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Rohstoffe bleiben im Boden
Erfolgreiche Referenden in Ecuador für Stopp der Ölförderung und des Bergbaus in Schutzgebieten
Das Öl unter dem Yasuní-Nationalpark in Ecuador muss im Boden bleiben. Dafür stimmten knapp 60 Prozent der Wähler*innen bei einem landesweiten Referendum, das am vergangenen Sonntag parallel zu den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen in dem südamerikanischen Land stattfand. Die Wahlbeteiligung lag bei 82 Prozent.
Das Abstimmungsergebnis des Referendums ist bindend. Die staatliche Ölgesellschaft Petroecuador muss nun die Erdölförderung in dem Gebiet im Amazonas-Regenwald stoppen, alle Bohrlöcher schließen und die gesamte Ölinfrastruktur abbauen und entfernen. Dafür hat sie ein Jahr Zeit.
Umweltschützer*innen sprachen nach Bekanntwerden des Ergebnisses von einer »historischen Abstimmung« und einem »großen Sieg«. Kevin Koenig von der Organisation Amazon Watch sagte: »Die Ecuadorianer haben eine eindeutige Botschaft an die Welt gesendet: Der Amazonaswald, die Rechte der Indigenen, die biologische Vielfalt und unser Klima sind wichtiger als Öl.«
Der Yasuní-Nationalpark – mit einer Fläche von 10 227 Quadratkilometern und einer Kernfläche von rund 5000 Quadratkilometern der größte seiner Art in Ecuador – wurde zusammen mit einem angrenzenden Indigenenreservat 1989 von der Unesco zum Biosphärenreservat erklärt. Gelegen zwischen den Flüssen Napo und Curaray und benannt nach dem dort verlaufenden Rio Yasuní, zählt das Feuchtwaldgebiet zu den Orten mit der größten Artenvielfalt. Bei insgesamt 2274 Baum- und Buscharten finden sich hier auf einem einzigen Hektar 644 identifizierte Arten – ein Weltrekord. Das sind mehr als alle einheimischen Baumarten Nordamerikas zusammen.
Auch deshalb war die Rohölforderung, die im Amazonasgebiet Ecuadors bereits 1967 begann, von Anfang an umstritten. Dennoch sind aktuell in dem Ölfeld Ishpingo-Tambococha-Tiputini (ITT) mehr als 200 Bohrlöcher aktiv, weitere 500 waren bisher geplant. Rund 55 000 Barrel Rohöl werden dort aktuell pro Tag gefördert, etwa 12 Prozent der Ölproduktion Ecuadors.
Das Fördergebiet erlangte ab dem Jahr 2007 internationale Aufmerksamkeit durch den Versuch, den Energierohstoff unter dem Nationalpark im Boden zu halten. Alberto Acosta, Energieminister der damals neu gewählten linken Regierung unter Präsident Rafael Correa, startete die Yasuní-ITT-Initiative: Ecuador bot den reichen Ländern an, auf Ölbohrungen zu verzichten, wenn diese für die Hälfte des geschätzten Exportwerts aufkommen. Die Initiative wurde als Pilotprojekt angesehen, das in möglichst vielen von Rohstoffeinnahmen abhängigen Ländern des Globalen Südens Nachahmer finden könnte.
Seinerzeit wurde ein Fonds eingerichtet, doch die veranschlagte Summe von 3,6 Milliarden US-Dollar kam nicht annähernd zusammen. Und so scheiterte der innovative Kompensations-Deal am Unwillen der Industriestaaten. Präsident Correa beendete 2013 die Initiative und gab grünes Licht für die Ölförderung in dem 2000 Hektar großen ITT-Ölfeld im Yasuní-Park, im sogenannten Block 43.
Zivilgesellschaftliche Gruppen im Land wollten sich damit nicht zufriedengeben und starteten im selben Jahr eine Kampagne für eine Volksabstimmung für ein Verbot der Ölförderung. In kurzer Zeit sammelten sie die dafür erforderliche Anzahl an Unterschriften. Doch das Referendum wurde immer wieder aufgeschoben – bis das Verfassungsgericht Ecuadors im vergangenen Mai entschied, dass die Abstimmung stattfinden muss.
Im Vorfeld des Referendums trugen Vertreter*innen von Wirtschaft und Politik die üblichen Argumente vor: Ein Ja zum Ölstopp werde zum Verlust von staatlichen Einnahmen, Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum führen. Zudem sei die Frist, binnen eines Jahres die Ölinfrastruktur abzubauen, zu knapp bemessen und werde zu hohen Kosten führen. Befürworter*innen des Förderstopps hielten dagegen, der Rückgang der Öleinnahmen ließe sich durch eine Vermögensteuer sowie ein schärferes Vorgehen gegen Steuerhinterziehung problemlos ausgleichen. Diese Argumente zogen bei einer Mehrheit der Wähler*innen.
Auch ein zweites Referendum am gleichen Tag in der Metropolregion Quito ergab eine deutliche Mehrheit für mehr Umweltschutz. Knapp 70 Prozent der Bürger*innen stimmten dafür, den Abbau von Gold und Kupfer im Hochlandbiosphärenseservat Chocó Andino zu beenden. Das Schutzgebiet mit andinen Nebelwäldern, sauberen Flüssen und zahlreichen gefährdeten Arten wie Pumas und Brillenbären liegt nur 90 Minuten nördlich des Zentrums der ecuadorianischen Hauptstadt. Anwohner*innen, die meist von Landwirtschaft und Viehzucht leben, klagen seit Langem, dass die Bergbautätigkeiten die lokalen Ökosysteme, Wasserkreisläufe und Böden massiv belasten. Wie in Yasuní soll auch hier künftig Umweltschutz vor wirtschaftlichen Interessen stehen.
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