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FSV Zwickau: Wenn Fans den Fußball retten
Der Ostklub kann nur dank seiner Anhängerschaft auf das Überleben in der Regionalliga hoffen
Sehr selten ist es, dass ein Fußballverein zusammen mit seiner Fanszene eine Pressekonferenz organisiert. Das ist beim FSV Zwickau nicht anders, wo das Verhältnis zwischen Offiziellen und aktiver Anhängerschaft bemerkenswert gut ist. Doch vor einigen Tagen war es so weit, als Finanzvorstand André Beuchold zusammen mit zwei Fans, darunter der Vorsänger der Ultras, die Aktion vorstellte, mit der der Drittliga-Absteiger sein Überleben sichern will: 500 000 Euro sollen an Spenden zusammenkommen, damit der Verein wenigstens in der vierten Liga weiterspielen kann. Ansonsten, so heißt es, drohe die Streichung aus dem Vereinsregister. Die Resonanz ist nach nicht einmal zwei Wochen erstaunlich: Fast 200 000 Euro sind bereits zusammengekommen, über 2800 Menschen haben gespendet.
Damit ist die Strategie der Initiatoren aufgegangen, überregional zu mobilisieren und die finanzielle Misere zum Anlass zu nehmen, dem Profifußball mit dem über Sachsen hinausweisenden Motto »Fußball gehört den Fans« den Spiegel vorzuhalten. »Wir wollen nicht bestraft werden für ein Scheißsystem, das in der dritten Liga und im Fußball allgemein vorherrscht«, sagt Matthias Bley aus der aktiven Fanszene in dem zweiminütigen Trailer. »Das Problem sind die Strukturen, das System. Wir Fans sind die Lösung, wir sind nicht das Problem.« Es gehe um »eure Unterstützung für einen ehrlichen, nachhaltigen Fußball ohne Investoren. In Zwickau und überall.« Man erhofft sich ein Signal, »dass eine solidarische Fußballgemeinschaft von der Basis stärker als jeder Investor ist.«
Zum Hintergrund: Weitgehend unbemerkt von der überregionalen Öffentlichkeit wollte auch in Zwickau ein Investor die Vereinsgeschicke übernehmen. Doch schon nach dem ersten wechselseitigen Abtasten war wohl klar, dass das Investorenlager einen Stil- und Kulturbruch vollführen würde, der Geschäftsstellenmitarbeiter und altgediente Spieler gleichermaßen brüskierte. Die Absage, das war offenbar allen im Verein klar, war unumgänglich, wenn man sich auch künftig noch in die Augen schauen wollte.
Der Investor war also wieder weg, bevor er richtig da war. Einen Plan zur Abwendung der Pleite gab es aber auch nicht. Also setzten sich Verein und Fans zusammen und riefen die Crowdfunding-Aktion ins Leben, die auch auf die Strukturen eines Geschäftes aufmerksam machen soll, in dessen erster Liga so gut wie jeder Ersatzspieler mehr verdient, als Zwickau zum Überleben braucht – beim FC Bayern sogar im Monat. »Die dritte Liga war und ist wirtschaftlich aus eigener Kraft für unseren Verein nicht zu stemmen«, heißt es dann auch im Aufruf. »Wir haben es mit ehrlicher Arbeit versucht – aber sind gescheitert. Vor allem gegen finanzstarke Konkurrenz, ehemalige Bundesligisten und Vereine aus wirtschafts- und strukturstarken Regionen. Selbst eine stete, demütige Kaderplanung reichte nicht aus, um nach den sieben Jahren nur mit geringen Schulden dazustehen.«
Es ist ein bitteres, aber wohl realistisches Fazit, das die Organisatoren für ihren Verein ziehen, der versucht, in einer strukturschwachen Region den Kopf über Wasser zu halten. Und es weist in der Tat über Zwickau hinaus, schließlich sehen sich in den Ligen drei bis fünf dutzende Traditionsvereine und ehemalige Erst- und Zweitligisten damit konfrontiert, dass sie aus eigener Kraft nicht mehr aufsteigen können, weil die Wirtschaftskraft in ihrer Region das nicht hergibt. Viele von ihnen stehen dann vor der Alternative, sich entweder mal mehr, mal weniger dubiosen Geldgebern auszuliefern oder dauerhaft im Unterbau zu bleiben. Bestes Beispiel ist der KFC Uerdingen, den die Fanszene nun wieder in der fünftklassigen Oberliga etabliert, nachdem diverse Investoren, die den Aufstieg in die Bundesliga versprachen, einen Scherbenhaufen nebst Schulden hinterlassen haben.
Ein solches Schicksal bleibt den Sachsen erspart – nicht zuletzt weil es zur Vereinskultur gehört, dass Fans und Verein in essenziellen Fragen gemeinsam nach Lösungen suchen. Seit der Insolvenz 2010 sind sie zusammengerückt, in Lutz Teichmann ist ein aktiver Fußballfan seit Jahren Mitglied des Vorstands, Bley ist zudem seit kurzem kooptierter Aufsichtsrat.
Dass die 100-jährige Geschichte des Vereins erforscht und dokumentiert gehört, war – wie bei so vielen Vereinen – auch auf der Zwickauer Geschäftsstelle nicht jedem klar, der bei Werbeveranstaltungen gerne den eigenen »Traditionsverein« lobte: In mühevoller Kleinarbeit bauten die Fans ein »Legendeneck« am Stadion, an dem verdienstvolle Spieler und Trainer der vergangenen Jahrzehnte gewürdigt werden. Ebenfalls in Eigenregie entstand ein Vereinsheim mit kleinem Museum und Bar in der Zwickauer Innenstadt, in der bis dahin außer Graffiti und Aufklebern nicht viel auf das sportliche Aushängeschild der 90 000-Einwohnerstadt hingewiesen hatte.
Für das Vereinsleben hat das Zusammenrücken nur positive Folgen: Auch nach dem Abstieg im Mai gingen Spieler und Fans friedlich auseinander. Beschimpfungen der Spieler, wie sie ansonsten fast schon Alltag sind, blieben aus. Viele Vereine gibt es nicht, die ohne eigenes Zutun abgestiegen wären. Doch gravierende Managementfehler kann man den Westsachsen in ihrer siebenjährigen Drittligageschichte nicht vorwerfen. Teure Stars wurden nicht verpflichtet, die Gehälter waren der Spielklasse angemessen. Auch an Trainer Joe Enochs hielt man branchenunüblich lange fest. Dass er dann doch noch kurz vor Saisonende gefeuert wurde, mag eine Verzweiflungstat gewesen sein. Doch den Vorwurf, voreilig die Reißleine gezogen zu haben, müssen sich die Zwickauer Verantwortlichen nach Enochs langer Amtszeit von fünf Jahren nicht machen.
Folgerichtig geht es künftig um Konsolidierung und etwas, das vielen Fans (noch) wichtiger ist als Tabellenplätze und Ligazugehörigkeit: das Gefühl, dass ihr Verein auch noch ihr Verein ist: Über 1000 Dauerkarten hat der FSV bereits für die kommende Saison verkauft, in den kommenden Tagen sollen weitere Prominente, Bands und Vereine präsentiert werden, die »Fußball gehört den Fans« unterstützen. Den Anfang macht – wie könnte es anders sein – der Verein Dynamo Dresden, dessen Ultraszene mit der Zwickauer seit über 20 Jahren befreundet ist. Das Motto für das Benefizspiel an diesem Sonnabend musste nicht lange gesucht werden: »Eene Bande«.
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