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Infokanal der Apokalypse
Sheila Mysorekar gibt Tipps für eine angemessene Berichterstattung in Zeiten der Klimakrise
In einem Strategiemeeting neulich wurden wir gefragt: »Wo seht ihr unser Team in zehn Jahren – werden wir eine große Jubiläumsfeier in Berlin abhalten?« »Ich glaube kaum«, antwortete jemand, »weil es dann in Berlin kein Wasser mehr gibt.« Betretene Gesichter, betretenes Schweigen.
Die Anwesenden waren Journalist*innen, also Leute, die durchaus Zugang zu Informationen über die drohende Klimakatastrophe haben. Aber wie viele in der Medienbranche, in der Politik und überhaupt die meisten Menschen landauf, landab ziehen wir es vor, uns mit zweitrangigen Themen zu beschäftigen. Dabei müssten wir dringend unser Publikum darauf vorbereiten, was alles auf uns zukommt.
Außer rechtsgerichteten Prepper-Magazinen scheint die deutsche Medienlandschaft den Klimawandel und die daraus folgende drastische Veränderung des sozialen Gefüges jedoch mehrheitlich zu ignorieren. In diesen Tagen, mit extremer Hitze in Europa und Überflutungen in Asien, lauten die Schlagzeilen »Jahrhundert-Hitze« oder ähnlich. Das heißt: Es wird weiterhin suggeriert, dass die derzeitigen Wetterereignisse ein seltener Ausreißer sind – und nicht das, was bald unser Alltag sein wird.
Meteorolog*innen wie Özden Terli im ZDF bauen regelmäßig Statistiken über schmelzendes Arktis-Eis in den abendlichen Wetterbericht ein; Klimaforscher*innen wie Stefan Rahmstorf schreiben alarmierende Artikel auf Wissenschaftsseiten der »Zeit«; aber in allen anderen Rubriken taucht das Thema kaum auf. Dabei würden wir alle davon profitieren.
Hier ein paar konstruktive Vorschläge, zum Beispiel für die Zeitschrift »Haus & Garten«: Hitzeresistente Nahrungspflanzen vorstellen, die man auf dem Balkon anbauen kann, falls die Lieferketten zusammenbrechen. Oder ganz neue Kochrezepte bei »Grill den Henssler« auf VOX, die damit beginnen, dass die Kochshow-Promis ein Tier auf freier Wildbahn jagen, erlegen und häuten müssen, bevor sie es grillen. Da könnte auch die »Sportschau« etwas Nützliches beisteuern: Schluss mit all dem Fußball, dafür aber Speerwerfen – und zwar auf ein bewegliches Ziel. Mit vier Beinen.
Sheila Mysorekar ist Vorsitzende der Neuen Deutschen Organisationen, einem Netzwerk postmigrantischer Organisationen.
Die Sendung »Expeditionen ins Tierreich« könnte uns schon mal vorbeugend beibringen, welche – tja, wie soll ich es nennen – unorthodoxe Nahrungsquellen es notfalls für uns gäbe: Dackel ja, Igel auch, aber Feuersalamander nicht, die sind nämlich giftig. Die Meerschweinchen der Kinder sind hingegen essbar.
Für Modezeitschriften eröffnet sich mit Klimakatastrophen-Specials eine ganz neue Produktpalette: »Brigitte« zeigt uns, wie wir Klamotten aus alten Autositzbezügen zusammenheften, denn Autos hat dann keiner mehr. »Vogue« präsentiert den neuen Survival-Chic-Look, diesmal Sonnenhüte aus recycelten Asbestplatten: »Bleiben Sie cool bei 50 Grad plus!«
Ich persönlich beschäftige mich auch lieber mit schöneren Dingen als Überlebensstrategien auf einem brennenden Planeten. Aber Medien – zumindest die Öffentlich-Rechtlichen – sollten ihrem Publikum solche Informationen zugänglich machen, die wirklich nützlich für sie sind. Und das sind heutzutage jegliche Strategien, um die Klimakatastrophe aufzuhalten oder zumindest die Chancen für die Menschheit zu erhöhen, mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Nicht nur mit Extremwetter, sondern auch mit dem nachfolgenden Zusammenbruch unserer Gesellschaften.
Das bedeutet: Medien müssen den Menschen nachdrücklich und immer wieder erklären, warum es notwendig ist, andere Energiequellen als Öl und Gas zu nutzen. Warum es eine ausgezeichnete Idee ist, ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Warum wir lieber Fahrrad fahren oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen sollten anstatt Auto oder Flugzeug. Warum es die Erde schützt, wenn wir alle weniger Fleisch essen. Und zwar als Schlagzeile jeder Zeitung und Aufmacher jeder Sendung.
Wenn wir das nicht machen, werden wir bald eine ganz andere Art von Informationen brauchen: Life-Hack-Videos, wie man einen Brunnen gräbt. Die Apothekerzeitschrift mit Anleitung zur Do-it-yourself-Blinddarm-Operation. Reisemagazine über die besten Fluchtrouten – und zwar raus aus Europa. Wir im sicheren und satten Deutschland werden uns noch wundern, wie schnell sich die Lage ändern kann.
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