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Demenz: Algorithmen als Assistenz
Künstliche Intelligenz hilft bei der Forschung zum Abbau menschlicher Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) kann Menschen helfen. Forschungsvorhaben etwa am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaft Leipzig oder im Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Bonn (DZNE) zeigen, wie künstliche Intelligenzen, die Sprache verarbeiten und solche, die Bilddaten zum Beispiel MRT-Aufnahmen des Gehirns, auf Auffälligkeiten absuchen, Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz im Frühstadium erkennen. Dank der Früherkennung können dann rechtzeitig Therapien angewandt werden, die den Krankheitsverlauf bremsen und vielleicht sogar stoppen.
Der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft zufolge waren im Jahr 2021 fast 1,8 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt. Häufigste Krankheitsform ist die Alzheimer-Demenz. Entgegen dem landläufigen Bild sind nicht nur alte Personen von diesen Erkrankungen betroffen. Neurodegenerative Erkrankungen wie etwa die Frontotemporale Demenz (FTD) können auch bei wesentlich jüngeren Menschen auftreten und sie aus dem sozialen und beruflichen Leben reißen. »In der Politik wird Demenz oft mit Pflege verbunden. Aber es sollte nicht nur um dieses Endstadium gehen. Deshalb setze ich mich – auch im Dialogforum Demenz – dafür ein, diese Krankheiten zeitig zu diagnostizieren und Therapien auch in Frühstadien einzusetzen«, erzählt Matthias Schroeter.
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Schroeter arbeitet am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaft in Leipzig. Als Oberarzt betreut er in der Tagesklinik für kognitive Neurologie Patient*innen. Bereits seit 2011 forscht er mit Methoden des maschinellen Lernens daran, Veränderungen des Gehirns frühzeitig zu erkennen. »Demenzielle Erkrankungen werden einerseits durch neuropsychologische Tests festgestellt und andererseits mittels bildgebender Verfahren. Da es sehr verschiedene Demenzformen gibt und dafür auch Kriterien für die Bildgebung definiert sind, bietet es sich an, hier Aufnahmen der Magnetresonanztomographie mittels künstlicher Intelligenz auszuwerten. Das Ziel ist, eine Erkrankung möglichst zeitig festzustellen, damit sie direkt krankheitsspezifisch behandelt werden kann«, erklärt Psychiater Schroeter das Vorhaben.
Dazu wurden in einer aktuellen Studie MRT-Aufnahmen von 426 Personen, die an verschiedenen Demenzformen erkrankt sind, sowie von 51 gesunden Personen als Kontrollgruppe analysiert. Generell lässt sich bei erkrankten Personen über einen längeren Zeitraum eine Abnahme des Hirnvolumens in bestimmten Regionen feststellen. Um spezifische Erkrankungen zu diagnostizieren, ließ Schroeter Aufnahmen aus 64 verschiedenen Hirnregionen durch eine künstliche Intelligenz analysieren. »Wir haben uns ganz besonders mit der Frage beschäftigt, ob man die Erkrankungen gegeneinander abgrenzen kann. Das ist wesentlich anspruchsvoller als im Vergleich zum Gehirn gesunder Menschen Veränderungen festzustellen.«
Dazu wurden sogenannte Classifier entwickelt, die spezifische Merkmale bestimmter Erkrankungen enthalten. Diese Classifier wurden dann mit Bilddaten einer anderen Patient*innengruppe abgeglichen – und so sichergestellt, dass die KI nicht mit Trainingsdaten validiert wird.
»Für die Frühdiagnostik sind diese Verfahren maschinellen Lernens ein Gewinn. Es muss sich zwar immer noch ein Radiologe oder eine Radiologin die Aufnahmen anschauen und bewerten. Das mache ich in unserer Praxis auch. Deutliche Abnahmen des Hirnvolumens sind dabei gut zu erkennen, geringe Abnahmen hingegen nicht. Das können die maschinellen Verfahren mit künstlicher Intelligenz besser«, betont Schroeter. Der Facharzt nennt als Beispiel einen Patienten mit Sprachstörung, den er seit mehreren Jahren betreut: »Er war zum ersten Mal vor sechs Jahren hier. Und er kann immer noch zur Arbeit gehen, weil man die Krankheit früh erkannt und therapiert hat.« Gerade bei Aphasien, also Sprachstörungen, hält er auch den Einsatz von Sprach-KIs für sinnvoll.
Im Rahmen der Prosa-Studie des DZNE in Bonn wird genau das gemacht. Eine künstliche Intelligenz wertet spontane Antworten von 200 Patient*innen auf offene Fragen wie etwa zum Freizeitverhalten aus. Analysiert wird die Komplexität der Sprache, die Pausen zwischen den Wörtern, das Sprechtempo und andere melodische Aspekte der Sprache. »Es gab schon früher Ansätze, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler textuelle Faktoren ausgewertet haben: Wie komplex war die Grammatik der Probanden, wie groß ist ihr Wortschatz, wie reihen sie Worte aneinander?«, erläutert Anja Schneider, Arbeitsgruppenleiterin am DZNE und Direktorin der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie am Universitätsklinikum Bonn. Künstliche Intelligenz könne solche Analysen deutlich schneller durchführen und zusätzliche Aspekte von Sprache mit berücksichtigen, betont Schneider.
Das Projekt ist noch in einem sehr frühen Stadium. Die Forscher*innen entwickeln gerade Biomarker, die auf spezifische Erkrankungen wie Frontotemporale Demenz und Amyotrophe Lateralsklerose hinweisen sollen. »Ziel ist, dass man mit diesem digitalen Biomarker Auffälligkeiten erkennt, die sonst außerhalb eines Expertenzentrums nicht unmittelbar zur weiteren Abklärung und Diagnose geführt hätten. Möglicherweise ist im Umkreis noch nicht einmal ein Experte vorhanden. Der digitale Marker könnte dann Personen identifizieren, für die eine Vorstellung in einem Expertenzentrum sinnvoll wäre«, beschreibt Schneider den Vorteil gegenüber herkömmlichen Diagnosemethoden. Bisher vergehen laut ihrer Auskunft zwei bis fünf Jahre zwischen Erkrankungsbeginn und erster Diagnose.
Bis beide Verfahren in den Klinikalltag überführt werden können, dürfte es noch einige Jahre dauern. Erst müssen die Biomarker sowohl bei allen KI-Varianten wissenschaftlich validiert und auch Störgrößen wie etwa Abweichungen bei Geräten ausgeschlossen werden.
Den menschlichen Mediziner wollen die Forschenden keinesfalls abschaffen. »Ich sehe das als ein Assistenzsystem. Es muss immer noch ein Radiologe vorhanden sein und beurteilen, welche Biomarker im jeweiligen Fall sinnvoll sind. KI ist sehr effektiv, aber auch sehr dumm. Ein Classifier für die Alzheimer-Krankheit wird diese sehr gut erkennen im Vergleich mit Bildern von Gesunden. Aber er wird keine andere Krankheit erkennen, weil er darauf nicht trainiert ist. Was die Algorithmen leisten können, hängt davon ab, mit welchen Daten sie trainiert und für welche Fragestellungen sie eingesetzt werden. Deshalb müssen immer Ärzte die Ergebnisse validieren«, sagt Schroeter. Künstliche Intelligenz kann also nur in Zusammenarbeit mit menschlicher Intelligenz letztere vor dem Verdämmern bewahren.
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