Patientensicherheit zählt noch zu wenig

Ein nationaler Aktionsplan fehlt weiterhin, ebenso Transparenz bei den Never Events

Die Sicherheit der Patienten spielte in den letzten Tagen in vielerlei Hinsicht eine Rolle. So wurde vergangene Woche der Welt-Sepsis-Tag begangen, weil in diesem Bereich die Diagnosen häufig zu spät oder gar nicht gestellt werden, mit verheerenden Folgen für Gesundheit und Leben der Betroffenen. Auch die Sicherheit der Patienten, über die Folgen von entgleisten Infektionen hinaus, ist immer wieder Thema, leider auch unter dem Aspekt, dass es damit hierzulande nicht zum Besten steht.

Anlässlich des Tages der Patientensicherheit am vergangenen Sonntag appellierte das Aktionsbündnis zu diesem Thema (APS) zuvor erneut, und zwar in grundsätzlichen Fragen. APS-Vorsitzende Ruth Hecker erinnerte eingangs daran, dass die Patienten und die Angehörigen selbst das wirksamste Instrument der Patientensicherheit sind. Sie bringen mit ihren Beobachtungen und ihrer Krankengeschichte Informationen in den Behandlungsprozess, die von den Klinikern nicht ersetzt werden können. Also Bildgebung, Labor, Erfahrung und Methodenkenntnis sind eben noch nicht alles. »Patienten sind Augen und Ohren des Systems«, sagt die Fachärztin für Anästhesiologie.

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Der Schwerpunkt des diesjährigen Aktionstages lag, nach Fragen der Pandemie oder zur sicheren Geburt in den Vorjahren, jetzt bei jenen Menschen, die eine medizinische Behandlung erfahren. Patienten und ihre Angehörigen, so Hecker, sollen als Sprecher gewonnen werden, um über eigene Erfahrungen in Videobotschaften zu berichten. Hier gibt es bereits erste Beispiele. In den Filmen geht es auch darum, dass Kranken nicht zugehört wurde, dass Ärzte andauernde Beschwerden nicht ernst nahmen. Die Fallgeschichten weisen auf einen Schwachpunkt im deutschen Gesundheitssystem: Die vorherrschende Apparatemedizin dominiert weiterhin und mit Folgen die sprechende Medizin, die zu schlecht honoriert wird.

Patienten sollten sich in eigenem Interesse ausdrücklich einmischen und Fragen stellen, meint der stellvertretende APS-Vorsitzende Christan Deindl, und zwar »immer dann, wenn Behandlungsabläufe, Diagnosen, Medikamentengabe usw. unklar sind und ein Gefühl der Unsicherheit hervorrufen«. Dazu gehören auch Hinweise wie »Bitte desinfizieren Sie sich die Hände, bevor Sie bei mir Blut abnehmen« und ähnliches. Nachfragen sollten Patienten auch, auf welcher Seite sie operiert werden sollen. Nach Aussagen des Kinderchirurgen Deindl sind Seitenverwechslungen in Deutschland immer noch sogenannte Never Events,
vermeidbare schwere Fehler im Behandlungsablauf
. »Noch dazu werden ihre Zahl und ihre Ursachen nicht zentral erfasst und ausgewertet«, kritisiert Deindl. Aber nur so ließen sich zukünftige Fehler vermeiden.

Auch in diesem Bereich gibt es aus Sicht des APS eher ein Umsetzungs- als ein Erkenntnisproblem: Ruth Hecker kontrastiert in diesem Zusammenhang den Stolz über nur noch 3000 Verkehrstote mit der Ignoranz gegenüber den geschädigten Patienten. »Es ärgert mich schon sehr, dass wir bei den Zahlen zur Patientensicherheit maximal geringgradig zucken und wir jedes Jahr wieder darüber reden und es immer noch keinen nationalen Aktionsplan Patientensicherheit gibt.«

Hecker nennt ihrerseits Zahlen: »Bei 20 Millionen Krankenhauspatienten im Jahr gibt es etwa zwei Millionen unerwünschte Ereignisse.« Die gute Nachricht wäre, dass von diesen mehr als die Hälfte vermeidbar sind, »wenn wir etwas dagegen tun würden«. Eine Möglichkeit für einen grundlegenden Systemwechsel mit positiven Folgen für die Patientensicherheit sieht auch Hecker in der Krankenhausreform. Dazu hat das APS eigene Forderungen: Krankenhausvorstände sollten zwingend einen Beauftragten für Patientensicherheit haben. Und: Wenn schon Transparenz für jedes Krankenhaus, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sie einfordert, dann in Zukunft auch bei den Never Events. Auch deren Zahl müsse für potenzielle Patienten einfach ersichtlich sein.

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