Solidarität mit Streikenden in Gräfenhausen

SPD-Politiker und ein Bischof fordern besseren Schutz von Osteuropäern

Zahlreiche Lkws der polnischen Spedition Mazur streiken an der Raststätte Gräfenhausen.
Zahlreiche Lkws der polnischen Spedition Mazur streiken an der Raststätte Gräfenhausen.

Udo Bullmann, SPD-Europaabgeordneter, war am Freitag zum zweiten Mal zu Besuch bei den streikenden Lkw-Fahrern an der Autobahnraststätte Gräfenhausen im Süden Hessens. Vor Ort tauschten der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europaparlaments und Gewerkschaftsvertreter sich mit den rund 150 Streikenden über ihre Situation aus. Die Fahrer, die vor allem aus Zentralasien stammen, sind bereits zum zweiten Mal in den Ausstand getreten, weil die polnische Spedition Mazur die Auszahlung ihres Lohns seit Monaten verweigert.

Bullmann erklärte am Freitag: »Die Fahrer setzen mit ihrem zweiten Streik erneut ein deutliches und klares Zeichen in Richtung ihrer Arbeit- und Auftraggeber. Ihr Arbeitskampf ist wichtig und findet meine volle Unterstützung. Es ist nicht hinnehmbar, dass auf deutschen Autobahnen Lkw-Fahrer unterwegs sind, die monatelang keinen Lohn erhalten und teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen.« Das Europäische Parlament (EP) habe bereits deutlich gemacht, dass man solidarisch an der Seite der Fahrer stehe.

Bullmann findet, es sei »höchste Zeit, dass auf europäischer wie auf nationaler Ebene Gesetze geschärft und entschiedener umgesetzt werden, um faire Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe zu gewährleisten. Das EP habe am 1. Juni eine »klare Verhandlungsposition für ein starkes und durchschlagskräftiges Europäisches Lieferkettengesetz beschlossen«. Der Vorschlag enthalte »wichtige Ziele, die auch im Falle der hier betroffenen Lkw-Fahrer für konkrete Verbesserungen sorgen würden«. Unternehmen müssten demnach Sorgfaltspflichten in ihre Geschäftsprozesse einbeziehen und präventive Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten auszuschließen.

Der Richtlinienentwurf sieht Maßnahmen vor, die von Strafzahlungen in Höhe von bis zu fünf Prozent des globalen Umsatzes bis zum Ausschluss der Unternehmen aus dem EU-Markt reichen. Bullmann erwartet, dass die Vorschläge vom Europarat und der EU-Kommission unterstützt werden.

Die bestehenden Richtlinien müssten von den Mitgliedsstaaten konsequent umgesetzt und deren Einhaltung überwacht werden, fordert Bullmann. Dazu gehörten »engmaschige Kontrollen von Lenk- und Ruhezeiten« und die »Sicherstellung menschenwürdiger Mindestlöhne«.

Moralische Unterstützung für die Streikenden kam am Wochenende auch von der Berliner Sozial-Staatssekretärin Micha Klapp (SPD) und vom Berliner Erzbischof Heiner Koch. Klapp forderte mehr Aufmerksamkeit für die Arbeitsverhältnisse im grenzüberschreitenden Güterverkehr. Sie verwies dazu auf die jüngste Beschlussfassung der Arbeits- und Sozialministerkonferenz. Die Bundesregierung müsse mit den Ländern Lösungsansätze entwickeln, wie die Arbeitsbedingungen und Kontrollen auf nationaler und europäischer Ebene verbessert werden könnten.

Erzbischof Koch bezeichnete die anständige und pünktliche Bezahlung der Fernfahrer als eine Frage der Moral und der Menschenwürde. Diese Menschen säßen »für uns Tag für Tag über viele Stunden hinter dem Lenkrad, übernachteten auf lauten, oft überfüllten Rastplätzen und seien lange Zeit von ihren Familien getrennt«, so Koch. Koch ist zuständig für das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis. Er betonte, es könne nicht angehen, dass Firmen Gewinne damit machen, Menschen auszubeuten, auszunutzen und um ihren gerechten Lohn zu bringen. »Wir müssen in Deutschland alles unternehmen, damit die Lkw-Fahrer bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung bekommen«, forderte er. »Diese Regelungen müssen europaweit gelten und auch durchgesetzt werden.«

Die Spedition hat unterdessen Anzeige erstattet und betont, die Fahrer seien keine Arbeitnehmer, sondern Auftragnehmer. Bereits im April hatten etwa 60 Trucker derselben Spedition gestreikt, um ihre Forderungen durchzusetzen – mit Erfolg. Aktuell bemühen sich Gewerkschafter um einen alternativen Streikstandort mit besseren hygienischen Bedingungen als in Gräfenhausen.

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