Israel, Palästina und deutsche Linke: Nur nichts Falsches sagen

Die deutsche Linke und ihre Positionierung zur Gewalteskalation in Israel und Palästina

Thüringens Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow hisste am Montag persönlich eine israelische Flagge vor der Staatskanzlei in Erfurt.
Thüringens Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow hisste am Montag persönlich eine israelische Flagge vor der Staatskanzlei in Erfurt.

Die Positionierungen der gesellschaftlichen Linken wie auch der gleichnamigen Partei zum neuen heißen Krieg im Nahen Osten nach dem Beginn der Terrorangriffe der Hamas vor einer Woche sind von auffälliger Zurückhaltung gekennzeichnet. Man verurteilt die Attacken auf das Schärfste und hält sich mit Kritik am Handeln des israelischen Staates zurück, der auf die wahllose Brutalität der Islamisten gegen Bürger Israels mit Bombardements und Blockaden antwortet, die ebenfalls überwiegend Unbeteiligte treffen.

Zu groß ist offenbar die Furcht in der Linken, als Relativierer der Angriffe der Hamas oder, schlimmer, als deren Unterstützer oder gar Antisemit geziehen zu werden. Entsprechende Vorwürfe werden aktuell einmal mehr insbesondere von Linken gegen andere Linke erhoben, aber selbstverständlich auch von Seiten der anderen politischen Parteien und aus den großen Feuilletons.

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Symptomatisch für linkes Aufgehen in einer politischen Einheitsfront in dieser Frage ist die Unterstützung des parteiübergreifenden Entschließungsantrags durch die Linksfraktion am Donnerstag im Bundestag. Zu deren Vorläufer-Erklärung durch die Parteivorsitzenden von SPD, Grünen, FDP, CDU und CSU war sie nicht eingeladen worden, worüber sich ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Jan Korte empörte: »Angesichts des unfassbaren Terrors gegen Israel sollten alle demokratischen Fraktionen gemeinsam ein kraftvolles Zeichen setzen – stattdessen wird selbst in dieser Situation kleinkarierte Parteipolitik betrieben. Dieses Verhalten ist unwürdig und schäbig«, schrieb er am Dienstag im Onlinedienst X.

In Medienberichten über die Beschlussfassung am Donnerstag gab es dann Lob für Die Linke, die trotz dieses Vorgangs »über ihren Schatten gesprungen« sei. In der einstimmig verabschiedeten Allparteienerklärung wird nicht nur Solidarität mit den Opfern und Hinterbliebenen der Hamas-Angriffe ausgedrückt, sondern vor allem bekundet, man stehe »solidarisch und entschlossen« an der Seite des Staates Israel. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, »auf der Grundlage des Völkerrechts Israel alles Notwendige und Erwünschte zur Verfügung« zu stellen, »was es für die Verteidigung braucht«. Dies schließt den Äußerungen mehrerer Politiker der Ampel-Parteien als auch der Union zufolge ausdrücklich Waffenlieferungen ein. Die Linke ist – eigentlich – die einzige Partei, die Rüstungsexporte in Kriegsgebiete ablehnt.

Zugleich enthält die Stellungnahme des Parlaments kein Wort des Mitgefühls für die zivilen Opfer der Vergeltungsaktionen Israels. Bis zum Donnerstagmorgen waren den großflächigen israelischen Bombardements nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums zufolge mindestens 1400 Zivilisten zum Opfer gefallen, unter ihnen 300 Kinder. Im Bundestagspapier wird lediglich konstatiert, dass unter bewaffneten Konflikten »zuallererst die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten« leide. Die Verantwortung dafür trage indes »einzig und allein die Hamas«. Weiter werden im Antrag Organisationsverbote und eine schnelle Bestrafung von Unterstützern der Hamas in Deutschland bis hin zu »aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen« verlangt.

Linksfraktionschef Bartsch verurteilte in seiner Rede den mörderischen Antisemitismus, der hinter den Taten der Hamas stehe. Zugleich betonte er, die »Islamfaschisten« der Hamas – sie kontrolliert den Gazastreifen seit einem Putsch 2007 – unterdrückten auch dessen Bewohner, »in der Mehrheit Kinder und ältere Menschen«. Es sei »auch unsere Verantwortung, dass Zivilisten geschützt werden«. Außerdem mahnte Bartsch, auch Deutschland dürfe nicht mehr »islamistische Regierungen für geopolitische Interessen des Westens benutzen« bzw. mit ihnen kooperieren. Insbesondere müsse die Bundesrepublik »aufhören, Wissen und Technologie in den Iran zu exportieren«, dessen Regime Israel zerstören wolle und die Hamas unterstütze.

Auf die jahrzehntelange Unterdrückung der Palästinenser im Gazastreifen, im Westjordanland und in Israel selbst ging Bartsch nicht ein. Es gab auch keinen anderen Redner, der dies am Donnerstag im Bundestag tat.

Dagegen äußerte sich der US-amerikanische Senator Bernard Sanders, der am Donnerstagabend in Berlin sein neues Buch vorstellte, sehr deutlich dazu. Der aus einer jüdischen Einwandererfamilie stammende Politiker der Demokratischen Partei verurteilte den Angriff der Hamas auf Israel scharf. Dieser werde dazu führen, dass viele tausend Israelis und Palästinenser ihr Leben verlieren, sagte er. Im Onlinedienst X hatte Sanders zuvor auch Israels Gegenangriff auf den Gazastreifen und den Lieferstopp von Nahrung, Wasser und anderen lebensnotwendigen Gütern als »Bruch internationalen Rechts« kritisiert. Angriffe auf Zivilisten seien Kriegsverbrechen, ganz gleich, wer sie begehe, betonte der 82-Jährige. Mit Blick auf die Abriegelung des Gazastreifens durch Israel seit 2007 nannte Sanders das von zwei Millionen Menschen bewohnte Gebiet mit den Ausdehnungen einer Großstadt »das größte Freiluftgefängnis der Welt«.

