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»The Last Socialist Artefact«: Die Melancholie der Turbinen
Eine politisch optimistische Serie aus Kroatien gegen die linke Depression: »The Last Socialist Artefact« auf Arte
Das Arbeiterkino, wie wir es aus dem italienischen Neorealismus, der französischen Nouvelle Vague, der jugoslawischen Schwarzen Welle und guten Spätwestern kennen, wo Schauspielkunst auf linke Melancholie trifft, lebt als Miniserie weiter: »The Last Socialist Artefact« des kroatischen Regisseurs Dalibor Matanic. Grundlage ist der wunderbare und leider noch nicht auf Deutsch erhältliche Roman »No-Signal Area« des Zagreber Schriftstellers Robert Perišič. Buch und Serie erzählen von der sozialistischen Wette, dass eine kollektive Erfahrung die Menschen zu allem befähigen kann, was gut ist.
Es geht um eine nach dem Jugoslawienkrieg und der kapitalistischen Transformation stillgelegte Gasturbinenfabrik in der fiktiven Stadt Nustiň in Kroatien, um die Spuren des Krieges, die Gewalttätigkeit des Alltags, die Stärke und Intelligenz der Frauen und die bodenlose Traurigkeit der Männer. Die fordistische Arbeitswelt in Form der Arbeiterselbstverwaltung trifft auf das Betriebssystem Kunst und die Absurdität des spätkapitalistischen Marktes.
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Oleg und Nikola, um die 40, sind unterschiedlich verloren in dieser gesellschaftlichen Transformation: Oleg kommt von unten und wurde zum Waffenschieber im Krieg, nun spielt er Unternehmer. Nikolas Vater gehörte zur Parteielite, er selbst schrieb Fernsehdrehbücher und war danach länger arbeitslos und depressiv. Nun ist er der Assistent seines Cousins Oleg und zukünftiger Fabrikdirektor. Die beiden sollen eine stillgelegte Fabrik wieder flottmachen, um den Auftrag eines Colonel aus Libyen, einem unter Embargo stehendem Land, zu erfüllen. Sie versuchen das Vertrauen der misstrauischen Lokalbevölkerung zu gewinnen und passen sich zunächst voller Zynismus, dann voller Vertrauen dem alten jugoslawischen Ideal der sozialistischen Selbstverwaltung an, um die Fabrik zum Laufen zu bringen. Die Turbinen von 1983 erneut zu produzieren, scheint so wunderbar wie unglaubwürdig. So werden sie auch gefragt: »Wer seid Ihr? Geschäftsleute, Hippies, Kommunisten oder einfach Irre?«
In einer postindustriellen Ära, in der die Arbeitswelt mit dem absurdesten Kapitalismus konfrontiert ist, entstehen die überraschendsten Beziehungen, schwer belastet durch die Vergangenheit, ihr Liebesleben und ihr Scheitern. Aus diesem Debakel ist eine poetische Serie entstanden, lustig und ergreifend. Die sechs Teile sind jeweils einer der zentralen Personen gewidmet: Die ersten beiden Oleg und Nikola. Dann Šeila, die Klügste von allen, die als Kuratorin in Berlin tätig war, es irgendwann nicht mehr aushielt und zurückkam; sie verkörpert die Verlorenheit der Postkriegssituation. Dem Ingenieur Janda, der weiß, wie alles funktionierte und der es als ehemaliger Streikführer um 1968 versteht, die Menschen wieder in die Fabrik zu bringen und dabei ihre Würde zu bewahren. Branoš, ein jüngerer Arbeiter, der Liebesprobleme hat, ein Rocker war und alles gibt, um die Dinge und die Menschen am Laufen zu halten. Schließlich Lipša, gescheiterte Sängerin und Kellnerin, die sich auf Oleg einlässt und ein neues Leben findet.
Darüber hinaus bietet der Film ein Panoptikum an Figuren, die unterschiedlicher und schillernder in ihrer bescheidenen Klugheit und auch Gemeinheit – wie der Mafiosi Ragan – nicht sein könnten. Es geht auch um die Privatisierung des Waldes, eigentlich um die Privatisierung und Inwertsetzung des ganzen Lebens und um die vor Inbetriebnahme der Fabrik nicht existierenden Arbeitsmöglichkeiten vor Ort, als sich die Lohnabhängigen als billige Dienstleister in Afghanistan für die US-amerikanische Armee verdingen oder für die Mafia arbeiten mussten. Die Serie beschäftigt sich mit der Zukunft nach dem Zusammenbruch des jugoslawischen Sozialismus, die nur gelingen kann, wenn sie die Menschen selbst in die Hand nehmen und thematisiert auch die Situation im Nahen Osten und den Arabischen Frühling. Sie macht auch klar, dass sich die Arbeitenden, wenn sie nicht mehr um ihre Rechte kämpfen, gegeneinander stellen mit Nationalflaggen nach ethnischen Kriterien und dann in einen Krieg gezogen werden, aus dem nichts Neues und Gutes entstehen kann. Die Bevölkerungen bekämpfen sich gegenseitig, während die Sieger sich die Beute teilen.
In der Turbinenfabrik versuchen die Akteure die Zustände vor dem Krieg wiederherzustellen, auch wenn sie wissen, dass diese Welt auf immer verschwunden ist in ihrer beschädigten und armen Stadt. Der Film wie der Roman macht deutlich, dass es nicht die Industrie ist, die nicht mehr existiert, sondern die Macht der Arbeitenden, die verloren gegangen ist: »Nach dem Niedergang des Sozialismus haben wir nicht reagiert, aber jetzt verteidigen wir unser neues Leben!« Und die Menschen kämpfen nicht mehr gegeneinander, sondern gegen diejenigen, die sie zertreten wollen. Wie veraltete Industrieprodukte zunächst einen neuen Tauschwert und dann auch einen Gebrauchswert für die Produzent*innen erhalten können, die Klasse an sich zur Klasse für sich wird, das zeigt diese sehenswerte Serie. Die mit dem optimistischen Fazit endet, dass kollektive Intelligenz und Solidarität selbst auf dem Kunstmarkt gewinnen können.
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