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Bayan Layla: Totale Freiheit und totale Einsamkeit

Auf der Berlinale wurde der Film »Elaha« mit Bayan Layla uraufgeführt. Nun ist sie für den Deutschen Schauspielpreis nominiert. Ein Gespräch über Herkunft, Selbstbestimmung und Akzeptanz

  • Interview: Susanne Gietl
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein Film über sexuelle Selbstbestimmung: »Elaha« mit Bayan Layla
Ein Film über sexuelle Selbstbestimmung: »Elaha« mit Bayan Layla

Was hat Sie an dem Drehbuch zu dem Film »Elaha«, in dem Sie die Titelrolle übernommen haben, besonders angesprochen?

Was ich so unfassbar toll fand, war, dass das Thema in all seiner Komplexität erzählt wird und nicht in Schwarz-Weiß- und Opferkategorien unterteilt wird. Es ist wahnsinnig berührend. Im Drehbuch gibt es zum Beispiel eine Szene, in der Elahas Verlobter im Auto überprüfen möchte, ob sie mit jemandem geschlafen hat. Ich habe geheult und war so wütend, als ich die Szene gelesen habe. Ich kenne das Gefühl, ich kenne diese Familie, ich kenne diese Menschen, die im Drehbuch beschrieben werden.

Inwiefern haben Sie Ähnliches erlebt?

Meine Familie ist nicht besonders religiös, aber ich hatte Einschränkungen, die ich jetzt in Deutschland nicht habe. Meine Eltern wollten mich, glaube ich, schützen. Ich war immer ein bisschen rebellisch. Mit 15 Jahren durfte ich keinen Freund haben, aber ich hatte trotzdem eine Beziehung. Ich durfte nach einem Streit mit meinen Eltern kein Handy haben, aber mein jüngerer Bruder hat mir einfach sein Handy gegeben, damit ich mich mit meinem Freund verabreden konnte.

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Welche Einschränkungen haben Sie in Syrien noch beobachtet?

In Syrien ist es zum Beispiel schwierig und teilweise gefährlich, bisexuell oder homosexuell zu sein. Das sage ich unabhängig von meiner sexuellen Orientierung. Als ich nach Leipzig gezogen bin, war ich 18 und dachte dann, dass ich hundertprozentig frei bin in dem, was ich mache. Aber das stimmt nie. Man ist immer an einen bestimmten gesellschaftlichen Code gebunden. Die Regeln variieren nur. Ich habe immer wieder in meinem Leben feststellen müssen, dass ich gar nicht so frei war, wie ich dachte. Mittlerweile denke ich, dass es etwas ganz Schönes ist. Ich entwickle mich weiter und hinterfrage Begriffe und Erlebnisse. Und dafür bin ich sehr dankbar.

»Elaha« handelt von (sexueller) Selbstbestimmung. Wie definieren Sie aus Ihrer Erfahrung heraus Selbstbestimmung?

Freiheit hört da auf, wo man die andere Person einschränkt. Die Frage ist, welche Entscheidung man treffen kann, ohne jemanden zu verletzen und ohne jemanden zu verlieren. Totale Freiheit bedeutet totale Einsamkeit, weil wir doch alle irgendwie miteinander verbunden sind mit unserer Umgebung.

Und was bedeutet sexuelle Freiheit für Sie?

Dass es keine Norm gibt, der man entsprechen muss oder Erwartungen von außen, die erfüllt werden sollten.

Sie haben in Syrien Architektur studiert und sind dann nach Leipzig gezogen. Wie einfach war es für Sie, ein neues Leben in Deutschland aufzubauen?

Ich wusste fast nichts über Deutschland und dachte bei Deutschland an Autos und Angela Merkel. Als ich nach Leipzig kam, konnte ich gerade mal »Entschuldigung« sagen. Ich habe erst in Deutschland richtig Deutsch gelernt, aber ich konnte Englisch. Ich musste erst mal meinen Platz finden, aber ich wusste, dass ich Schauspiel studieren möchte. Es war wirklich sehr schwer. Du musst einen klassischen Monolog halten und einen modernen Monolog, du musst singen und noch andere Sachen machen. Drei Jahre lang habe ich an staatlichen Schauspielschulen vorgesprochen, bis es schließlich an der Theaterakademie August Everding in München geklappt hat.

