Unis in Berlin: Kein Lohn für exzellente Lehre

Auch Monate nach Vorlesungsbeginn keine Arbeitsverträge für studentische Tutoren

Sie waren ein zentrales Element der Bewerbung der Berliner Universitäten für den Exzellenzstatus: Die sogenannten X-Tutorien. Mit ihnen sollen Studierende Seminare zu eigenen Forschungsprojekten abhalten können. Nachdem die Exzellenzinitiative immer wieder dafür in Kritik stand, die Lehre an den Hochschulen gegenüber der Forschung zu benachteiligen, sollte so eine Möglichkeit für Studierende geschaffen werden, an dem prestigeträchtigen Spitzenförderungsprogramm teilzuhaben. Die Studierenden sollten Erfahrungen in eigenständiger Forschung und Lehre sammeln können und dafür auch bezahlt werden.

So zumindest die Theorie. In der Realität sind die X-Tutorien von administrativen Problemen geplagt, die inzwischen das gesamte Konzept infrage stellen. So müssen die studentischen Tutoren nicht selten monatelang auf den Lohn für ihre Tätigkeit warten. Das geht aus einem offenen Brief hervor. Mit diesem wenden sich die Tutoren an die Hochschulleitungen und die Berlin University Alliance, das institutionelle Gerüst des Berliner Exzellenzzusammenschlusses. Zunächst hatte die »Taz« berichtet.

Für viele der X-Tutorien wurde für das Sommersemester noch kein Arbeitsvertrag ausgestellt und entsprechend noch kein Lohn gezahlt – obwohl die Vorlesungszeit bereits vorbei ist und die Tutorien schon gehalten wurden. Die Zusage für die genehmigten Tutorien sei bereits im Januar getroffen worden, doch seitdem sei man bezüglich der Verträge immer wieder vertröstet worden, berichten die Tutoren.

Zwar können die Nachwuchsdozenten mit einer Nachzahlung für die vergangenen Monate rechnen, doch für Studierende mit begrenzten finanziellen Mitteln ist das nur ein schwacher Trost. Teilweise hängen auch Aufenthaltsgenehmigungen und Visa an dem Arbeitsvertrag, berichtet die »Taz«.

»Wir sind nicht mehr gewillt, den aktuellen Zustand zu ertragen«, heißt es in dem offenen Brief. Für die Tutoren besonders ärgerlich: Der verzögerte Vertragsabschluss hat Tradition. Schon in den vergangenen Semestern ist es zu teils monatelangen Hängepartien gekommen.

»Es gibt so gut wie keine Infos«, berichtet eine Tutorin. Weil sie arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchtet, möchte sie nicht namentlich genannt werden. »Alle sagen immer nur, dass es ihnen sehr leid tut, aber es bewegt sich nichts.« Nachdem ihr Projekt genehmigt wurde, wollte die TU möglichst schnell ihre Unterlagen, damit der Einstellungsprozess beginnen kann. Doch danach passierte wenig: »Es hieß erst Mai, dann Juni, dann Juli«, sagt sie. Für sie selbst habe wegen der verzögerten Lohnauszahlung nur ein Urlaub ausfallen müssen, doch andere bringe die Situation an die finanzielle Grenze. »Ich kenne Menschen, die Schulden machen mussten, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können.«

Von der Reaktion der Unis ist sie enttäuscht. So habe TU-Präsidentin Geraldine Rauch in einer Stellungnahme angegeben, erst vor Kurzem von der Situation erfahren zu haben und nur unspezifisch eine schnelle Lösung versprochen. »Die Leitungen der anderen Unis ziehen sich komplett raus«, sagt die Tutorin.

Bei den betroffenen Tutoren wächst der Frust weiter. Manche würden inzwischen schon neue Jobs suchen, berichtet eine Tutorin gegenüber »nd«. Bei den anderen Universitätsmitgliedern stößt ihr Protest nicht nur auf Verständnis. »Manche wissenschaftliche Mitarbeiter sagen, dass wir uns ja schon mal daran gewöhnen können, dass es in der Wissenschaft nicht ungewöhnlich ist, dass man monatelang kein Geld bekommt.«

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