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Angehörige von »Clans«: Abschiebung auch ohne Straftat
Bundesinnenministerium will vermeintliche Angehörige von »Clans« kollektiv bestrafen
Das SPD-geführte Bundesinnenministerium (BMI) schlägt vor, Ausweisungen von Ausländern auch wegen einer nur vermuteten Zugehörigkeit zu kriminellen Vereinigungen vornehmen zu können. Dies soll auch dann möglich sein, wenn die Betroffenen keine Straftaten begangen haben. So steht es in dem »Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung«, den das BMI vergangene Woche veröffentlicht hat.
Der Passus des Ministeriums von Nancy Faeser zielt auf Menschen, die »Gemeinschaften der Organisierten Kriminalität« angehören oder angehört haben. Eine Sprecherin hat der »Süddeutschen Zeitung« bestätigt, dass dies auf »kriminelle Clans« gemünzt ist. Die Initiative dazu sei von einigen Bundesländern gekommen und vom BMI übernommen worden. Nun solle »eingehend mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden erörtert« werden, ob ein solches Gesetz überhaupt »verhältnismäßig« sei.
Mit der Initiative würde eine Regelung aus der Terrorismusbekämpfung für den Bereich der Schwerkriminalität übernommen. Laut dem Aufenthaltsgesetz können etwa Ausländer, die einem Verein angehören, der terroristische Gruppen unterstützt, ausgewiesen werden.
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Allerdings ist unklar, wie eine solche Zugehörigkeit zu »Clankriminalität« festgestellt werden soll und ob hierfür Gerichte zuständig wären. Eine letztes Jahr abgestimmte, bundesweit übernommene Definition beschreibt einen »Clan« als »informelle soziale Organisation, die durch ein gemeinsames Abstammungsverständnis ihrer Angehörigen bestimmt ist«.
Fraglich ist außerdem, für wen die Regelungen gelten sollen. Einige der als »Clans« bezeichneten Familien erhielten vor Jahrzehnten eine Duldung als staatenlose Ausländer. Für deren geforderte Abschiebung gibt es also kein Zielland.
Unter dem Deckmantel einer Bekämpfung von »Clankriminalität« werden Menschen schon jetzt allein aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit besonders verfolgt. Behörden setzen dies häufig in »Verbundeinsätzen« von Polizei, Ordnungsamt und Zoll um. Razzien erfolgen in Cafés, Shisha-Bars, Friseurläden oder Wettbüros. Meist werden dabei nur Bagatelldelikte geahndet, die keinen Bezug zur organisierten Kriminalität haben. Für die Besitzer bedeutet dies neben der Stigmatisierung auch finanzielle Einbußen.
Der »Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rückführung« beruht auf einem Bund-Länder-Treffen im Mai, bei dem die Innenministerien weitere Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht verabredet haben. Das BMI schlägt zudem vor, den Gewahrsam für Menschen in Abschiebehaft auf 28 Tage zu verlängern. In Asylunterkünften soll zudem das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung außer Kraft gesetzt werden. Damit sollen polizeiliche Durchsuchungen der gesamten Einrichtung auf der Suche nach Abzuschiebenden erleichtert werden.
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