Linke und der Musiker Hermlin: »… der kann kein Sozialist sein«

Der Musiker Andrej Hermlin droht wegen einer Linke-Erklärung zum Hamas-Massaker mit Parteiaustritt

»Jetzt ist Schluss« – der Satz klingt unumstößlich. Der Swing-Musiker und Bandleader Andrej Hermlin richtet ihn an seine Partei, Die Linke. Anlass der Empörung ist ein Beschluss des Linke-Vorstands nach dem Massaker der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas und an mehr als 1000 Israelis vor gut einer Woche. Die Linke verurteilt darin »die entsetzlichen Terrorangriffe der Hamas auf Israel«, spricht von einem »barbarischen Massaker«, einem »Akt der Grausamkeit«. Sie wendet sich gegen »den Antisemitismus und die Taten der Hamas«, betont die historische Notwendigkeit des Staates Israel.

Daneben wird darauf verwiesen, dass die Unterstützung der Hamas im Gazastreifen durch die palästinensische Bevölkerung »auch auf dem Nährboden und den menschenunwürdigen Bedingungen« basiert, die die Besatzungspolitik bereiten. Gemeint sind israelischer Siedlungsbau und Entrechtung der Palästinenser, mangelhafte Infrastruktur, Schikane und Gewalt durch israelische Sicherheitsbehörden – all dies trage dazu bei, »dass die Hamas sich als Befreier inszenieren kann, während sich ihre Akteure am Elend der palästinensischen Bevölkerung bereichern«.

Spätestens bei dieser Kritik der israelischen Politik beginnt Hermlins Zorn. Wer »im Angesicht von Hunderten geschändeten Frauen und Kindern nicht entschlossen und ohne jedes Wenn und Aber an der Seite des jüdischen Staates steht, kann kein Sozialist sein«, schreibt er in einem offenen Brief an den Linke-Vorstand. Hermlin verweist darauf, dass er vor 33 Jahren in die PDS eingetreten ist, »als Hunderttausende sie verließen«. Auch wegen seines Vaters, des Schriftstellers Stephan Hermlin, »der als Jude und Kommunist in Zeiten, «als es um nichts anderes ging als um den Kopf, für die sozialistische Utopie kämpfte». Zeitweilig war Andrej Hermlin Mitglied des Berliner PDS-Landesvorstands; weitaus bekannter ist er nicht nur einem linken Publikum als Chef des überaus erfolgreichen Swing Dance Orchestra.

Den Schlussstrich, den Hermlin nun der Linken androht, hat er bei der antifaschistischen VVB-BdA bereits vollzogen. Grund ist eine ähnliche Erklärung zum Nahost-Krieg wie die der Linken, schreibt Hermlin. Der Linkspartei hat er ein Ultimatum gestellt: Sollte sie den Beschluss nicht zurücknehmen, werde er die Partei verlassen. Zugleich spricht er der Linken einen Teil ihres historischen Bezugsrahmens ab: «Wer die arabischen Mörderbanden nicht als Todfeinde der sozialistischen Idee brandmarkt, hat jedes Recht verwirkt, sich auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu berufen.»

Nun ist schwer vorstellbar, dass ein Parteivorstand einen Beschluss zurücknimmt, weil eine Person damit droht, anderenfalls die Partei zu verlassen. Hermlin ließ über Facebook wissen, dass es ein Gespräch mit Vertretern der Linke-Spitze gab und weitere folgen werden. Wohin das führen kann, bleibt vorerst offen. Aber immerhin, man redet miteinander.

Da macht die Bundestagsfraktion der Linken einen anderen Eindruck. Als letzte Woche im Bundestag eine Entschließung der Ampel-Parteien sowie von CDU/CSU zum Hamas-Überfall auf Israel zur Debatte stand, war die Linksfraktion nicht zu einer gemeinsamen Haltung in der Lage. Das Bundestagsprotokoll verzeichnet bei der Abstimmung zur Entschließung Zustimmung aller Fraktionen.

Die Wahrheit ist, dass ein Teil der Linke-Fraktion dafür plädierte, den Mehrheitsantrag ohne Einschränkung zu unterstützen. Andere nahmen nicht an der Abstimmung teil, weil sie nicht gegen die Solidarität mit Israel und die Verurteilung der Hamas-Verbrechen votieren wollten, aber die Entschließung ergänzungsbedürftig fanden. Wieder andere ließen der Plenardebatte schriftliche Erklärungen folgen, die im Bundestagsprotokoll nachzulesen sind.

In vier teils identischen Erklärungen geht es unter anderem um die zeitweise israelische Totalblockade von Gaza, um Kritik an der Netanjahu-Regierung, an den guten Beziehungen der Bundesregierung zum Hamas-Sponsor Katar und an einer Kürzung der humanitären Hilfe für die Palästinenser. Die getrennten Erklärungen stammen von kleinen Abgeordnetengruppen, die der Bewegungslinken nahestehen, zu den Wagenknecht-Anhängern gehören bzw. jene Gruppe verkörpern, die sich in der bisherigen Fraktionsarithmetik weder von den Bartsch-Reformern noch von Wagenknecht und Co. vertreten fühlen. Letztlich bleibt erneut der Eindruck, dass die Fraktion heillos zerstritten ist und selbst angesichts der dramatischen Kriegsereignisse mehr Wert auf Abgrenzung als auf Gemeinsamkeit legt.

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