• Politik
  • Angebliche Clankriminalität

Verfolgung mithilfe des Nachnamens

Die Behauptung von »Clankriminalität« belegt die Notwendigkeit kritischer Forschung

  • Louisa Zech
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Politik lässt sich mit angeblicher »Clankriminalität« bestens Wahlkampf betreiben. Auch bestimmte Medien berichten in martialischer Sprache etwa vom »Schlag gegen die Schattenwelt der Clans« und Großrazzien in von Migrant*innen betrieben Gastronomiebetrieben. Jedoch handelt es sich bei dem beschriebenen Phänomen zunächst um eine bestimmte Form der Erfassung von Straftaten in polizeilichen Lagebildern, die von den Landeskriminalämtern sowie vom Bundeskriminalamt erstellt werden.

Die Erfassung erfolgte bis zum Jahr 2022 nicht einheitlich. In der seitdem geltenden Definition werden unter Clans »informelle soziale Organisationen« verstanden, »die durch ein gemeinsames Abstammungsverständnis ihrer Angehörigen bestimmt« sind. »Clankriminalität« gilt demnach als »delinquentes Verhalten von Clanangehörigen«, wobei die Clanzugehörigkeit »eine verbindende, die Tatbegehung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente« darstellt.

Zentraler Aspekt der Erfassung und Verfolgung von »Clankriminalität« ist somit die ethnische Herkunft der betroffenen Personen und eine darauf basierende unterstellte Zugehörigkeit zu organisierten, kriminellen Familienstrukturen. In vielen Bundesländern erfolgt eine solche Zuordnung über den Nachnamen.

Die polizeilichen Lagebilder erfassen dabei nicht nur schwere Delikte bzw. Delikte, die dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugeordnet werden können, sondern auch Bagatelldelikte, die in jeder Gesellschaft massenhaft begangen werden und meist Ordnungswidrigkeiten darstellen. Verfolgt werden außerdem Verhaltensweisen, die als »unerwünscht« bzw. »verdächtig« gelten.

Über eine bestimmte Kategorisierung zur Erfassung von Straftaten in Lagebildern hinaus eröffnet der Phänomenbereich »Clankriminalität« eine Reihe von polizeilichen Maßnahmen und behördenübergreifenden Strategien. Diese äußern sich insbesondere in sogenannten Verbundeinsätzen, bei denen etwa Gewerbekontrollen mit polizeilichem Großaufgebot in Shisha-Bars, Cafés, Kiosken oder ähnlichen Etablissements durchgeführt werden.

Die Erfassung von »Clankriminalität« und die Verfolgung durch die Verbundeinsätze führen zu einer Stigmatisierung und damit einhergehenden Diskriminierung der betroffenen Personen. So sind Menschen mit einschlägigen Nachnamen, unabhängig von der individuellen strafrechtlichen Vorbelastung, stärkeren Repressionen sowie aggressiveren Vorgehensweisen bei Polizeikontrollen ausgesetzt.

Groß angelegte Einsätze mit Mannschaftswagen und schwerer Bewaffnung suggerieren einen Zusammenhang mit schwerer Kriminalität, obwohl sich deren »Ergebnisse« oft im Bagatellbereich bewegen. Dies schädigt nicht nur den Ruf, sondern vertreibt auch Gäste der betroffenen Lokale. Aufgrund von Lappalien werden Geschäfte, Läden und Restaurants oftmals auch über einen längeren Zeitraum geschlossen. Damit geht die systematische Verdrängung migrantischer Gemeinschaften in bestimmten Stadtteilen einher.

Die beschriebene Kriminalisierung ist typisch für eine Kriminalpolitik, die allgemeine gesellschaftliche Problemlagen mit strafrechtlichen und polizeilichen Mitteln bearbeiten will, statt auf gesellschaftliche Inklusion zu setzen, Zugänge zu Bildung und Arbeitsmarkt zu schaffen sowie Menschen gesicherte Lebensumstände und Perspektiven zu bieten. Kriminalität wird stattdessen auf vermeintliche »Parallelgesellschaften« projiziert, etwa indem diesen familiär-patriarchale Strukturen nachgesagt werden. Dabei werden durch die vorurteilsbehaftete Zuschreibung zu einer muslimischen Minderheit die patriarchalen Strukturen der Mehrheitsgesellschaft nicht mehr hinterfragt.

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