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Seenotrettung am Limit
Italien setzt Schiffe fest und will Ausschiffung von Geretteten in Tunesien
Mit Verweis auf das sogenannte Meloni-Dekret blockiert Italien vier zivile Schiffe, die Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer durchführen. Die unter der rechtsextremen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Anfang dieses Jahres erlassene Vorschrift bestraft Seenotretter, die nach einem Einsatz weitere Menschen an Bord nehmen, ohne zuvor das Festland angesteuert zu haben. Hierzu weisen die Behörden den Kapitänen Häfen zu, die bis zu 1600 Kilometer und fünf Tage Fahrt vom Ort der Rettung liegen.
Weil sie mehr als eine solche Rettung durchgeführt haben, sind derzeit die deutschen Schiffe »Aurora« und »Sea-Eye 4« in italienischen Häfen festgesetzt, außerdem die in Spanien registrierte »Open Arms«. Hinzu kommt das Schiff »Mare Jonio« der italienischen Organisation Mediterranea, das nach einer behördlichen Inspektion wegen technischer »Unregelmäßigkeiten« an die Kette gelegt wurde.
Wegen der Behinderungen haben nun 56 Organisationen eine »dringende Warnung« veröffentlicht. Seit Erlass des Meloni-Dekrets gab es in Italien acht Festsetzungen, heißt es darin. Die Betreiber der betroffenen Schiffe müssen eine Geldstrafe von bis zu 10 000 Euro bezahlen und erhalten ein 20 Tage dauerndes Fahrverbot. Für die »Aurora« und die »Sea-Eye 4« ist es bereits die zweite Repressalie dieser Art. Bei weiteren Verstößen droht ihnen die endgültige Beschlagnahmung.
In ihrem Statement weisen die Unterzeichner darauf hin, dass die Ausschiffung von aus Seenot geretteten Personen nach internationalem Recht an einem sicheren Ort »so schnell wie möglich« erfolgen muss. In mehr als 60 Fällen hätten italienische Behörden den Rettungsschiffen jedoch seit Dezember 2022 einen unnötig weit entfernten Hafen zugewiesen.
Die Seenotretter sind zudem erstmals mit der Anweisung konfrontiert, Gerettete in Tunesien auszuschiffen. Dies hatte zuerst die Organisation Sea-Watch berichtet, deren »Aurora« nach einem Einsatz von der Seenotleitstelle in Rom den sizilianischen Hafen in Trapani zugewiesen bekam. Wegen Treibstoffmangels entschied der Kapitän jedoch, Lampedusa anzusteuern. Daraufhin hätten die italienischen Behörden vorgeschlagen, dass die »Aurora« stattdessen nach Tunesien fährt. »Angesichts des gravierenden Mangels an Schutz für Asylsuchende und der zunehmenden Gewalt gegen migrierende Menschen kann Tunesien nicht als sicherer Ort gelten«, schreiben die 56 Organisationen dazu.
Hintergrund der neuartigen Anweisungen könnte die »strategische Partnerschaft« sein, die von der EU-Kommission kürzlich mit der Regierung in Tunis geschlossen wurde. Deren Küstenwache soll dafür sorgen, dass weniger Menschen mit Booten nach Italien fahren. Im Gegenzug erhält Tunesien aus Brüssel über 250 Millionen Euro für Maßnahmen zur Migrationsabwehr. Das Abkommen hatte die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Beisein von Meloni unterzeichnet.
»Wenn die Behinderung der humanitären Hilfe auf See anhält, könnten wir bis zum Ende des Jahres eine drastisch verringerte oder sogar keine Präsenz von zivilen Rettungsschiffen auf See erleben«, heißt es in der »dringenden Warnung«. Dies habe bereits in Griechenland zum Abzug vieler Schiffe geführt.
Ein Ende der privaten Seenotrettung ist aber im zentralen Mittelmeer noch nicht in Sicht: Mindestens 18 Organisationen haben dort über 20 Schiffe im Einsatz. Immer häufiger sind dies allerdings Segler, die wie die »Trotamar III« kaum Menschen aus Seenot an Bord nehmen können und deshalb hauptsächlich Missionen zur Beobachtung fahren. Weitere Schiffe werden auf den Einsatz vorbereitet, darunter die »Sea Watch 5«, die noch dieses Jahr von Flensburg ins Mittelmeer geschickt werden soll.
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