Diese Ausführungen veranlassten die SPD-Kovorsitzende Saskia Esken, ein Treffen mit Sanders abzusagen. Im Onlinedienst Bluesky Social kritisierte sie, der Politiker »hätte die Chance gehabt, seine früheren Relativierungen aufzugeben und sich klar an die Seite Israels und gegen den Terror der Hamas und anderer zu stellen«. Da er dies nicht tue, werde sie nicht zu einem Empfang am Rande der Buchvorstellung von Sanders in Berlin kommen, zu der sie eingeladen war.

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi erklärte wiederum am Donnerstag in einem Interview mit dem RBB-Sender Radio-Eins, alle Äußerungen zum Kontext des Konflikts seien eine Frage des Zeitpunkts: »Es gibt Tage, an denen ein Aber nicht hingehört.« Derzeit sei eine scharfe Verurteilung der Hamas-Angriffe »ohne Wenn und Aber« erforderlich, später könne man im Rahmen des Engagements für eine Lösung des Konflikts Forderungen auch an die israelische Seite stellen. Der Darstellung der Interviewer*innen, Linke wie das Bundesvorstandsmitglied Christine Buchholz sei Antisemitin, widersprach Gysi nicht, sondern sagte lediglich, Buchholz selbst würde dem widersprechen und behaupten, sie sei »nur israelkritisch«. Gysi sieht Antisemitismus aus historischen Gründen vornehmlich unter westdeutschen Linken.

Unterdessen setzt ein Beschluss des Linke-Bundesvorstands vom Mittwoch mit dem Titel »Für ein Ende der Gewalt in Israel und Palästina« dennoch Akzente gegenüber der Entschließung im Bundestag und geht ausführlich auf die israelische Besatzungspolitik ein, die den »Nährboden« für die Herrschaft der Hamas in Gaza bereitet habe. Der Hamas-Angriff wird in der Erklärung scharf als antisemitischer »Akt der Grausamkeit« verurteilt, der durch nichts zu rechtfertigen sei.

Die Linke-Spitze zeigt sich zugleich »besorgt, dass die Antwort der israelischen Regierung erneut zahlreiche Zivilist*innen töten wird und bereits getötet hat«. Es drohe eine »massive Welle militärischer Gewalt und Angriffe, unter der in erster Linie die Zivilbevölkerung leidet«.

Weiter heißt es im Vorstandspapier: »Siedlungsbau und Entrechtung, mangelhafte Infrastruktur und fehlende Perspektiven, häufig ungeahndete Schikane und Gewalt durch Sicherheitsbehörden tragen dazu bei, dass die Hamas sich als Befreier inszenieren kann – während sich ihre Akteure am Elend der palästinensischen Bevölkerung bereichern.« Die »ultrarechte Regierung« von Benjamin Netanjahu habe diese Entwicklung befördert. Die von ihr angekündigte »Total-Blockade auch von Wasser, Energie und Lebensmittellieferungen für über zwei Millionen Palästinenser*innen im Gazastreifen« sei ein »klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht« und »Nährboden für weiteren Terror«.

Die Linke stehe »für das Existenzrecht Israels und eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt, ein souveränes, sicheres Israel an der Seite eines souveränen, sicheren Palästina«, heißt es weiter. Man stehe »solidarisch an der Seite all jener demokratischen Kräfte, die sich für eine friedliche Lösung einsetzen«. Eine Kürzung von humanitärer und Entwicklungshilfe lehnt die Linke-Spitze ebenso ab wie Forderungen nach Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für Hamas-Unterstützer. Man sei »immer und grundsätzlich gegen Doppelbestrafungen mit dem Mittel des Aufenthaltsrechts«. Das Strafrecht biete ausreichend Möglichkeiten, Delikte zu ahnden.

Vor einer Kürzung bei Entwicklungsgeldern warnte auch die Linke-Europaabgeordnete Martina Michels. Das Europaparlament wird sich am kommenden Mittwoch mit der Lage in Israel und im Gazastreifen nach den Terroranschlägen der Hamas befassen. Auch Michels wendet sich gegen »Kollektivstrafmaßnahmen von Israel«.

Auch Friedensgruppen wie die Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) äußerten sich zum neuen Krieg in Nahost. Die IPPNW zeigte sich in einer Erklärung »entsetzt« über die Gewalt der Hamas gegen israelische Zivilist*innen. Die Friedensorganisation fordert den Uno-Generalsekretär auf, sich »für einen sofortigen Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel, die Freilassung der Geiseln und die Schonung von Zivilist*innen einzusetzen«. Die Bundesregierung solle sich gegenüber der israelischen Regierung »für eine Deeskalation der Lage stark machen«. Die »Spirale von Gewalt und Gegengewalt« müsse »endlich durchbrochen werden«. Dazu gehöre auch ein Ende der »gewaltsamen israelischen Besatzungspolitik«, so die IPPNW. Die Organisation erinnert daran, dass im letzten Gaza-Krieg 2014 laut der Uno 1814 Palästinenser*innen ums Leben gekommen sind, in ihrer großen Mehrheit seien sie Zivilisten gewesen. Die israelische Seite beklagte damals 64 gefallene Soldaten, drei getötete Zivilisten und mehrere hundert Verletzte.

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