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»Das Haus«: In der Alterskommune
Benötigt die Literatur noch einen weiteren kulturkonservativen Brandenburg-Roman? »Das Haus« von Monika Maron
Zu sagen, Monika Maron schreibe seit Jahrzehnten immer wieder den gleichen Roman, ist nur eine gelinde Übertreibung. Seit ihrem Debüt »Flugasche« (1981) lesen wir von einer Protagonistin, von Beruf zumeist Autorin, die sich in einer Auseinandersetzung mit der Gesellschaft befindet und um ein selbstbestimmtes Denken und Leben kämpft.
Marons Heldinnen zeigen sich dabei stolz und eigensinnig, oft sogar stur und unleidlich. Es ist nicht allzu gewagt, ihnen eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Schöpferin zu bescheinigen. Im Umgang der Protagonistin mit Freunden und Feinden spiegeln sich in den Romanen die jeweils aktuellen gesellschaftlichen Debatten.
Die Romanautorin Monika Maron lässt sich von der Essayistin nicht trennen, bisweilen wandern Passagen aus ihren politischen Texten fast wörtlich in ihre Erzählungen. Maron, die ihre Karriere in der DDR als Reporterin begann, schreibt dabei einen schlichten, schnörkellosen Stil, der sich bisweilen poetisch verdichtet. Bemerkenswert ist ihre Fähigkeit, Figuren mit wenigen Strichen lebendig zu machen. Immer aber sind ihre Romane auch politische Parabeln – mal mehr, mal weniger aufdringlich.
Marons neuer Roman »Das Haus« macht keine Ausnahme. Darin finden sich alle Eigenheiten und typischen Motive der Schriftstellerin wieder, mit einer späten Milde werden sie dabei leicht ironisiert. Ein Altersroman ist »Das Haus« aber noch in einer zweiten Hinsicht: Er erzählt von einer Wohngemeinschaft von Menschen im Rentenalter, die in einem renovierten Herrenhaus in dem fiktiven Dorf Bossin in Brandenburg zusammenfinden.
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Von den Ereignissen in dieser merkwürdigen »Alterskommune« im Verlauf des Jahres 2019 erzählt die Hörfunkjournalistin Eva Paul. Deren Freundin, die Tierärztin Katharina Klaas, hat das Anwesen von einem Vetter geerbt und Freunde und Bekannte eingeladen, den Lebensabend dort gemeinsam zu verbringen statt in Einsamkeit. Eva zieht jedoch nicht aus Überzeugung, sondern aus Not ein, nachdem sie ihre Wohnung in Berlin eingebüßt hat: »Kollektive Lebensmodelle überforderten mich, selbst meine Ehen waren an meinen Kompatibilitätsdefiziten gescheitert.«
Anders die lebenslustige und unstete Sylvie, die das Projekt begeistert antreibt, jedoch auch regelmäßig aus dem Landleben zurück in die Großstadt flüchtet. Zur grauen Gemeinschaft gehören außerdem ein emeritierter Professor für Alte Geschichte und seine Frau, eine ehemalige Buchhändlerin und ein Physiker aus Dresden, der vor einer unerträglichen Ehefrau geflüchtet ist.
In längeren Gesprächen nähern sich die unterschiedlichen Menschen im Verlauf des Jahres einander an, erzählen von ihren Ängsten und tragikomischen Liebesgeschichten. Die anfangs skeptische Eva fühlt sich zu ihrer eigenen Überraschung zunehmend wohl: »Mit jeder Woche in Bossin entrückte ich dem allgemeinen Palaver über die zunehmende Kriminalität, diesen oder jenen Extremismus, die verheerende Wirkung der sozialen Medien oder auch nur über ein empörendes Buch ein Stück weiter.«
Wie bei Maron üblich gibt es jedoch auch Störenfriede, die von der Autorin mit grünen und linken Macken ausgestattet werden. Gerlinde, die Frau des Professors, ist hypersensible Vegetarierin, die sich zugleich vor Tieren fürchtet. Der schwule Michael Jahnke nervt die eher konservative Gemeinschaft mit seinem »Weltrettungsreflex« und Warnungen vor der Klimakatastrophe, als sich ein Waldbrand dem Dorf gefährlich nähert. Er erfrecht sich sogar, nach der Umwandlung von Katharinas Haus in Gemeinschaftseigentum zu rufen. Natürlich wird er später durch die großzügige Erbin beschämt, die das Anwesen freiwillig den Bewohnern vermacht.
So geht es in der Hausgemeinschaft dann doch manchmal zu wie in der Gesellschaft im Großen: »Wir lächelten und schwiegen, wahrscheinlich fürchtete jeder, mit dem nächsten Satz nur ein neues Streitthema zu eröffnen.«
Monika Maron, die in den vergangenen Jahren vor allem mit Tiraden gegen »kopftuchbewehrte« Frauen von sich reden machte, kommt auch in ihrem neuen Buch nicht ohne Ressentiments aus, wenngleich sie nicht so giftig artikuliert werden wie im früheren Roman »Munin oder Chaos im Kopf« (2018). Die rechten Bildungsbürger meckern über Windräder, Gendersprache und verweiblichte Männer, sehen im Brand von Notre-Dame in Paris ein »Zeichen« für den Niedergang des Abendlandes – das ermüdend Übliche.
Auch der Besuch des jüngeren Krimiautors Alex, der die Wohngemeinschaft als »Gnadenhof« verspottet, sorgt intellektuell nicht für frischen Wind. Dafür kommen die Alten gut mit den Ureinwohnern des Dorfes aus und finden neuen Lebenssinn, indem sie wieder anfangen, ihre Talente zu verwirklichen.
Benötigt die deutsche Literatur noch einen weiteren kulturkonservativen Brandenburg-Roman? Hatte nicht Maron selbst mit »Endmoränen« (2002) schon einen literarisch besseren geschrieben? Auch die Autorin scheinen Zweifel überkommen zu haben, zumindest deutet das in doppeltem Sinn gewaltsame Ende ihrer Geschichte darauf hin, dass sie mit ihr irgendwann selbst nichts mehr anzufangen wusste.
In Sachen Erfolg wird Maron inzwischen von ihren jüngeren Nachahmerinnen Juli Zeh und Daniela Krien überholt, die eine ähnliche Weltsicht einem größeren Publikum mit schnelleren und saftigeren Plots schmackhaft machen. Maron hingegen scheint es wie ihre Heldin Eva gelernt zu haben, Langeweile zu genießen.
Monika Maron: Das Haus. Hoffmann und Campe, 238 S., geb., 25 €.
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