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Eröffnung der IAA in München: Noch immer eine Show rund ums Auto
Die Branchenschau will stärker mit Mobilität und Vernetzung punkten, doch die Industrie verändert sich nur langsam
Der neue Porsche 911 S/T ist ein Gefährt wie aus einer anderen Zeit: Sechs-Zylinder-Boxer-Motor mit 525 PS, 14 Liter Spritverbrauch auf 100 Kilometer und Beschleunigung von null auf 200 in unter zehn Sekunden. »Danke Porsche, dass ihr in der heutigen Zeit noch so emotionale Spaßgeräte wie den 911 S/T baut«, freut sich die »Auto-Bild«. Die schwäbische VW-Tochter stellt zwar mittelfristig auf Elektroantriebe um, aber der 911 wird den Verbrenner behalten. Das ist ein Verdienst des Kampfes von FDP-Finanzminister Volker Wissing für E-Fuels und gegen ein generelles Verbrenner-Verbot auf EU-Ebene.
Auch auf der IAA Mobility 2023 in München, die am Montag mit dem Pressetag startete und ab Dienstag für das Publikum öffnet, wird der 911 S/T zu sehen sein. Allerdings etwas verschämt fernab der Messehallen in der Münchner Innenstadt. Die ehemalige Internationale Automobil-Ausstellung, die die Stadt Frankfurt/Main nicht mehr haben wollte und vor zwei Jahren nach Bayern auswanderte, will das stinkende Auto-Image loswerden und sich als breite Plattform für klimaneutrale Mobilität präsentieren. In diesem Jahr lautet das Motto: »Experience connected mobility« (vernetzte Mobilität erleben). »Auf der IAA Mobility«, heißt es dazu vom veranstaltenden Verband der Automobilindustrie (VDA), »wird unsere Industrie zeigen, wie wir Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammendenken und damit die Transformation vorantreiben.«
Doch das ist mehr Schein: Die bis Sonntag gehende IAA bleibt eine Show rund ums Auto. Zwar setzen einzelne Aussteller wie der Zulieferriese Bosch mittlerweile auch auf das zukünftig wichtiger werdende Geschäft mit Mobilitätsdiensten. In hiesigen Städten kommt aber die viel beschworene Vernetzung der Verkehrsträger, wobei Autos zudem nicht mehr als individueller, sondern nur als geteilter Besitz wichtig sind, kaum voran. Und so geben in München bei einer Podiumsdiskussion zwar die Chefs der Deutschen Bahn und der Lufthansa ein Stelldichein, doch beide Verkehrsbereiche haben weiterhin ihre eigenen Messen. Das gilt auch für die Fahrradbranche, selbst wenn Besucher der IAA neue E-Bike-Modelle auf einer Teststrecke im Englischen Garten ausprobieren können. Zumindest aber lautet bei den Ausstellungsstücken in den Messehallen das Motto: bitte nur elektrisch!
Das Konzept überzeugt weder die Klimabewegung, die parallel mehrtägige Proteste angekündigt hat, noch die Branche selbst. Viele große Autohersteller bleiben der IAA fern, darunter Stellantis, Fiat-Chrysler, Hyundai, die meisten japanischen Konzerne. Neben den deutschen Platzhirschen Mercedes, BMW und der Marke VW präsentieren sich hingegen vor allem E-Auto-Hersteller, die sich in Deutschland erst einen Namen machen wollen. Dazu zählen BYD, Xpeng, Polestar oder Vinfast aus Vietnam.
Dass viele der neuen Firmen aus China kommen, ist kein Zufall – in Sachen Elektromobilität spielt dort die Musik. Mehr als jedes zweite der weltweit knapp 28 Millionen Batterieautos ist auf den Straßen der Volksrepublik unterwegs. Bei Neuzulassungen ist Chinas Anteil sogar noch höher. Um die Luft in den smoggeplagten Großstädten trotz Autobooms zu verbessern, hat der Staat nicht nur wie in Deutschland Fördermittel bereitgestellt, sondern auch verbindliche E-Auto-Quoten für jeden Hersteller beschlossen. Unter den zahllosen Anbietern herrscht in China mittlerweile ein Rabattkampf, der stark auf die Preise drückt. Gerade die deutschen Konzerne wurden kalt erwischt: Sie wollten auf dem weltgrößten Automarkt Unmengen ihrer alten Verbrenner verkaufen, um damit den gemächlichen Elektro-Umstieg zuhause zu finanzieren. Kürzlich musste sich VW technische Unterstützung beim Unternehmen Xpeng aus Guangzhou holen, Audi tat sich mit SAIC zusammen. Von »chinesischer Entwicklungshilfe« sprechen Beobachter genüsslich.
Zuhause versuchten die deutschen Autobauer ihr zögerliches Verhalten mit einem Henne-Ei-Dilemma zu begründen: Da es zu wenige Ladesäulen gebe, würden kaum E-Autos gekauft. Als der VDA im Vorfeld der IAA wieder die gleiche Leier anstimmte, schoss der Energiewirtschaftsverband BDEW zurück: »Wir haben ein Überangebot an Lademöglichkeiten«, sagte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Diese seien nur zu 11,6 Prozent ausgelastet. Es gebe keine Ausreden mehr, warum die Elektromobilität im Sinne der Klimaziele nicht stärker wachsen solle.
Die Batteriewende ist die eine sich vollziehende Transformation in der Autoindustrie, die Digitalisierung die andere. Nicht zufällig bildete der südkoreanische Elektronikkonzern LG, der kunststoffbasierte, biegbare OLEDs für seine Infotainmentprodukte im Pkw vorstellte, den Auftakt des Pressetages am Montag. Laut den PR-Slogans von LG ist das von Künstlicher Intelligenz gesteuerte Auto der Zukunft für Insassen nur noch ein »digitaler, personalisierter Rückzugsort«. Zwar ist das autonome Fahren aufgrund ungeklärter Haftungsfragen auf absehbare Zeit kein Thema für den Individualverkehr, doch entwickelt sich Softwarekompetenz Experten zufolge zum wichtigsten Bereich für die Autoindustrie. Die Frage ist, ob sich die alten Hersteller und Zulieferer hier weiterentwickeln oder ob sie zum Anhängsel der IT-Konzerne werden und die Innovation bei neuen Start-ups stattfindet. Deren Aussteller-Zahl hat in München stark zugenommen.
Interessant dürfte das nur für Fachbesucher sein. Als Massenspektakel einer autoverrückten Nation, die sich nach dem neuesten Porsche 911 sehnt, hat sich die IAA aus vielerlei Gründen überlebt. Nicht wenige Branchenbeobachter gehen davon aus, dass sie 2023 zum letzten Mal stattfinden wird.
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