nd-Korrespondent Ian King: Auf Tucholskys Spuren

Nachruf auf nd-Korrespondent Ian King

Ian King, langjähriger nd-Korrespondent
Ian King, langjähriger nd-Korrespondent

Seine Besuche in Berlin bedurften immer gewisser Vorkehrungen. »Ich komme in der Redaktion vorbei und bitte darum, dass ich meine aufgelaufenen Honorare bei der Kasse abholen kann.« So meldete sich der langjährige Großbritannien-Korrespondent Ian King aus London immer per Mail oder telefonisch an, wenn er hin und wieder in Berlin aufschlug. Oft waren der Anlass die Tagungen seiner geliebten Kurt-Tucholsky-Gesellschaft, dessen 1. Vorsitzender er zeitweilig war. Und vermutlich entstand bei der Tucholsky-Gesellschaft über den langjährigen »nd«-Auslandsredakteur Jochen Reinert der Kontakt zum »Neuen Deutschland«. Sowohl King als auch Reinert verehrten Tucholsky als Literaten und Mahner gegen den Faschismus. Ian King hatte mit 28 Jahren 1977 über Tucholskys politische Entwicklung promoviert und danach als Universitätsdozent in Sheffield und London gearbeitet. Nebenbei hat er als Germanist selbstverständlich auf Deutsch Artikel für das »Neue Deutschland« und »nd.der Tag« geschrieben. Sein letzter Artikel »Holpriger Start für die Tories« erschien am 4. September 2023. Das Angebot hatte er im Betreff mit »Noch nicht tot« eingereicht und in der Mail geschrieben: »Ich helfe seit Herbst 1992 gern, gebe nicht auf.«  

King widmete sich in Artikeln für diese Zeitung dem Vereinigten Königreich, dem er als Schotte mit großer Distanz gegenüberstand. Vom Königshaus hielt er nicht viel, einer Unabhängigkeit Schottlands konnte er aber ebenso wenig etwas abgewinnen wie dem Brexit. Mit der Labour-Partei haderte er spätestens seit den Zeiten von Tony Blair, der mit Lügen dem Irak-Krieg Vorschub leistete. Den Tories war er immer in tiefster Abneigung verbunden, der er auch in sarkastischen Artikelpassagen Ausdruck verlieh.

Bei der Tagung der Tucholsky-Gesellschaft vom 20. bis 22. Oktober steht Ian King mit seinem Beitrag »Tucholskys windungsreicher Weg zum Pazifismus« im Programm. Er wollte ihn vorlesen lassen, selbst vorzutragen oder gar nach Berlin zu reisen, ließ seine fortgeschrittene Krebserkrankung nicht zu. Als wir am 13. September telefonierten, meinte er, sein Onkologe gebe ihm noch zwei bis drei Monate, und er hatte bisher immer recht. Dieses Mal nicht. Am 20. September übermittelte sein Freund Professor Stuart Parkes dem »nd« die traurige Nachricht, dass Dr. Ian King verstorben sei.

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