»Wagenknechts Vorwürfe sind Legenden«

Linke-Bundesgeschäftsführer Tobias Bank meint, dass nicht viele Mitglieder einer abgespaltenen Partei folgen würden

Die Linke werde den EU-Wahlkampf als internationalistische Friedenspartei bestreiten, sagt Bundesgeschäftsführer Tobias Bank – auch in Abgrenzung zu einer Wagenknecht-Partei.
Die Linke werde den EU-Wahlkampf als internationalistische Friedenspartei bestreiten, sagt Bundesgeschäftsführer Tobias Bank – auch in Abgrenzung zu einer Wagenknecht-Partei.

Nein, einen Parteikonvent der Linken wird es nicht geben. Jedenfalls nicht bis zur Klausur der Bundestagsfraktion nächste Woche, wie es der Abgeordnete Sören Pellmann vorgeschlagen und wie es die Parteivorsitzende Janine Wissler zunächst aufgegriffen hatte. Die Zeit, so etwas seriös zu organisieren, sei bis Ende August einfach zu kurz, sagt Linke-Bundesgeschäftsführer Tobias Bank dem »nd«. Pellmann hatte einen Konvent, der in keinem Regelwerk beschrieben ist, ins Spiel gebracht, nachdem Fraktionschef Dietmar Bartsch mit seinem Rückzug die Diskussion über die Zukunft von Fraktion und Partei angefacht hatte.

»Es wird ein Angebot geben, aber später und gut vorbereitet. Über die genaue Form, den Inhalt und das Ziel müssen wir noch diskutieren«, sagt Bank und verweist darauf, dass Die Linke fünf Regionalkonferenzen hinter sich hat, »die gut besucht waren und auf denen sich jedes Mitglied, jeder Funktionär einbringen konnte«. Und er erinnert daran, dass der Vorschlag eines Sonderparteitags, der klären solle, wofür Die Linke steht, »von fast allen Funktionsträgern aus guten Gründen abgelehnt wurde«.

Die Absicht Pellmanns war es wohl auch, vor der Neuwahl der Fraktionsspitze Anfang September eine Aussprache, vielleicht sogar eine Annäherung der zerstrittenen Flügel in der Linken zu ermöglichen. Im besten Falle eine Einbindung von Sahra Wagenknecht, die an der Gründung einer eigenen Partei arbeitet. Dass zwischen Wagenknecht und ihren Anhängern einerseits und dem Linke-Vorstand andererseits noch etwas zu vermitteln ist, glaubt indessen fast niemand mehr. Wie andere Linke-Politiker geht auch der Bundesgeschäftsführer davon aus, dass »mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Menschen unsere Fraktion verlassen werden«.

Hören Sie auch: Ist die Linkspartei noch zu retten? Wolfgang Hübner im Gespräch mit Klaus Ernst (Die Linke) und Livia Gerster (FAZ) auf Deutschlandfunk Kultur.

In der Tat klingen die Äußerungen der Wagenknecht-Unterstützer inzwischen sehr entschieden. Zwar werden Fragen zur Parteigründung in der Möglichkeitsform beantwortet, doch mittlerweile könnten sie auf den Konjunktiv verzichten. Denn die Informationen über konkrete Vorbereitungen verdichten sich. Wie man hört, arbeitet daran maßgeblich ein kleiner Zirkel ehemaliger Sozialdemokraten um Oskar Lafontaine, die über die WASG, manche auch über die PDS, in die Linkspartei kamen. Allesamt Leute mit viel Partei-, Wahlkampf- und Parlamentserfahrung. Sie klopfen rechtliche Möglichkeiten ab, kontaktieren potenzielle Unterstützer, reden über programmatische Grundzüge.

Aus rechtlichen Gründen deutet manches darauf hin, dass der Start für diese neue Partei Anfang 2024 erfolgt. Eine Vorstufe könnte schon im Herbst gezündet werden, etwa vor dem Linke-Europaparteitag im November.

