Bundestag zum Wehretat: Aufrüstung über alles

Mehrheit im Bundestag befürwortet größten Militäretat der Geschichte der Bundesrepublik. Union und AfD wollen noch mehr

Ginge es nach Boris Pistorius, wäre der Militäretat 2024 noch weitaus umfangreicher als im Haushaltsentwurf der Ampelkoalition vorgesehen. Der Bundesverteidigungsminister hatte in der koalitionsinternen Debatte zehn Milliarden Euro mehr statt der nun vorgesehenen 1,7 Milliarden Euro Zuwachs im sogenannten Einzelplan 14, also dem seines Ressorts, gefordert. Insgesamt wäre dieser damit im kommenden Jahr mit 51,8 Milliarden Euro ausgestattet.

Insgesamt summieren sich die Militärausgaben mit den für das kommende Jahr eingeplanten Mitteln aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von gut 19 Milliarden und mit den für Rüstung und Truppe vorgesehenen Mitteln aus anderen Ressorts in Höhe von 14 Milliarden Euro auf 85 Milliarden Euro.

Damit wäre, betonte Pistorius am Mittwoch in der Debatte zum Wehretat im Bundestag, erstmals das von der Nato vorgegebene Ziel errreicht, dass jeder Mitgliedsstaat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben solle. »Es steht uns so viel Geld wie noch nie für die Bundeswehr zur Verfügung«, freute er sich.

Den Unionsparteien wie auch der AfD reicht das alles indes noch längst nicht aus. So beklagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), mit den angepeilten Zuwächsen würden gerade einmal die steigenden Personalkosten bei der Truppe gedeckt. Und die CDU-Abgeordnete Kerstin Vieregge verwies darauf, dass das Zwei-Prozent-Ziel seit geraumer Zeit nur noch die Untergrenze der Militärausgaben der Nato-Staaten darstelle – und dass es nur durch »Rechentricks« und unter Einbeziehung anderer Etats erreicht werde.

Ähnlich hatte sich zu Beginn der Debatte bereits Unionsfraktionschef Friedrich Merz geäußert. Die Bundesregierung bediene sich für die »rein formale Erfüllung« des Zwei-Prozent-Ziels für den laufenden Betrieb zunehmend aus dem Sondervermögen, so der CDU-Vorsitzende. Das aber sei bald aufgebraucht, womit »spätestens 2027 eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt« klaffe.

Dem hatte Bundeskanzler Olaf Scholz sogleich widersprochen. Er garantiere der Bundeswehr, dass die Nato-Quote »auch in den Jahren 2028, 2029 und in den 30er Jahren erreicht wird«, sagte er im Plenum. Um das zu erreichen, müssten »allerspätestens ab 2028 zusätzliche 25, vielleicht auch fast 30 Milliarden Euro für die Bundeswehr aus dem Bundeshaushalt direkt finanziert werden«.

Pistorius warb mit dem Hinweis um Zustimmung zum Wehretat, dass die »Zeitenwende« infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine mehr Investitionen ins Militär erforderlich mache. »Wir können uns keine Abstriche bei unserer eigenen Sicherheit leisten – erst recht nicht, wenn vor unserer Türe ein brutaler Angriffskrieg tobt«. Dieser gelte nicht nur der Ukraine, sondern auch »unserer Ordnung, unserer Sicherheit«. Deutschland dürfe keinen Zweifel daran lassen, dass der russische Präsident Wladimir Putin »damit nicht durchkommen wird«, so der SPD-Politiker.

Er könne »durchaus mit Stolz sagen, dass die Bundesrepublik nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine« in Sachen Militär sei. Sie liefere nicht nur Panzer, Munition, Flugabwehrraketen und Co. an Kiew. »Bis Ende des Jahres werden wir auch 10 000 ukrainische Soldaten ausgebildet haben«, sagte der Minister. Er bekräftigte: »Ja, Deutschland muss Führung übernehmen.« Deshalb wolle die Bundesregierung erstmals dauerhaft eine Brigade an der Nato-Ostflanke in Litauen stationieren.

Agnieszka Brugger (Grüne) sprach ebenfalls von der »wertebasierten Ordnung« des Westens, die vor Russland geschützt werden müsse. Zudem betonte sie: »Waffenlieferungen sind nicht das Gegenteil von Diplomatie.« Sie allein würden Russland an den Verhandlungstisch zwingen. Zudem berge nicht nur militärische Unterstützung die Gefahr der Eskalation, sondern auch ein zu zögerliches Vorgehen dabei.

Einzig die Linke-Politikerin Gesine Lötzsch forderte eine Reduzierung der Militärausgaben und warnte vor einem »neuen Wettrüsten«. »Aufrüstung an die erste Stelle zu setzen, ist die falsche Priorität«, sagte sie und merkte an: »Alle Probleme in diesem Land führt die Bundesregierung auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zurück. Warum setzt sie sich dann nicht entschieden für einen Waffenstillstand ein?« Lötzsch erinnerte daran, dass sich die deutsche Militärhilfe für die Ukraine mittlerweile auf einen Wert von fast 22 Milliarden Euro summiert. Mit ihrer aktuellen Politik wirke die Bundesregierung nicht auf ein Ende des Krieges hin, sondern mache »die Rüstungsindustrie reich und die Bürgerinnen und Bürger arm«.

Bereits am Dienstag hatte der Linke-Klimaexperte Ralph Lenkert darauf hingewiesen, dass Krieg und Aufrüstung die »schnellste und sinnloseste Zerstörung der Umwelt« darstelle. Nicht nur in Kriegen eingesetzte Rüstungsgüter, sondern auch »jede produzierte Waffe« beschleunigten den Klimawandel.

Mit drastischen Worten hatte zuvor die Ko-Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali, das Regierungshandeln kritisiert. Viele Menschen seien zu Recht wütend, dass im Etat »Milliarden Euro für Rüstung rausgehauen werden« sollten und überall sonst »geknausert« werde. »Es gab schon einmal einen Kanzler, der Deutschland mit seiner Sparpolitik ruiniert hat: Heinrich Brüning, Reichskanzler der Weimarer Republik von 1930 bis 1932. Und wohin das geführt hat und welche politischen Kräfte dadurch stark geworden sind, das wissen wir«, sagte Mohamed Ali mit Blick auf das daraus resultierende Erstarken der faschistischen NSDAP. Aus Geschichte könne man aber lernen.

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