Elaha spricht im Film den Satz: »Ich liebe meine Familie und meine Tradition, aber nur manchmal bin ich mit den Regeln nicht einverstanden.« Kennen Sie das auch?

Auf jeden Fall! Elaha ist in diesem Punkt sogar viel weiter als ich. Sie sieht sich als Teil ihrer Familie und in einem traditionellen Kreis. Das zu hinterfragen, obwohl sie so tief verwurzelt ist, ist auf jeden Fall sehr mutig von ihr. Als ich nach Deutschland gezogen bin, hatte ich eine Phase, in der ich alles abgelehnt habe, weil ich meine Entscheidung für Deutschland getroffen habe. Ich hatte auch eine Art von Wut auf meine Familie oder auf Syrien, auf den Krieg und auf die Politik. In dem Moment war es mir nicht so bewusst, dass ich alles abgelehnt hatte, was mit meiner Herkunft zu tun hatte. Heutzutage akzeptiere ich das alles viel mehr. Ich komme aus dieser tollen Situation, dass ich auf zwei sehr unterschiedliche Welten blicken kann und aus jeder mitnehmen kann, was ich möchte. Das ist sehr bereichernd.

Welche Szene hat Sie in »Elaha« besonders angesprochen?

Ziemlich am Ende stellt Elahas Lehrerin ihr die Frage: »Bist du die Frau, die du sein willst?« Diese Frage stelle ich mir bis heute. Dadurch, dass ich mich fürs Schauspiel entschieden habe, identifiziere ich mich an erster Stelle als Schauspielerin. Aber ich bin nicht nur das. Ich bin ich, ich bin aber auch meine Kindheit und ich bin auch meine Umgebung, gerade in Deutschland.

Wie einfach oder schwierig ist es, mit Migrationshintergrund als Schauspielerin Fuß zu fassen?

Ich habe am Anfang in der freien Szene gearbeitet und bei einzelnen Projekten am Staatsschauspiel Dresden und an der Volksbühne Berlin mitgemacht. Bei einer Produktion an der Volksbühne mit Geflüchteten aus Syrien war meine größte Frage, ob ich nun auf der Bühne stehen darf, weil ich talentiert bin oder weil ich in dieses Bild passe, weil ich sowohl Deutsch als auch Arabisch kann. Auch danach habe ich mich immer wieder gefragt, ob das jetzt mit meiner Biografie zu tun hat oder ob es wirklich um meine Leistung geht. Deshalb war es mir sehr wichtig, an einer staatlichen Schauspielschule studiert zu haben.

Nun sind Sie für den Deutschen Schauspielpreis nominiert, der am Samstag in Berlin vergeben wird. Was bedeutet das für Sie?

Dieses Mal haben alle Nominierten in der Kategorie Nachwuchs einen Migrationshintergrund. Ich finde es unfassbar schön, mit ihnen nominiert zu sein. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Auf dem Instagram-Kanal vom deutschen Schauspielpreis gab es den Kommentar: »Ist das der Nachwuchs von Deutschland?«, weil wir alle einen Migrationshintergrund haben. Ich finde das wirklich krass, dass es Menschen gibt, die so denken. Ich bin nicht aus Deutschland, aber ich fühle mich unter anderem auch deutsch und ich wohne hier. Für den Deutschen Schauspielpreis nominiert zu werden, bedeutet, dass ich als Schauspielerin nicht nur wahrgenommen werde, sondern mit allen anderen aus Deutschland im Wettbewerb stehe. Mir bedeutet das sehr viel.

Interview

Bayan Layla, Jahrgang 1996, ist in Syrien geboren und aufgewachsen. Nach einem aufgenommenen Studium der Architektur an der Universität Hama kam sie 2015 nach Leipzig, wo sie erste Bühnenerfahrungen sammelte. Nach Gastengagements am Staatsschauspiel Dresden und an der Volksbühne Berlin, studierte sie Schauspiel an der Theaterakademie August Everding in München. Mit »Elaha« debütierte sie im Bereich Film.

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