Zuweilen findet man eine indirekte Bestätigung. So twitterte die Politologin Ulrike Guerot, die man mal für eine progressive Europaexpertin halten konnte, zu einem Medienbericht über ihre mögliche EU-Spitzenkandidatur auf einer Liste Wagenknecht: »Egal wie das Wetter wird – es steht ein ›heißer Herbst‹ bevor …«. Mit ihrem Agieren stelle Wagenknecht »unsere Partei infrage«, sagt Tobias Bank, »sie geht an unsere Substanz. Das ist keine Meinungsbildung mehr innerhalb der Linken, und sie hat, lange bevor der Parteivorstand das in einem Beschluss festgestellt hat, für sich beschlossen, dass die Zukunft der Linken eine ohne Sahra Wagenknecht ist. Was wären wir denn für ein Vorstand, wenn wir auf eine in unseren Reihen vorbereitete Neugründung nicht reagieren würden?«

Bank, der viel an der Linke-Basis herumkommt, hat den Eindruck, »dass nur ein sehr kleiner Teil am Ende mit Sahra mitgehen wird«. Viele Genossen meinten, dass eine Spaltung der gesellschaftlichen Linken und der Linkspartei schade und der AfD in die Hände spiele. »Selbst die, die hier und da mit Sahra Wagenknecht übereinstimmen und den Parteivorstand kritisch sehen, sagen, meine Partei bleibt Die Linke.«

Ähnliche Signale gibt es von Funktionären und Abgeordneten. So unterschrieben sämtliche EU-, Bundestags- und Landtagsabgeordnete aus Sachsen einen Brief, in dem sie eine Spaltung und einen Übertritt ablehnen. Und die sachsen-anhaltische Landtagfraktion demonstrierte auf einer Klausur trotz inhaltlicher Debatten Geschlossenheit: »Eine Spaltung meiner Fraktion kann ich ausschließen«, erklärte Fraktionschefin Eva von Angern.

Die inhaltlichen Kontroversen, die auf allen Ebenen der Linken ausgetragen werden, betreffen auch die beiden Hauptvorwürfe des Wagenknecht-Lagers: Die Linke vernachlässige die soziale Frage und sei keine echte Friedenspartei mehr. Das weist Tobias Bank zurück: »Die Vorwürfe sind Legenden.« Allein, wenn man sich die Vorschläge für die vorderen Plätze der Europaliste ansehe, werde das soziale Profil klar: »Bei Spitzenkandidat Martin Schirdewan als Parteivorsitzendem sowieso, bei Carola Rackete ist es die Klimagerechtigkeit und die Solidarität mit Menschen in Not, bei Özlem Demirel das gewerkschaftliche Engagement und die Friedenspolitik, bei Gerhard Trabert der Einsatz als Arzt für die Armen und sozial Benachteiligten.«

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Faktisch alle Beschlüsse des Parteivorstands zur Friedensfrage seien einstimmig gefasst worden, »da gab es ganz selten mal eine Enthaltung«. Dass der Linke-Vorstand sich den Demonstrationsaufruf von Wagenknecht und Alice Schwarzer »aus guten Gründen nicht zu eigen gemacht hat, bedeutet nicht, dass wir in der Friedensfrage eine offene Flanke hätten. Es gibt keinen Grund, unser Licht in diesen beiden Fragen unter den Scheffel zu stellen.« Und zum Vorwurf, Die Linke wolle grüner werden als die Grünen, meint Bank: »Auch hier reden wir stärker als die anderen von der sozialen Seite des Klimawandels. Wer bezahlt die Klimawende? Wer bittet die Reichen dafür zur Kasse?« Die Linke betone das, »weil auch ein grün lackierter Kapitalismus am Ende Kapitalismus bleibt, und das geht zu Lasten von Mensch und Natur«. Viele Mitglieder machten sich »Gedanken über die Zukunft unseres Planeten und damit über die Zukunft ihrer Enkel«.

Und was bedeutet eine Abspaltung für den anstehenden Europawahlkampf der Linken? Er sei da optimistisch, sagt Tobias Bank. Es gebe viele Interessenten, die auf der Linke-Liste kandidieren wollen, neuerdings auch die langjährige Chefredakteurin des linken Magazins »Jacobin«, Ines Schwerdtner; die Resonanz auf die Vorschläge der Parteispitze für die ersten Listenplätze sei an der Basis »überwiegend positiv«. Und er beobachtet ein starkes Interesse in der Mitgliedschaft »daran, dass wir ein möglichst gutes Wahlprogramm haben, gerade in einer Situation, in der es uns nicht so gut geht«. Die Linke werde einen EU-Wahlkampf »als internationalistische Friedenspartei« bestreiten.

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