Lobbygesetz im Bundestag: Leicht nachgeschärft

Der Bundestag verabschiedete ein neues Lobbygesetz. Das nüchterne Ergebnis: ein bisschen mehr Transparenz

Im politischen Berlin wimmelt es nur so von Lobbyisten, die mit ihren gutsitzenden Anzügen im Bundestag ein- und ausgehen, als wäre dieser ihr zweites Zuhause. Oft sind es studierte Politikwissenschaftler, die nach der Uni in einem der unzähligen Consultingunternehmen im Regierungsviertel untergekommen sind und dann mangels gutbezahlter Alternativen im Politikmillieu keinen Ausweg fanden.

Seit der Einführung des Lobbyregisters unter der Großen Koalition im Jahr 2021 wissen wir sogar ungefähr, wer diese Interessenvertreter sind, die sich in der Hauptstadt tummeln. Was genau sie dort machen und – noch viel wichtiger – mit welchen Politikern sie sich treffen, blieb der Öffentlichkeit weiterhin verborgen.

Genau das wollte die Ampelkoalition zu Beginn der Wahlperiode eigentlich mit einer Schärfung des Lobbyregistergesetzes ändern. Am Freitag wurde das Gesetz im Parlament dann verabschiedet – mit dem Ergebnis: Ein bisschen Transparenz muss für’s Erste genügen. Verantwortlich für das halb-gebrochene Versprechen der Regierungskoalition sind womöglich nicht nur die Koalitionäre selbst, sondern auch die Lobbyisten, die an diesem Gesetzesverfahren maßgeblich beteiligt waren.

Was galt, was wurde versprochen?

Bisher waren Lobbyisten verpflichtet, sich dann in das Lobbyregister einzutragen, wenn sie mit Bundestagsabgeordneten, Regierungsvertretern oder der Leitungsebene in einem Ministerium direkt in Kontakt traten. »Das Lobbyregister, das die Groko verabschiedet, gleicht einem löchrigen Käse«, erklärte Lisa Böhm vom Lobbytransparenzverein abgeordetenwatch.de dem »nd«. »Es ist einfach nur eine Liste mit Namen von Lobbyisten.« Die allerwichtigsten Angaben seien aber freiwillig, so Böhm.

Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, FDP und Grüne drei konkrete Nachbesserungen für mehr Transparenz vorgenommen. Erstens sollten Lobbyisten auch dann zu einem Eintrag ins Register verpflichtet werden, wenn sie Kontakte auf Referentenebene haben. Meist sind es nämlich diese Mitarbeiter, die die Gesetzestexte schreiben. Zweitens kündigte die Ampel die Einführung eines sogenannten Lobbyfußabdrucks an, der offenlegen sollte, wer genau auf welche Gesetzesverfahren Einfluss nimmt, sodass es für Bürger klar nachvollziehbar ist. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag: »Für Gesetzentwürfe der Bundesregierung und aus dem Bundestag werden wir Einflüsse Dritter im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben und bei der Erstellung von Gesetzentwürfen umfassend offenlegen.« Drittens sollten Kettenbeauftragungen, die es besonders schwer nachvollziehbar machen, wer für wen Lobbyarbeit betreibt, unterbunden werden.

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Diese Schärfungen kommen nun

Der wohl wichtigste Fortschritt ist, dass Lobbyisten künftig angeben müssen, auf welches konkrete Gesetzgebungsvorhaben sie Einfluss nehmen wollen. Auch müssen die Interessenvertreter die Kernpunkte ihrer Forderungen im Lobbyregister hochladen. Außerdem wird die bisherige Möglichkeit gestrichen, Angaben zur Finanzierung zu verweigern.

Bei Beauftragung mehrerer Interessenvertreter soll dargestellt werden, wer hinter dem ursprünglichen Auftrag steckt. Wer als Mandats- und Amtsträger zu Lobbyorganisationen wechselt, soll künftig offenlegen müssen, dass er dann als Lobbyist tätig ist. Lobbyisten müssen künftig im Register zudem angeben, wenn sie in den vergangenen fünf Jahren Mitglied des Bundestags waren oder Regierungsämter innehatten. Damit soll der sogenannte Drehtüreffekt beim Wechsel von Amts- oder Mandatsträgern in die Wirtschaft nachvollziehbar gemacht werden.

Die Pflicht zur Registrierung im Lobbyregister soll künftig bereits dann greifen, wenn Interessenvertreter Kontakt mit Referatsleitern in der Regierung aufnehmen. Bisher war eine Registrierung erst von der Ebene der Unterabteilungsleiter aufwärts erforderlich.

Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency Deutschland sieht in den Nachbesserungen für das Lobbyregister »viele kleine Schritte nach vorn«, aber keinen »großen Wurf«. Dass nun einsehbar wird, auf welche Gesetzesverfahren Lobbyisten konkret einwirken, sei zwar »ein großer inhaltlicher Mehrwert«, erklärte der Ko-Leiter der Arbeitsgruppe Politik der Organisation, Norman Loeckel. Die »wirklich heißen Eisen« würden aber nicht angepackt.

Das wird weiter bemängelt

»Für tatsächliche Lobbytransparenz müsste nachvollziehbar sein, welcher Lobbyist sich mit welchem Politiker konkret trifft«, wie Lisa Böhm erläuterte. Hier gehe es auch um Lobbyveranstaltungen wie Paneldiskussionen, Konferenzen oder parlamentarische Frühstücke, bei denen Interessenvertreter regelmäßig mit Abgeordneten oder Mitgliedern der Regierung zusammenkommen.

»Der Fußabdruck wäre wie eine extra Plattform, damit Bürger auch wirklich nachvollziehen können, wie ein Gesetz zustande gekommen ist«, so Böhm. »Ähnlich wie ein Lieferkettengesetz.« Dieses Versprechen wurde im Lobbyregistergesetz nicht umgesetzt. »Es ist dringend nötig, dass die Bundesregierung ein weiteres Gesetz zur Umsetzung eines legislativen Fußabdruckes nachliefert«, so Böhm. Sonst werde die Ampel ihren eigenen Zielen nicht gerecht.

Auch eine unabhängige Kontrollinstanz, die für die Einhaltung der Regelungen genauso wie für die Sanktionierung bei Fehltritten zuständig wäre, wird es nicht geben. Sowohl Anti-Korruptions-Vereine als auch die Linkspartei hatten eine solche Instanz gefordert – ähnlich wie der Bundesrechnungshof oder auch der Datenschutzbeauftragte des Bundes.

Auffällig ist, dass mehrere Lobbyvertreter am Gesetzgebungsverfahren beteiligt waren. Die FDP etwa, hatte einen Lobbyisten aus der Chemieindustrie, Michael Henning, als Sachverständigen eingeladen hatte. Norman Loeckel von Transparency International war als Experte der Grünen im Bundestag zu Gast. Die Organisation, die sich erst einmal nach viel Transparenz anhört, ist Gründungsmitglied der Allianz für Lobbytransparenz, hinter der eine große Gruppe an Verbänden etwa aus der Mobilindustrie oder dem Bankenwesen steht. Ebenfalls Teil dieser Allianz ist der auch der Sachverständige der Union, Dominik Meier, Vorsitzender des Lobbyistenverbandes Degepol.

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