft zuletzt vor zwei Jahren ausgehandelt hatte. Früher waren das deutlich mehr. Etwa 430 Millionen Dollar Mehrkosten würde die Umsetzung dieser Forderungen der Autor*innen für die Filmindustrie kosten, so Schätzungen. Angesichts von millionenschweren Produktionsbudgets und sagenhaften Gehältern für die CEOs, wirkt das fast moderat. Einen mächtigen Dämpfer erhielt der Autor*innenstreik vor einigen Wochen, als die »Schwester-Gewerkschaft« der Regisseur*innen, die »Directors Guild of America« ihren Vertrag mit der Filmindustrie aushandelte. Nun zeigt sich durch den Streik der Schauspieler*innen, dass dieses »Teile und herrsche«-Prinzip der Filmbosse nicht weiter funktioniert. Auf dem heimischen Bildschirm und im Kino dürfte das spätestens im Herbst sichtbar werden. Das aus der Filmbranche berichtende Online-Nachrichten-Portal »Deadline« meldete vor einigen Tagen, dass Insider aus dem Umfeld der Arbeitgeberseite davon ausgehen, dass die Studiobosse den Streik der Autor*innen bis Oktober aussitzen und so die Gewerkschaft dauerhaft schwächen wollen. Ob diese Strategie mit dem jetzt begonnenen Streik der Schauspieler*innen aufgeht, bleibt abzuwarten. Fürs Erste werden jetzt Drehbuchschreiber*innen und Darsteller*innen gemeinsam auf die Straße gehen und als Streikposten den letzten Studiobetrieb in den USA – und nicht nur dort – lahmlegen. Hollywoods Arbeitskampf hat reichlich Eskalationspotenzial.

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